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Graspop Metal Meeting

Dessel, Belgien, 16. - 19.06.2022

Lars sprach Monate vorher mehrfach vom Graspop, ohne dass ich ernsthaftes Interesse entwickelt hätte. Klar, es gab immer fette Billings, und mindestens zweimal vor Jahren war ich auch dabei und hatte einiges an Spaß.

Aber die Aussicht auf eine Besuchermasse von um die 200.000 Fans fand ich allein schon abschreckend genug. Alles geklärt also, wenn mein vergesslicher Buddy nicht doch plötzlich was im Postfach gehabt hätte.

 

Donnerstag

Als Lars unerwartet also doch noch Tickets zugeschickt bekam, hing ich auch schon mit drin. Massenfestival, drei Tage zelten, und dann drohte auch noch extreme Hitze. Aber es nützt ja nix, wir also geschmeidig mit dem Auto nach Belgien, die letzten Kilometer auf interessanter Route über die Landstraße, etliche einladende Biergärten säumten den Wegesrand. Im Ort bildete sich doch noch Stau, viele Helfer winkten einen eifrig irgendwo hin, und schließlich parkte Lars seinen Boliden schön auf der grünen Wiese, das noch kühle Döschen Obergäriges hatten wir uns verdient. Ein Bändchen ums Handgelenk zu bekommen und der generelle Check-In gestalteten sich zügig, die Kontrolle am Camping-Eingang dafür umso langwieriger. Eineinhalb Stunden zog es sich hin, nur damit die Bediensteten halbherzig ein bisschen an jeder Tasche rumnestelten, völlig sinnfrei sowas. Noch blöder: der Boneyard war schon komplett voll, von vorne bis hinten, und auch irgendwie kleiner als noch vor Jahren. Also quetschten wir unser Zelt an den äußersten Rand, niemand hatte ein Problem damit, Glück im Unglück. Dann hieß es erstmal Rumgucken, Munten ziehen und die 0,5-Liter-Bar in Augenschein nehmen. Zum Auftakt gab's für uns dann Flotsam And Jetsam im riesigen Marquee, das ließ sich gut an, auch wenn die Leinwände an den Bühnenseiten sauhell und nicht wirklich synchron zur Bühnenaktion liefen. Anschließend erfrischten wir uns per Cocktail, bevor wir den ersten Abstecher ins Classic Rock Café unternahmen. Dort wurde karaokemäßig das entsprechende Liedgut dargeboten, Lars war sogleich begeistert. Vor allem Hearts "Alone" sollten wir nicht zum letzten Mal an diesem Ort gehört haben.

 Nun ging's im Tribute-Modus weiter ins Marquee zu Death To All, die ein bisschen steif performten, gerade die Gitarren klangen allerdings sehr geil. Lars drängte es zum Surfen, kaum dass wir vier Stunden anwesend waren... Anschließend sammelten wir uns kurz am Lager und machten uns nachtfein, bevor wir uns Maiden auf einer der beiden großen Bühnen reinzogen. Bruce Bruce glänzte mit Asi-Palme (weil er es kann), und nachdem wir drei anfängliche neuere Songs überstanden hatten, bekamen wir noch eine Ladung Klassiker bei gutem Sound serviert. Auch die Nasenfrau im Strampler neben uns fand Gefallen. Nach einer stärkenden, wenn auch sündhaft teuren Portion Falafel, mussten wir erneut ins Marquee, Mercyful Fate gucken. Und meine Fresse, wie gut war der King denn drauf? Stimmlich in fast verdächtiger Hochform präsentierte er einen Smash-Hit nach dem nächsten, es war brillant. Da ließ ich mich nicht lang bitten sondern hochstemmen, nahm Körperspannung an wie einst Jens Weißflog kurz nach dem Absprung vom Schanzentisch... Und stand drei Sekunden später auch schon wieder auf den Brettern. Dann eben nicht. Erster Surfversuch mit 52 jäh beendet. Dafür war meine Kappe erstmal weg, fand sich jedoch am Ende stark lädiert am Boden wieder. Trotzdem ein klasse Gig am Ende des Tages. Lars musste natürlich noch weiter um die Häuser ziehen, ich hatte langsam Bettschwere. Nachdem ich ein bisschen über den dunklen Platz geirrt war, fand ich irgendwann auch mein Zelt wieder und lauschte an der Ultraleichtmatratze.

Freitag

Unabhängig voneinander entsorgten wir in den Morgenstunden die am Vortag getragenen U-Hosen, schließlich will man sich nicht mit unnötigem Ballast rumärgern. Ansonsten waren die hygienischen Voraussetzungen beim GMM gewohnt top, nur die Warterei in der Duschschlange gestaltete sich angesichts sehr traniger Waschgenossen unschön langwierig. Da Lars heute Schlüpftag feiern konnte, starteten wir mit einem beruhigenden Underberg nebst Frühschoppen an der Boneyard-Tränke in selbigen. Zur frühen Mittagsstunde wurden wir bereits Zeugen des ersten Acts auf der North Stage. Von der Belgian Beer Bar aus und mit einem kühlen Ruby am Hals klangen Phil Campbell und seine Bastard Sons tatsächlich nicht übel, gerade auch die Vocals gefielen. Nach einem üblichen halben Literchen im offenen Abhängzelt erfreuten wir uns an Dool im Marquee, Diverso van Drost mal wieder androgyn as fuck. Im Classic Rock Café mussten wir auch vorbei schauen, schließlich war es dort schattig, wenn auch stickig, aber mit Fanta in Handgranatenform ließ es sich für eine Weile aushalten. Die Karaoke-Sänger wechselten zügig und sehr koordiniert, schwer vorstellbar, dass man sich spontan hätte zur Verfügung stellen können (was eh niemand gewollt hätte). Anschließend blieben wir zufällig bei Angelus Apatrida im Marquee hängen, die einen ziemlichen Abriss veranstalteten inklusive imposanter Wall of Death. Da es inzwischen tropisch heiß war, schien eine schattige Pause sinnvoll, die wir unterm Dach des Nebenausgangs verbrachten. Mit Kühlung spendenden Zerstäubern bestückt, machten wir uns schließlich los zum Metal Dome und Zeal & Ardor. Ich hatte ja Einiges erwartet, wurde aber eines noch Geileren belehrt.

Von Anfang bis Ende und von vorn bis hinten entwickelte sich eine einzige Ekstase voodooesken Ausmaßes. Der Groove fuhr einem unausweichlich ins Beinkleid und keiner konnte ihm entgehen. Passenderweise waren wir auch im exakt idealen Zustand, nämlich frisch erholt aber doch angenehm verstrahlt. Wahnsinnsshow und definitiv nicht mehr zu übertreffendes Highlight! Lars sah es natürlich auch ein, warum ich ihn von den parallel zockenden Megadeth abgehalten hatte, von denen wir immerhin noch die letzten Minuten mitbekamen, die auch ziemlich cool klangen. Dann ein paar gesunde Vitamine in Cocktailform, von Whitesnake konnte man eh nicht viel erwarten. Aber schau an, mit "Burn" zündete Liftmaster Coverdale eine kleine Überraschungsbombe, denn in echt souveräner Art und Weise brachte uns der alte Mann einen feinen Klassiker-Set, bei dem man nahezu alle Songs auf dem Schirm hatte. Höhepunkt: "Crying In The Rain", funktionierte auch grinsend in der Sonne. Die sich zum Glück langsam zurückzog, bis sich um Mitternacht schließlich die nächsten alten Männer ein Stelldichein zum Abschluss gaben. Ich hätte echt Bock auf ne amtliche Scorpions-Show gehabt, aber selbst nach fünf Litern Bier nüchterte man schlagartig aus, als Opa Meine wie festgetackert am Mikroständer, die Sonnenbrille einem Leichentuch gleich das Gesicht bedeckend, irgendwas von "Gas In The Tank" nuschelte. Schlimm anzusehen und zu hören. "Coast To Coast" kam dann ganz gut, Tiefpunkt in der Mitte des Sets die beiden Hausfrauenballaden mitsamt politisch korrekt "angepasster" Lyrics beim Pfeifhasengassenhauer. Einige Songs kamen dann immerhin ganz passabel, "Rock Believer" blieb sogar als fuckin Ohrwurm noch länger erhalten. Trotzdem besteht immer weniger Zweifel, dass die Scorps schon vor drölfzig Jahren ihr Verfallsdatum gerissen haben. Betreibt Mikkey Dee nebenbei eigentlich ne Geriartrie-Agentur?

 

Samstag

Heute sollte die Hitze nochmal einen draufsatteln und deutlich die 30-Grad-Marke übersteigen. Entsprechend lassen wir es erstmal chillig im begehrten Schatten angehen, wo meine weiße Buchse auf dem staubigen Boden im Nu eingesaut wird. Michael Schenker startet bei Sonnenhöchststand nicht ohne die obligatorische Pelzmütze, aber wo soll er sonst auch die Sonnenbrille deponieren. Am Gitarrenhals stehen die Saiten wild in alle Richtungen ab, aber immerhin nimmt der Maestro inzwischen eine entspanntere Körperhaltung ein als in früheren Zeiten oft gesehen. Die meisten Songs kennt man dann halt irgendwie und der Set kommt echt gut, da sehen die Scorpions im Vergleich wahrlich alt aus. Gleich nebenan geht es weiter mit Blues Pills, wo Frau Larsson aufgedreht umherhüpft, als müsste sie sich irgendwie warmhalten, und bietet dabei eine Energie-Performance vom Feinsten. Der an die Gitarre gewechselte Ex-Bassist klampft viel sachlicher und weniger dudelig als das Vorgänger-Wunderkind, was der Band für meinen Geschmack viel besser steht. Blues Pills haben's noch drauf und sollten längst nicht abgeschrieben werden. Weiter geht's erneut nur 50 Meter seitwärts, jetzt mit Europe. Hätten wir vorher nur bedingt auf die Watch List genommen, aber auch die ollen Schweden präsentieren sich überraschend stark. Allein der Opener "Walk The Earth" hinterlässt schon bleibenden Eindruck, geile Nummer. Mr. Tempest ist gut bei Stimme und auch in diesem Fall kennen wir wieder einen Großteil der Songs, ohne überhaupt ne Scheibe der Band zu besitzen. Muss ein Qualitätsmerkmal sein. Zum Schluss kommt natürlich der totgenudelte Überhit, ob die Mucker diesen selbst überhaupt noch ertragen können? Anschließend brauchen wir ne Schattenpause, ich kann mich dunkel an ein stärkendes Pad Thai erinnern, dann gucken wir im Rock Café vorbei, wo es stickiger denn je ist. Zur allgemeinen Erheiterung trägt allerdings ein absurdes Hupfdohlen-Video mit Bon Scott bei, muss man gesehen haben. 

Wo vorhin Europe aufgehört haben, machen nun Foreigner weiter, schon wieder ein Melodic-Dino also. Meist im Sitzen haben wir aber ziemlichen Spaß mit den gut abgehangenen Hymnen, "I Want To Know What Love Is" geht heute sogar ziemlich an die hitzegestresste Pumpe. Da hilft zunächst ein Luxusfalafel, auch wenn die Warteschlange lang ist. Tatsächlich sind wir heute fast den ganzen Tag vor den beiden großen Freiluftbühnen beschäftigt, nix Marquee. Nun mit Saxon, da kann gar nix schiefgehen. Biff macht die brütende Hitze überhaupt nichts aus, er behält die dicke Jacke einfach an, um zu entertainen, wie er es perfekt beherrscht. Immer wieder geil der Typ, und mit den Songs passt wie immer auch alles. Dann beginnt langsam der Endspurt, und nach so vielen coolen Shows sind es ausgerechnet Priest, die für unseren Geschmack einigermaßen abkacken. An der Setlist liegt's sicher nicht, denn die ist über jeden Zweifel erhaben. Aber die Performance, auweia. Rob permanent in gekrümmter Ablesehaltung, während die Behelfsgitarristen reglos ihren Stiefel runterspielen. So wirkt's dann leider wie eine Coverband ihrer selbst, schade drum. Zum Trost gehen wir nochmal auf 'nen Absacker ins Rock Café, wo die inzwischen gewohnt geilen Schmachtfetzen laufen. Mich wundert ja, wie ich es am dritten Tag unter extremen Bedingungen so lang ausgehalten habe, kurz nach halb zwei übermannt mich aber doch langsam die Bettschwere, während Lars natürlich noch topfit ist. Den Sonntag schenken wir uns dann wie geplant, allein schon aus Protest gegen eine gequirlte Scheiße wie Sabaton, die hier den Headliner mimen darf. Immerhin sind wir morgens nach der dreitägigen Tortur noch erstaunlich gut beieinander: Das Quechua lässt sich auf Anhieb korrekt zusammen legen, und ein letztes Bierchen an der Boneyard-Tränke ist auch noch drin. Ging doch!

 

Tofukeule, Frühsommer 2023

GMM 2016

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