Schoten

nur hier erzählt

Spaltsoja

Sojabrei

Hauptfeld

Seitan

Tofub(r)uch

Erb.Info

           

Ironhammer Festival

Andernach, Juz Live Club (Freifläche), 12.09.2020

Der Sommer ohne Festivals ging zu Ende, und auch die kommenden Monate versprachen keine Rückkehr zur metallischen Livekultur. In Andernach jedoch versprühte man einen gewissen (Zweck-)Optimismus. Nachdem das kurz vorm Ironhammer angesetzte A Chance For Metal - Festival  jedoch ebenfalls dem Absagevirus zum Opfer gefallen war, hielt sich meine Zuversicht in überschaubaren Grenzen.

Ende August verkündeten die Veranstalter allerdings konkrete Details zum geplanten Ablauf, die dem Feuer der Hoffnung neue Nahrung gaben. Es sollte ein Open Air werden mit Sitzplätzen und Stehtischen sowie den unvermeidlichen Hygienemaßnahmen. Warum zum Teufel sollte das so nicht funktionieren können?

 

Natürlich blieb bis zuletzt die Ungewissheit, dass behördlicherseits doch noch ein Riegel vorgeschoben werden könnte. Aber dann hätten Lars und ich eben unsere Moseltour verlängert oder einfach Seniorenurlaub in Andernach gemacht. Zum Glück war jedoch bis zum Vortag keinerlei Hiobsbotschaft zu vernehmen, weswegen wir als frischgebackene Langstreckenwanderer zuversichtlich am Freitag Nachmittag unweit des Juz unsere Top-Ferienwohnung bezogen. Bei bestem Spätsommerwetter marschierten wir erstmal Richtung Rhein, wo wir überraschenderweise im Biergarten landeten. In entspannter Atmosphäre genossen wir einige Kaltgetränke und ließen uns vom illustren Treiben ringsumher unterhalten. Als sich Hunger einstellte, suchten wir das indisch-pakistanische Restaurant Rehber auf, wo wir uns an Daal-Gerichten und Mezzo Mix labten. Eine leckere Adresse, die ich vor Jahren bereits einmal schätzen gelernt hatte. Anschließend waren wir unentschlossen ob der weiteren Abendgestaltung und gingen letztlich direkt zurück zur Unterkunft, auch weil sich unterwegs keine Einkehrmöglichkeit mehr anbot. Wir nahmen schließlich noch das Spieleangebot in der Fewo in Anspruch, so dass bei Wackelturm, Kniffel und Deutschlandradio Kultur irgendwann die Nacht über uns hereinbrach.

Am Vormittag des großen Events schlug Lars einen Frühstücksabstecher nach Koblenz vor, was ich für eine prima Idee hielt. Wir landeten im ALEX, es lag Buffet an. Der Kellner gab sich wirklich Mühe, mir die veganen Optionen nahe zu bringen, die ultimative Ahnung hatte er nicht. Irgendwie fand ich aber genug, um einigermaßen zufrieden satt zu werden, und außerdem konnte ich mich ja an einer großen Rhabarberschorle ergötzen. Anschließend musste noch ein bisschen Sightseeing sein, schließlich war ich noch nie vorher am Deutschen Eck. Dort tummelten sich allerhand weitere Touris, aber außer dem großen Denkmal und der natürlich schönen Flusslandschaft gab's auch nicht so wahnsinnig viel zu begaffen. Wir mussten eh langsam zum Festival aufbrechen. Von unserer Wohnung aus erreichten wir nach etwa 20 Minuten Fußweg das Gelände des Juz, wo dank gut besuchten Nachtparkplatzes tatsächlich ein wenig der bekannten und vermissten Festivalatmosphäre herrschte. Schwarz gekleidete sympathische Menschen hingen gut gelaunt auf sommerlicher Wiese ab, hell yeah! Lars und ich standen zunächst noch ein wenig in der Gegend rum, um auf Bernd zu warten, der ein überzähliges Ticket abnehmen wollte. Da dieser sich verspätet hatte, gingen wir schließlich schon mal rein, brav maskiert.

Am Platz durfte man zum Glück frei atmen, sprich wir suchten uns einen der noch nicht besetzten Stehtische im hinteren Bereich des Geländes aus, was dann also unser Standort war für die nächsten Stunden. Die ganze Chose verlief demnach relativ statisch, was uns alten Säcken aber natürlich nicht sonderlich schwerfiel. Bewegung bekamen wir trotzdem ausreichend, da wir ja regelmäßig zum Getränkestand gehen mussten. Wir labten uns am in der Region fast monopolistisch vertretenen Benediktiner, fünf Euro pro Becher, ein stolzer Preis, aber die Veranstaltung machte angesichts des zu betreibenden Aufwands sicher trotzdem genug Miese. Wir ließen also gern ein paar Penunzen vor Ort, auch als eine Dame zwischendurch noch eine kleine Hutsammlung für den mutigen Veranstalter durchführte. Insgesamt wirkte die bespielte Fläche hinterm Juz ziemlich ideal geeignet für derlei Bespaßlichkeit. Es passten ausreichend Kirmeseinheiten nebst besagten Stehtischen hin, an den Rändern Stände für Speis und Trank sowie Merch, und dazwischen genug Platz um ungehindert von A nach B zu gelangen. Für die sanitären Zwecke standen die Örtlichkeiten im Club zur Verfügung, wo am Eingang das Personal dafür sorgte, dass es drin nie zu eng wurde und man beim Verlassen die Wichsgriffel desinfektiös besprüht bekam. Sehr fürsorglich alles.

Nach einer Bühnenansage zur Lage der Dinge, ausgedrückter Erleichterung über das Zustandekommen des Festivals in Kooperation mit den örtlichen Behörden und der üblichen Hinweise zur Einhaltung der Vorschriften, ging es ziemlich pünktlich schließlich los mit der ersten Band, Lord Vigo starteten vor noch nicht ganz voll besetzten Bänken. Aber gut fühlte es sich an, Metal live und in Farbe zum ersten Mal seit einem halben Jahr! Der Sound kam wie erwartet nicht ultravoluminös aber durchaus passabel bei uns hinten an, beim KIT wäre man froh darüber. Die Band schien ihren Klamaukfaktor im Vergleich zu früheren Gigs ein wenig heruntergeschraubt zu haben, die Ansagen des Herrn Clortho fielen trotzdem sehr pathosschwurbelig aus. Bestens unterhaltsam alles, und ein Song gegen Ende gefiel mir auch besonders gut mit seinem Tony-Martin-Ära-Sabbath-Vibe.

 Am Tisch vor uns zockte man Gesellschaftsspiele,  als sich Sweeping Death anschickten, uns mit dem womöglich besten Gig des Tages zu überraschen. Die Truppe aus Bayern war mir vorher quasi überhaupt kein Begriff, hat auch erst ein Album in Eigenregie veröffentlicht. Zum Glück scheint jemand Ahnung zu haben, der sie verpflichtete, hier so einen feinen frickelig-thrashigen und gleichzeitig mit Melodien gespickten Metal aufs Parkett zu legen. Wir waren beide ziemlich angetan vom anspruchsvollen aber eingängigen Liedgut, der anschließende Kauf des Albums war beschlossene Sache. Auf dem Weg zum Bierstand sprach mich eine vermummte Person auf mein anscheinend Gefallen hervorrufendes Pentagram-Shirt an. Ein uverhoffter Sozialkontakt also, wenn auch gänzlich ohne Minenspiel. Man wird sich dann halt auch nicht wiedererkennen, sollte man sich nochmal irgendwo begegnen. Weiter im Programm ging es mit Tyler Leads, der Metal wich dem harten Rock. Auf der Bühne war nun das Maximum an Bewegung zu beobachten, die Band schien den Lockdown mit einem intensiven Fitnessprogramm überbrückt zu haben. Vielleicht gehen die Typen aber auch immer so ab, ich hab ja keine Ahnung. Jedenfalls trug auch diese Combo zu echter Kurzweil bei, auch wenn von den Songs nicht so arg viel bei mir hängen blieb. Machte Spaß. Nun zog sich die Sonne langsam zurück, was uns dran denken ließ, dass es im bloßen T-Shirt bald etwas frisch werden würde. Ein bisschen was von Stormzone, die es irgendwie aus Nordirland geschafft hatten anzureisen, guckten wir uns noch an. Wir redeten uns den etwas zu fröhlichen Melodieansatz mies, um mal eben den Absprung zu unserer Bude zwecks Klamottenaufrüstung zu schaffen.

 Zu Pyracanda waren wir natürlich rechtzeitig zurück, denn die Koblenzer Old-School-Thrasher fixten mich am meisten an, nachdem ihr Klassiker "Two Sides Of A Coin" meinen Plattenteller in den letzten ein, zwei Jahren überraschend oft mit beeindruckendem Effekt beglückt hatte. Vielleicht hatte ich zu viel erwartet, aber leider konnten die Jungs live nicht wie erhofft punkten. Schwer zu sagen, woran es lag, objektiv gab's eigentlich nichts groß zu bemängeln. Womöglich hätte mehr Nähe zur Bühne geholfen, aber ging ja nicht, auch wenn sich einige Besucher nur schwer zurückhalten konnten. Ganz zum Schluss des Gigs passte bei "Top Gun", dem Opener des besagten Albums, dann aber auch für mich alles, saugeil! Schade dass es gerade jetzt schon zu Ende war. Da hätte mehr drin sein müssen, vielleicht ja bei der nächsten Gelegenheit.

Nun blieb es Tankard als Headliner überlassen, dieses spezielle Event zu beschließen. Eine etwas undankbare Konstellation natürlich, wenn die Feierbiester und Bierexperten vor einer Meute auftreten, die sich bei allem Spaß aus bekannten Gründen auch ziemlich am Riemen reißen muss. Und so merkte man den Frankfurtern schon an, dass sie mit angezogener Handbremse agierten. Man sah es an der gemäßigten Bühnenaction und hörte es bei Gerres Ansagen, die meist einen beschwichtigenden Unterton aufwiesen. Auch vom Veranstalter kam nochmal die Bitte, es sich keinesfalls zu verscherzen, um nicht weitere geplante Shows zu gefährden. Und so hatten sich dann auch alle im Griff. Tankard machten weiter das Beste daraus, das Publikum erfreute sich am heute alkfreien Thrash brav vom Platz aus. Wir verleibten uns als Betthupferl jeweils ne große Portion Pommes ein, und verließen den Ort des Geschehens schon etwas vorm Schlussakkord, sind ja auch keine allzu großen Fans des etwas unfiligranen Sounds der Hessen. Nichtsdestotrotz hatten wir einen echt wunderbaren Tag mit den ganzen vernünftigen Metallern, die man seit einem halben Jahr so vermisst hatte. Absolut großer Dank und Respekt gebührt den Leuten vom ACFM für die unermüdliche, sicher unfassbar aufwändige Organisation und letztlich perfekte Durchführung. Möge das Andernacher Juz bald wieder Ziel eines fulminösen Metal-Ausflugs werden.

Tofukeule, Oktober 2020

nach oben