Nach einer etwas überteuerten aber
okayen Stärkung bei "Eh Wurst" fand ich mich pünktlich um kurz
vor Sieben vorm Escape ein, wo sogleich die ersten bekannten
Visagen zu sichten waren. Die Ticketübergabe klappte wie
verabredet, so dass auch bald der Club geentert werden konnte.
Drin sah's im Prinzip aus, wie wir den Laden 2019 zurückgelassen
hatten, nur dass diesmal unsere Hamburger Jungs nebst Gefolge
tatsächlich anwesend waren. Zunächst wurde also erstmal reihum
herzlich begrüßt, bevor man Doomchef Willi am Einlass die
Aufwartung machte. Bei der ebenfalls in Erinnerung gebliebenen
Thekendame verhaftete ich ein Wiesel(burger), um dann dem
entspannten Opener Speck zu lauschen. Dabei legten die Bassistin
und der Drummer ein stets groovendes Fundament, über das der
Gitarrenmann meist psychedelisch anmutende Klänge packte, sowas
wie konkrete Riffs gab's eher nicht zu hören. Entspannte Sache,
alles instrumental, ging als "Intro" gut durch. Einen ganz
anderen Ansatz wählten anschließend Chains, die lediglich zu
zweit die Bühne bevölkerten. Nur mit einer Klampfe und Trommeln
zu agieren, ist ja mittlerweile nicht mehr gänzlich
ungewöhnlich, meist machen derartige Duos dann aber ziemlich
Krawall. Nicht so in diesem Fall, denn die beiden Künstler boten
einen eher sparsamen Sound. Ich musste erstaunlicherweise an
Witchfinder General denken, vielleicht wegen der Stimme des
nameless ghouls im Vordergrund. Wenn schon nur das nötigste
Instrumentarium aufgefahren wurde, sollte etwaiges Minenspiel
nicht stören, und so trug der Frontmensch nicht nur Kapuze
sondern auch intransparente Vollmaske. Bisschen hinderlich bei
manchen Animationsversuchen, ansonsten aber ganz putzig. Und
kurzweilige Unterhaltung allemal. Nach den Gigs latschte ich wie
fast alle Besucher immer treppauf in den Kneipen- und
Merchbereich, wo man auch meist einen Sitzplatz ergattern
konnte. Dann stand ich neben Simon an der abartig hohen Theke,
wo wir uns ein wenig festquatschten. In Anbetracht meiner
Garderobe meinte er irgendwann, er müsse sich mit Virgin Black
wohl auch mal näher befassen, was ich nur unbedingt bestätigen
konnte. Kaum das Thema abgeschlossen, kam als nächster Song über
die Kneipenanlage: "Lamenting Kiss" von Virgin Black. Zu schön.
Pilgrimage hatten unten längst angefangen, als wir uns auch
endlich ein Stockwerk tiefer einfanden. Hier war jetzt volle
Kapelle angesagt mit zwei Klampfen, Bass, Sänger und dem Drummer
in seinem Pferch ganz hinten. Deathdoom hieß das Motto der
weitgehend maltesischen Truppe, und diesen zelebrierten sie
absolut standesgemäß. Ruhige Passagen mit eher gesprochenen
Lyrics gingen über in derbere Parts mit entsprechenden
Growlvocals, alles ziemlich fließend miteinander verknüpft.
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Das klang kompetent und kam gut an beim
mittlerweile stattlich angewachsenen Publikum. Leider ließ das
Ende nicht lang auf sich warten, nachdem wir den Anfang ja
vertrödelt hatten. Das durfte bei B.S.T. natürlich nicht
passieren, weswegen ich zum Soundcheck bereits parat stand.
JanZwo hatte zunächst etwas Huddelei mit der Technik bzw. musste
Kabelsalat entwirren, was er letztlich hastig aber souverän
klären konnte. Und dann ging's los mit grandiosen Twinguitars
und der Illusion. "Komm ein bisschen näher...", dachte ich mir
auch, half aber nix, Heikos Gesang dümpelte weit hinten rum,
viel zu leise, und das den kompletten Song lang. Fast trieb es
mich zum Mischpult. Nach kurzem Hinweis des Sangesmeisters vorm
nächsten Stück fand sich aber glücklicherweise der richtige
Knopf, so dass bei "Nur ein Tag im Leben" alles endlich genau so
klang, wie es klingen sollte. Passend zum ersten krass
ergreifenden Part mit ruhigem Klargesang war also alles
angerichtet, und ich merkte, das ging heute ganz schön nah. Kein
Wunder nach den Entberungen und Verwirrungen der letzten Jahre
und dem nun doch noch wahr gewordenen Wientraum. Heiko erzählte
was von vermeintlich wortkargen Nordlichtern, sich selbst konnte
er damit aber wohl nicht gemeint haben. Dann das eher schroffe
"Kaltstart", die Gefühlsduselei trat hinter fette Riffs zurück
und die Widerhaken namens "irgendwo" bzw. "irgendwann" schnitten
tief ins Fleisch. Danach ging's endgültig ans Eingemachte,
"Brenne", mit Widmung an den natürlich anwesenden Bernhard,
schlug hier unter Deck gar heftig auf die Tränendrüsen, was das
anschließende "Ride On" auch nicht besonders abmildern konnte.
Zumindest der Mitsingfaktor machte es dann doch einfacher. Und
viel zu früh schon der letzte Song, "Die Hoffnung", anfangs
schön garstig, zum Ende hin dann doch irgendwie hymnisch und
damit ein ziemlich perfekter Abschluss. Abgesehen vom kleineren
Soundproblem zu Beginn ein absolut gelungener Auftritt, der
fette Schlussapplaus unterstrich den hervorragenden Eindruck.
Mein Headliner hatte damit voll gepunktet, aber nun kam ja sogar
noch ne Band. Obsidian Sea, ein bulgarisches Trio, gab sich
erdenklich Mühe, konnte das Publikum auch noch einigermaßen
mitnehmen, mein Nebenmann und ich konnten jedoch nicht ganz
folgen. Nachvollziehbare Songs hörte ich jedenfalls kaum, oder
ich mochte nach dem Höhepunkt des Abends einfach sonst nichts
mehr. Lieber hing ich noch ein Weilchen im Oberdeck mit viel
Ösitext seitens einer Latrinenbekanntschaft ab, nahm ein
Schlummifix zu mir und begab mich schließlich selig in die nahe
gelegene Herberge.
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Es hatte sich am Freitag schon
angedeutet, über Nacht wurde es dann akut: die verdammte
Achillessehne hatte ein beschissenes Problem, so dass ich kaum
einen vernünftigen Schritt machen konnte. Während sich draußen
also ein wunderschön sonniger Novembertag entspann, die anderen
Doomer sich dem fröhlichen Sightseeing hingaben, lag ich in
meinem Zimmer rum und fragte mich, wie ich derart gehandicapt
bloß den zweiten Festivalteil bestreiten sollte. Immerhin konnte
ich mich dank der bestens aufgestellten Glotze stundenlang mit
hochwertigen Dokus und Filmchen ablenken, Hunger und Durst waren
eh kaum vorhanden. Irgendwann ging der Tag in den Abend über,
Zeit sich irgendwie zu erheben. Eine gewisse Grundlage muste ja
auch her, also schleppte ich mich die Straße runter und kehrte
im indischen Restaurant Prosi ein, wo ich gerade noch einen
Platz bekam. Okraschoten und Softgetränk mundeten gut und
weckten die Doomgeister, also ging ich halbwegs optimistisch ins
Escape. Zum Glück klappte es mit dem lädierten Huf ganz
leidlich, obwohl sogar noch ein Sportsfreund fast genau auf die
prekäre Stelle draufgelatscht wäre. Es ging wieder exotisch mit
Tears Of Fire los, die optisch einen Schwarzwurzeleindruck
erweckten. Der Sound geriet zwar meist schleppend, klang jedoch
nicht gerade nach handelsüblichem Doom. Der Frontmann fiel nicht
nur durch recht extreme Lautäußerungen auf, er spielte seinen
Bass auch eher wie ne Gitarre, und ließ sich entsprechend nur
von Drummer und Keyboarderin unterstützen. Wieder so ein Fall
von "seltsam, aber unterhaltsam". Heute war ob der Behinderung
das zwischenzeitliche Platz Nehmen umso wichtiger, zudem stellte
sich heraus, dass das Bier nicht recht schmecken wollte. Also
erfrischte ich mich hin und wieder mit Gin-Tonic, woran
glücklicherweise kein Mangel an der gut sortierten Theke
herrschte. Nun ging es programmmäßig auch schon gleich in die
Vollen mit Monasterium, die zumindest live anscheinend aktiver
sind als deren Zwillinge von Evangelist. So beeeindruckend wie
heute hatte ich sie noch nicht erlebt, die vier Mitglieder
harmonierten bestens, bildeten eine Einheit und brachten so die
formidablen Songs in hervorragender Epik zum Vortrag.
Publikumsnähe in Form von entspannten Ansprachen oder gar
Blickkontakten ist da eher fehl am Platz, trotzdem wirkten die
Polen in ihrer Hingabe sympathisch.
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Leider waren die 50 Minuten dann auch
viel zu schnell wieder verflogen. Und die nächste Perle folgte
sogleich, Magma Rise sollten nun für den einzigartigen
Magyarengroove sorgen. Eric Wagner kam im Intro (wie später im
Outro) zu Ehren, dazwischen perlten die Songs der Mannen um
Gabor H. nur so aus den Speakern. Songtitel kann ich keine
zuordnen, auch wenn das Material vertraut ist, gibt halt so
selten aufdringliche Refrains. Geiler Set auf jeden Fall wieder
von einer Truppe, die den Proberaum anscheinend direkt neben der
Muckibude hat. Vor der nächsten Band kam ich etwas zu spät
in die Gänge, jedenfalls war es unten bereits proppevoll, als
ich dazustieß. Der Samstag war wohl wirklich ausverkauft, schön
dass sich so viele Freunde des gepflegten Schlurfs eingefunden
hatten. Spiritus Mortis konnte ich aber leider nur von hinten
sehen, was ein bisschen schade war, denn die Chose klang live
mit dem "neuen" Sänger Kimmo noch passender als auf Scheibe.
Selbst die im Original von Legende Sami Hynninen eingesungenen
Nummern kamen richtig gut, was die kleine Tour der letzten Woche
umso verständlicher machte. Der Club war nach diesen drei
Topacts jedenfalls richtig amtlich angeheizt, kaum zu glauben,
dass gleich schon der letzte Akt anstand. Marche Funèbre aus
Belgien kannte ich bisher nicht, Doom/Death sollte es werden,
doch es tönte tatsächlich nach mehr, denn die meist sehr langen
Songs wiesen auch viele schnellere Passagen auf. Passend gab's
ne Menge Bewegung auf der Bühne, während der Frontmann sich den
Gesang quasi mit einem der zwei Gitarristen teilte. Am besten
gefiel mir das 15-minütige "Lullaby Of Insanity", ein echt
abwechslungsreicher Ritt durchs Repertoire. Gegen 2 Uhr dürfte
der Schlussakkord verklungen sein, nachdem sich ein paar
Verzögerungen angehäuft hatten. Recht spät schon, aber man
wollte sich nur ungern verabschieden, weil's einfach so schön
war. Also hing ich noch ein Weilchen ab wie viele Andere, kaufte
CD und Shirt, bis ich es schaffte, mich gegen drei Uhr zu
verabschieden. Das düstere Wien war wieder absolut eine längere
Reise wert, es geht einfach nichts über kleine, gemütliche
Doomfestivals. Mögen bitte viele weitere Ausgaben folgen.
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