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Doom over Vienna XVI

Wien, Escape, 11. & 12.11.2022

Der November rückte näher und damit eine weitere Ausgabe des Doom Over Vienna, der nun vierte Anlauf, b-s-t endlich auf die Bühne im Escape zu hieven.

Als klar wurde, dass selbst die Wiener Maßnahmenmeister mein Erscheinen nicht würden verhindern können, stand einige Wochen vorher der Reiseplan, so dass ich nach einem Tag in Linz erneut die Ösi-Hauptstadt beehrte.

 

Freitag

Nach einer etwas überteuerten aber okayen Stärkung bei "Eh Wurst" fand ich mich pünktlich um kurz vor Sieben vorm Escape ein, wo sogleich die ersten bekannten Visagen zu sichten waren. Die Ticketübergabe klappte wie verabredet, so dass auch bald der Club geentert werden konnte. Drin sah's im Prinzip aus, wie wir den Laden 2019 zurückgelassen hatten, nur dass diesmal unsere Hamburger Jungs nebst Gefolge tatsächlich anwesend waren. Zunächst wurde also erstmal reihum herzlich begrüßt, bevor man Doomchef Willi am Einlass die Aufwartung machte. Bei der ebenfalls in Erinnerung gebliebenen Thekendame verhaftete ich ein Wiesel(burger), um dann dem entspannten Opener Speck zu lauschen. Dabei legten die Bassistin und der Drummer ein stets groovendes Fundament, über das der Gitarrenmann meist psychedelisch anmutende Klänge packte, sowas wie konkrete Riffs gab's eher nicht zu hören. Entspannte Sache, alles instrumental, ging als "Intro" gut durch. Einen ganz anderen Ansatz wählten anschließend Chains, die lediglich zu zweit die Bühne bevölkerten. Nur mit einer Klampfe und Trommeln zu agieren, ist ja mittlerweile nicht mehr gänzlich ungewöhnlich, meist machen derartige Duos dann aber ziemlich Krawall. Nicht so in diesem Fall, denn die beiden Künstler boten einen eher sparsamen Sound. Ich musste erstaunlicherweise an Witchfinder General denken, vielleicht wegen der Stimme des nameless ghouls im Vordergrund. Wenn schon nur das nötigste Instrumentarium aufgefahren wurde, sollte etwaiges Minenspiel nicht stören, und so trug der Frontmensch nicht nur Kapuze sondern auch intransparente Vollmaske. Bisschen hinderlich bei manchen Animationsversuchen, ansonsten aber ganz putzig. Und kurzweilige Unterhaltung allemal. Nach den Gigs latschte ich wie fast alle Besucher immer treppauf in den Kneipen- und Merchbereich, wo man auch meist einen Sitzplatz ergattern konnte. Dann stand ich neben Simon an der abartig hohen Theke, wo wir uns ein wenig festquatschten. In Anbetracht meiner Garderobe meinte er irgendwann, er müsse sich mit Virgin Black wohl auch mal näher befassen, was ich nur unbedingt bestätigen konnte. Kaum das Thema abgeschlossen, kam als nächster Song über die Kneipenanlage: "Lamenting Kiss" von Virgin Black. Zu schön. Pilgrimage hatten unten längst angefangen, als wir uns auch endlich ein Stockwerk tiefer einfanden. Hier war jetzt volle Kapelle angesagt mit zwei Klampfen, Bass, Sänger und dem Drummer in seinem Pferch ganz hinten. Deathdoom hieß das Motto der weitgehend maltesischen Truppe, und diesen zelebrierten sie absolut standesgemäß. Ruhige Passagen mit eher gesprochenen Lyrics gingen über in derbere Parts mit entsprechenden Growlvocals, alles ziemlich fließend miteinander verknüpft.

Das klang kompetent und kam gut an beim mittlerweile stattlich angewachsenen Publikum. Leider ließ das Ende nicht lang auf sich warten, nachdem wir den Anfang ja vertrödelt hatten. Das durfte bei B.S.T. natürlich nicht passieren, weswegen ich zum Soundcheck bereits parat stand. JanZwo hatte zunächst etwas Huddelei mit der Technik bzw. musste Kabelsalat entwirren, was er letztlich hastig aber souverän klären konnte. Und dann ging's los mit grandiosen Twinguitars und der Illusion. "Komm ein bisschen näher...", dachte ich mir auch, half aber nix, Heikos Gesang dümpelte weit hinten rum, viel zu leise, und das den kompletten Song lang. Fast trieb es mich zum Mischpult. Nach kurzem Hinweis des Sangesmeisters vorm nächsten Stück fand sich aber glücklicherweise der richtige Knopf, so dass bei "Nur ein Tag im Leben" alles endlich genau so klang, wie es klingen sollte. Passend zum ersten krass ergreifenden Part mit ruhigem Klargesang war also alles angerichtet, und ich merkte, das ging heute ganz schön nah. Kein Wunder nach den Entberungen und Verwirrungen der letzten Jahre und dem nun doch noch wahr gewordenen Wientraum. Heiko erzählte was von vermeintlich wortkargen Nordlichtern, sich selbst konnte er damit aber wohl nicht gemeint haben. Dann das eher schroffe "Kaltstart", die Gefühlsduselei trat hinter fette Riffs zurück und die Widerhaken namens "irgendwo" bzw. "irgendwann" schnitten tief ins Fleisch. Danach ging's endgültig ans Eingemachte, "Brenne", mit Widmung an den natürlich anwesenden Bernhard, schlug hier unter Deck gar heftig auf die Tränendrüsen, was das anschließende "Ride On" auch nicht besonders abmildern konnte. Zumindest der Mitsingfaktor machte es dann doch einfacher. Und viel zu früh schon der letzte Song, "Die Hoffnung", anfangs schön garstig, zum Ende hin dann doch irgendwie hymnisch und damit ein ziemlich perfekter Abschluss. Abgesehen vom kleineren Soundproblem zu Beginn ein absolut gelungener Auftritt, der fette Schlussapplaus unterstrich den hervorragenden Eindruck. Mein Headliner hatte damit voll gepunktet, aber nun kam ja sogar noch ne Band. Obsidian Sea, ein bulgarisches Trio, gab sich erdenklich Mühe, konnte das Publikum auch noch einigermaßen mitnehmen, mein Nebenmann und ich konnten jedoch nicht ganz folgen. Nachvollziehbare Songs hörte ich jedenfalls kaum, oder ich mochte nach dem Höhepunkt des Abends einfach sonst nichts mehr. Lieber hing ich noch ein Weilchen im Oberdeck mit viel Ösitext seitens einer Latrinenbekanntschaft ab, nahm ein Schlummifix zu mir und begab mich schließlich selig in die nahe gelegene Herberge.

Samstag

Es hatte sich am Freitag schon angedeutet, über Nacht wurde es dann akut: die verdammte Achillessehne hatte ein beschissenes Problem, so dass ich kaum einen vernünftigen Schritt machen konnte. Während sich draußen also ein wunderschön sonniger Novembertag entspann, die anderen Doomer sich dem fröhlichen Sightseeing hingaben, lag ich in meinem Zimmer rum und fragte mich, wie ich derart gehandicapt bloß den zweiten Festivalteil bestreiten sollte. Immerhin konnte ich mich dank der bestens aufgestellten Glotze stundenlang mit hochwertigen Dokus und Filmchen ablenken, Hunger und Durst waren eh kaum vorhanden. Irgendwann ging der Tag in den Abend über, Zeit sich irgendwie zu erheben. Eine gewisse Grundlage muste ja auch her, also schleppte ich mich die Straße runter und kehrte im indischen Restaurant Prosi ein, wo ich gerade noch einen Platz bekam. Okraschoten und Softgetränk mundeten gut und weckten die Doomgeister, also ging ich halbwegs optimistisch ins Escape. Zum Glück klappte es mit dem lädierten Huf ganz leidlich, obwohl sogar noch ein Sportsfreund fast genau auf die prekäre Stelle draufgelatscht wäre. Es ging wieder exotisch mit Tears Of Fire los, die optisch einen Schwarzwurzeleindruck erweckten. Der Sound geriet zwar meist schleppend, klang jedoch nicht gerade nach handelsüblichem Doom. Der Frontmann fiel nicht nur durch recht extreme Lautäußerungen auf, er spielte seinen Bass auch eher wie ne Gitarre, und ließ sich entsprechend nur von Drummer und Keyboarderin unterstützen. Wieder so ein Fall von "seltsam, aber unterhaltsam". Heute war ob der Behinderung das zwischenzeitliche Platz Nehmen umso wichtiger, zudem stellte sich heraus, dass das Bier nicht recht schmecken wollte. Also erfrischte ich mich hin und wieder mit Gin-Tonic, woran glücklicherweise kein Mangel an der gut sortierten Theke herrschte. Nun ging es programmmäßig auch schon gleich in die Vollen mit Monasterium, die zumindest live anscheinend aktiver sind als deren Zwillinge von Evangelist. So beeeindruckend wie heute hatte ich sie noch nicht erlebt, die vier Mitglieder harmonierten bestens, bildeten eine Einheit und brachten so die formidablen Songs in hervorragender Epik zum Vortrag. Publikumsnähe in Form von entspannten Ansprachen oder gar Blickkontakten ist da eher fehl am Platz, trotzdem wirkten die Polen in ihrer Hingabe sympathisch.

Leider waren die 50 Minuten dann auch viel zu schnell wieder verflogen. Und die nächste Perle folgte sogleich, Magma Rise sollten nun für den einzigartigen Magyarengroove sorgen. Eric Wagner kam im Intro (wie später im Outro) zu Ehren, dazwischen perlten die Songs der Mannen um Gabor H. nur so aus den Speakern. Songtitel kann ich keine zuordnen, auch wenn das Material vertraut ist, gibt halt so selten aufdringliche Refrains. Geiler Set auf jeden Fall wieder von einer Truppe, die den Proberaum anscheinend direkt neben der Muckibude hat. Vor der nächsten Band kam ich etwas zu spät in die Gänge, jedenfalls war es unten bereits proppevoll, als ich dazustieß. Der Samstag war wohl wirklich ausverkauft, schön dass sich so viele Freunde des gepflegten Schlurfs eingefunden hatten. Spiritus Mortis konnte ich aber leider nur von hinten sehen, was ein bisschen schade war, denn die Chose klang live mit dem "neuen" Sänger Kimmo noch passender als auf Scheibe. Selbst die im Original von Legende Sami Hynninen eingesungenen Nummern kamen richtig gut, was die kleine Tour der letzten Woche umso verständlicher machte. Der Club war nach diesen drei Topacts jedenfalls richtig amtlich angeheizt, kaum zu glauben, dass gleich schon der letzte Akt anstand. Marche Funèbre aus Belgien kannte ich bisher nicht, Doom/Death sollte es werden, doch es tönte tatsächlich nach mehr, denn die meist sehr langen Songs wiesen auch viele schnellere Passagen auf. Passend gab's ne Menge Bewegung auf der Bühne, während der Frontmann sich den Gesang quasi mit einem der zwei Gitarristen teilte. Am besten gefiel mir das 15-minütige "Lullaby Of Insanity", ein echt abwechslungsreicher Ritt durchs Repertoire. Gegen 2 Uhr dürfte der Schlussakkord verklungen sein, nachdem sich ein paar Verzögerungen angehäuft hatten. Recht spät schon, aber man wollte sich nur ungern verabschieden, weil's einfach so schön war. Also hing ich noch ein Weilchen ab wie viele Andere, kaufte CD und Shirt, bis ich es schaffte, mich gegen drei Uhr zu verabschieden. Das düstere Wien war wieder absolut eine längere Reise wert, es geht einfach nichts über kleine, gemütliche Doomfestivals. Mögen bitte viele weitere Ausgaben folgen.

 

Tofukeule, Dezember 2022
DoV 2019 

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