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B.S.T. - Tour Dezember 2017

Szenario, Marburg (02.12.) / Freihafen, Göttingen (03.12.) / Bambi Galore, Hamburg (10.12.)

Gut Doom will Weile haben, dachte sich auch die B.S.T.-Bande und wartete nach dem Release des famosen "Unter Deck" erstmal gemächlich ab, bis sich die Kunde ein wenig herumgesprochen hatte. Im passenden Moment war man zur Stelle, um zwei Gigs mit den großartigen Procession klarzumachen.

Passenderweise sollten diese in relativer Nähe zu meiner osthessischen Behausung stattfinden, was meine Teilnahme quasi zur Pflicht werden ließ. Hinzu kam ein Heimspiel mit Doomocracy just nach einem Heimspiel des magischen FC, was mir auch sehr gut in den Kram passte. Mein Beutelchen zur kleinen Wintertour war also rechtzeitig geschnürt.

Samstag, 2. Dezember, Marburg (mit Procession & Gotttod)

Von Hersfeld nach Marburg über Kassel mit der Bahn zu fahren, hat ein bisschen was von Umweg, geht aber nicht anders, und die zwei Stündchen vergingen dann auch recht schnell. Die Empfangsdame meiner Unterkunft stresste etwas rum per Telefon, dabei kam ich doch dort wie angekündigt an. Dafür entschädigte die Toskana-Suite mit Komfort in urigem Ambiente, nette Butze. Nachdem ich mich häuslich eingerichtet hatte, stolperte ich durch die kopfsteinverzierte, malerische Stadt, zusammen mit Hundertschaften weiterer Touris, es war ganz schön belebt. Im "For Friends" war aber noch Platz, so dass der leicht verstrahlte aber zuvorkommende Wirt mich bald pflanzlich verköstigen konnte. Anschließend bummelte ich noch über den Advents- sowie den Weihnachtsmarkt, bis schließlich die Pforte des Szenario öffnete. Die Kaschemme zu finden und unfallfrei treppab zu gelangen, sind schon zwei gar nicht so einfache Aufgaben. Lobenswert der Wahltarif an der Abendkasse, denn bei solch idealistischen Events zahlt man ja gern auch ein paar Euro mehr. Zunächst herrschte nur verhaltener Andrang, so dass ich gemütlich Fassbier goutieren und die eine oder andere bekannte Visage begrüßen konnte. Licht- und Soundexperte Volker glänzte sogleich mit der unfassbaren Story seines Brillenverlusts am offenen Autofenster, der Gute nahm die Geschehnisse des Wochenendes also nur sehr verschwommen aber gelassen wahr. Ansonsten schienen aber alle komplett gerüstet, und einigermaßen ansprechend gefüllt war der Club dann auch, als der local support Gotttod loslegte. Wie befürchtet wollte deren Sound so gar nicht zum doomigen Hauptprogramm passen, was zunächst Fluchtreflexe in mir auslöste. Nach dem ersten Schock gestaltete sich der Gig dann aber doch halbwegs unterhaltsam. Alter, verlebter Frontmann nebst jüngeren Mitmusikern macht mächtig Krawall und lässt sich vom mitgebrachten "Fanclub" feiern - sowas kann man zur Einstimmung schon mal eine Weile über sich ergehen lassen.

In der folgenden Umbaupause war Zeit für weitere Bierchen, während der B.S.T.-Soundcheck sich etwas schwierig gestaltete, ein penetrantes Fiepen ließ sich partout nicht beseitigen. Da die Zeit langsam davonlief, fing die Astra-Posse dann trotzdem mal an. Und höre da, der Sound war doch ziemlich  fett und ohne Störgeräusche. Ohne Umschweife ging es mit "Aufgabe" gleich ans Eingemachte, ich war betört vom großartigen "Unter Deck" - Track und gleich voll vereinnahmt. Krass welch heftigen Film die Jungs quasi auf Knopfdruck imstande waren abzuspulen. Irgendwie war ich davon gleich halb benommen, bekam die nächsten zwei oder drei Songs eher wie in Trance mit, bis plötzlich schon "Ride On" angesagt war. Waaas??! Schon das Finale? Kaum zu glauben aber wahr. Immerhin klang es nach recht fettem Publikumschor, was schon wieder leicht surreal schien. Genauso wie Heikos zwischenzeitliche Dankesrede, bei der Street-Team-Darling Taina in Abwesenheit (!) aufbrandenden Applaus bekam. Ein viel zu kurzer aber grandioser Auftritt fand sein frühes Ende. Bald darauf gingen bzw. torkelten Procession auf die kleine Bühne. Mastermind Felipe glänzte durch eine enorme Schlagseite, an der er wohl längere Zeit gearbeitet haben musste, die Tour dauerte schließlich schon ein Weilchen. Angesichts seines Zustands hielten sich meine Erwartungen in Grenzen, aber siehe da, er war tatsächlich noch in der Lage, überraschend fehlerfrei zu performieren. Sowas kann wohl nur klappen, wenn einem die Songs in Fleisch und Blut übergegangen sind. Zwar konnten Procession meinen B.S.T.-Glückshormonspiegel nicht ganz auf Pegel halten, Laune machte ihr Gig aber allemal, schließlich wurde auch nicht schlecht gepost. Vom langsam unruhig auf die Uhr zeigenden Verantwortlichen ließ sich der Chef nicht wirklich aus der Ruhe bringen, weshalb der Curfew von 23 Uhr dann etwas überzogen wurde. Recht früh für einen Samstagabend, aber meinerseits okay nach den ganzen Getränken. Bald lag ich in meinem sehr bequemen Bett und träumte vom Doomsday in Weiß.

Sonntag, 3. Dezember, Göttingen (mit Procession & Cross Vault)

Anderntags offenbarte der Blick aus dem Fenster eine winterliche Landschaft, wie bestellt zur baldigen Doom-Matinee. Zunächst suchte ich noch nach einer Stärkung und landete in einem Bäckerei-Café, dessen veganes Frühstück zwar preiswert aber auch recht schlicht daherkam. Immerhin konnte es mich sättigen. Auf dem Weg zum Bahnhof traf ich sogar die Hamburger Jungs, die ein Bild für die Götter boten: Nur so halb nüchtern wirkend trotteten sie Raphael und Volker-ohne-Brille hinterher, die mit dem besten Durchblick gingen also voran. Nun fuhr ich das relativ kurze Stück nach Göttingen, wo die Stadt sich nicht halb so hübsch wie Marburg präsentierte. In einem unspektakulären Ambiente schmolz der Schnee dahin, aber etwas Zeit musste ich dort trotzdem überbrücken. Also verleibte ich mir im Falafel House ein leckeres Okraschoten-Gericht ein, um anschließend ein ebensolches Glühbier zu verhaften. Falls man in deutschen Städten übrigens nicht genau wusste, wo der jeweilige Weihnachtsmarkt war, es wurde ein einfach zu verstehendes Wegweiser-System aus großen Betonklötzen republikweit installiert, geniale Idee! Das 1B / Freihafen empfing mich mit edlem Bordellambiente, und ehe ich mich versah, hatte ich auch schon zwei Backstageastra geschnorrt. Später im Konzertsaal wurde das Flaschbier konsequent in Becher umgefüllt, es herrschte also Zucht und Ordnung. Während eines beinahe endlosen Procession-Soundchecks trudelte eine einigermaßen ansehnliche Besucherzahl ein, aber angesichts einer so brillanten Veranstaltung zur frühen Sonntagsstunde war es doch etwas mau. Später als geplant durften dann B.S.T. den Auftakt machen. Im Vergleich zum Vorabend gefiel mir der Sound weniger gut mit zu viel Hall auf den Vocals und insgesamt zu großer Lautstärke. Trotzdem entwickelte sich natürlich ein starker Auftritt, wobei meine beiden Setfaves "Aufgabe" und "Ride On" mir heute glatt Klüsenpipi bescherten, am Sonntag ist man ja eh meist näher am Wasser gebaut.

Einen Song mehr als gestern bekamen wir zu hören, auch Südniedersachsen war nun von Hamburg's Finest geweiht. Dann stand mit Cross Vault ein weiteres Schmankerl auf dem prallen Programm. Leicht schräg kamen die Vögel schon vorm Gig rüber, auf der Bühne sah es nicht anders aus. Kapuzenmänner gibt's zwar inzwischen zuhauf, aber der CV-Gitarrero hatte schon was Psychopathisches an sich, obwohl er nur dastand und spielte. Einen muckibudengestählten Sänger würde man bei der Mucke ja auch nicht erwarten, aber Kollege N. wirkte bestens integriert und glänzte mit starker Ausstrahlung. Der Gig lief klasse, so stark hatte ich die Truppe gar nicht in Erinnerung. Highlight ein Cover von Nick Caves "The Weeping Song", das ich bis dato noch nicht gehört hatte. Toller Auftritt! Zum letzten Gig der Tour war Felipe heute wieder Herr seiner Sinne, da war es mit dem Ausnüchtern wohl recht fix gegangen. Entsprechend tight rockten die (Halb-)Chilenen heute drauflos, es wurden die letzte Reserven an den Mann gebracht. Verdammt laut war es. Ich suchte hektisch meine Ohrstöpsel in der Hosentasche, und stellte fest, dass diese bereits in den entsprechenden Kopföffnungen steckten. Was Procession anboten, sah dann doch deutlich besser aus als am Vorabend und machte richtig Spaß, aber ich schielte bereits zur Uhr, denn die Matinee zog sich ja nun doch deutlich bis in die späteren Stunden hinein. Leider musste ich also schon vorm Ende abhauen und konnte mich nicht mal vernünftig verabschieden, schade auch. Dabei war es ein so formidables Doom-Wochenende, hätte man sich kaum besser ausdenken können. Leicht verpeilt verpasste ich in Kassel meinen Anschluss, nahm noch einen Absacker in der Destille, und erreichte dann erst gegen Mitternacht die finale Horizontale.

 

 

 

Sonntag, 10. Dezember, Hamburg (mit Doomocracy)

Von grippalem Infekt gebeutelt drohte meinertseits eine Absage des wochenendlichen Programms, doch glücklicherweise wurde ich rechtzeitig fit, um zumindest am Sonntag am Start sein zu können. Früh am Morgen startete ich also gen Norden, um mich mittags zum Debüt des neuen Trainers auf der Gegengerade am Millerntor einzufinden. Das Remis wertete ich als Erfolg nach den beiden verheerenden letzten Niederlagen, so dass ich mit Optimismus im Gepäck nach Halstenbek weiterzog. Mein Patenkind nebst Eltern war auch gut drauf, was die gemeinsame Speisung umso netter werden ließ. Bald schon mussten wir wieder aufbrechen, Taina riskierte Kopf und Kragen mit offenen Schnürsenkeln und vergaß auch noch ihre Kamera im ersten Anlauf. Die neuen Busverbindungen Richtung Stadt machten sie wohl etwas wuschig. Schließlich erreichten wir aber planmäßig das Bambi Galore, wo wir uns erstmal brav in der Schlange einreihen mussten. Oben spielten nämlich parallel Six Feet Under, die wohl einigermaßen Publikum zogen. Zum Glück wurde der Keller doch nicht wie gemunkelt zur allgemeinen Raucherzone erklärt, so dass wir es unten schön muckelig und familiär hatten, denn man kannte natürlich etliche Besucher. Die B.S.T.ler schienen entsprechend eher unaufgeregt und gut gelaunt in ihrem Quasi-Wohnzimmer, was mich zu der Vermutung brachte, dass sie wohl auf einer längeren Tour erst in den idealen Gemütszustand kommen würden, um ihren Doom live noch intensiver vorleiden zu können. Was jedoch Spekulation bleibt. Tatsache war, dass heute abend "Unter Deck" in Gänze dargeboten und damit sofort begonnen werden sollte, gemäß Galones spontaner Ansage. Also hörte ich nun auch endlich "Stimmen" bei mäßig Nebel und überraschend viel Licht. Was die vielen Knipser erfreute, die sich am Bühnenrand tummelten. Bei gutem Soundgemisch stellte sich die "Aufgabe", heute mal nicht zu flennen, was auch gelang.

Nach mehreren Stauder empfand ich den vokalen Hall trotzdem wieder als zu weit aufgedreht, während Heikos Cleangesang aber töfte klang. Kann man in Zukunft vielleicht mal etwas anders justieren, um weitere Prozentpunkte herauszukitzeln. "Brenne" kam beim ersten Mal auch gleich klasse und nach "Chance" war auch schon wieder fast Ausreiten angesagt. Zum Glück trügte "Die Hoffnung" nicht und wir bekamen noch einen kleinen Nachschlag. Klasse Heimspiel, wieder drei Punkte im Sack! Überraschenderweise war ja längst auch Bruder Lenze aufgetaucht, und das nach einer haarsträubenden morgendlichen Odysse, nachdem er am Vorabend Stade unsicher gemacht hatte. Aber sein Einsatz sollte sich wohl lohnen, denn Doomocracy brachten ne feine Epic-Doom-Show aufs Parkett. Mit üppigster Haarpracht ausgestattet wirbelten die Kreter ordentlich was auf und schafften es tatsächlich, mich an Solitudesche Glanztaten zu erinnern. Nicht dass sie ans Niveau der Texasgötter ernsthaft herankommen könnten, aber der Vibe stimmte. Was das Quintett nicht davon abhielt, mal eben souverän Candlemass' "Demon's Gate" zu covern, sehr fett. Die regelmäßig dezent eingesetzten Samples störten nicht weiter, instrumental wurde ein dichter Teppich gelegt, über welchen der Sangesmeister souveräne Melodien ausbreitete. Sehr geile Geschichte, von der hoffentlich noch einiges zu erwarten ist, was das heftig applaudierende Publikum sicher freuen würde. Wie üblich kam auch diesmal der Aufbruch wieder zu früh und hektisch, ich wollte ja noch den nächtlichen Geisterzug erreichen. Nach leichtem Schneegrieseln hatte die Bahn erwartungsgemäß Probleme, so dass ich noch ein Stündchen am Bahnhof umhertigern musste, wobei ich ein paar Spenden loswerden konnte. Am frühen Morgen erreichte ich die Provinzkreisstadt schließlich bei frühlingshaft-undoomiger Wärme mit Hoffnung auf ähnlich schöne Konzerte im kommenden Jahr.












Tofukeule, Januar 2018

B.S.T. @ Rock Café 2014

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