Nach dem sehr gelungenen
Berlin-Wochenende hänge ich ein paar Tage in der nahe gelegenen Sächsischen
Schweiz dran, schließlich war ich dort noch nie.
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Und es würde sich absolut lohnen,
selten so schön gewandert! Vom Elbeufer in felsige Höhen kann
der Weg sehr kurz und steil sein, die Landschaft hat es
schließlich passend eingerichtet.
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Montag
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Nach einem ausgewogenen Porridge zum
Frühstück verlasse ich die Hauptstadt kurz vor Mittag gen
Südosten, wo ich beim Asiaimbiss Zwischenstation am Dresdener
Hauptbahnhof mache, bevor es kurze zwanzig Minuten weiter zum
Zielort Pirna geht. Nach Ankunft beglückt mich meine Vermieterin
bereits am Telefon mit ca. zwei Dutzen "no"-Lauten,
offensichtlich bin ich mitten in Sachsen. Den längeren Weg zur
Unterkunft nehme ich zu Fuß in Angriff, man will ja schon mal
was sehen vom Ort. Etliche Treppen müssen erklommen werden, eine
recht schweißtreibende Angelegenheit. Meine Ferienwohnung ist
stilecht im Wohnblock im Ortsteil Sonnenstein gelegen, die
Einrichtung wirkt ziemlich old school, es passt aber alles.
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Da der Tag schon fortgeschritten und das
Wetter sonnig ist, lasse ich mich von den ausliegenden
Prospekten zum Besuch des Biergartens Schlossschänke animieren,
angeblich einer der ältesten seiner Art. Die Aussicht über die
Stadt von dort aus ist jedenfalls bestens, das Radeberger
mundet. Andere Gäste haben auch Kinder dabei, die Jungs heißen
Richard und Lajos, ich bin begeistert. Natürlich meldet sich
bald wieder der Hunger, man ist irgendwie ständig mit dem Thema
Essen beschäftigt. Ich gehe runter zum Café Canaletto am Markt,
der gewünschte Jackfruit-Burger ist jedoch aus, weswegen ich mit
einer Ofenkartoffel und Salat abgespeist werde. Der
Dämmerspaziergang durch den Schlosspark zurück zur Unterkunft
gestaltet sich dann wieder sehr nett, und nach einem kleinen
Einkauf bei Rewe lasse ich den Abend vorm TV ausklingen, bevor
ich auf's harte Bett sinke.
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Dienstag
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Um 09:50 h besteige ich an der nahe
gelegenen Haltestelle den Bus nach Königstein, die Gebühr für
die Öffis ist in meiner Gästekarte bereits drin. In den Dörfen
navigiert der Fahrer durch teils ziemlich enge Straßen, was für
eine interessante Fahrt sorgt. Von Königstein geht's noch ein
kurzes Stück weiter mit der S-Bahn, bevor ich mit der Fähre zum
Kurort Rathen übersetze. Heute, bei Schmuddelwetter, habe ich
mir gleich die wohl meistbesuchte Attraktion der Sächsischen
Schweiz ausgesucht. Dem Menschenstrom folgend wandere ich den
recht steilen Basteiweg hinauf, bis eine Bude den Einlass zur
ehemaligen Felsenburg Neurathen markiert. Ich entrichte die
schmalen 2 € Eintritt und kraxele über und zwischen diversen
Felsen hindurch, hier und da gibt's erklärende Texttafeln.
Spätestens wenn man sich das Modell der Burg anschaut, wie sie
mal ausgesehen haben müsste, wird klar, es handelte sich um ein
enorm imposantes Bauwerk in spektakulärer Lage. Auch so ist es
noch interessant, dort einfach ein bisschen rumzuturnen. Weiter
geht es dann über die berühmte Basteibrücke zur gleichnamigen
Aussicht, wo man beinahe senkrecht 200 Meter über der Elbe
steht. Leider ist es heute wetterbedingt eher grau und trüb aber
trotzdem ganz hübsch. Den gastronomischen Komplex hoch oben
lasse ich links liegen und muss feststellen, dass die
"Schwedenlöcher" just ab dieser Woche gesperrt sein sollen.
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Der aufgestellte Bauzaun ist jedoch noch
nicht dicht, ich schlüpfe also durch und bin heilfroh, diese
spektakuläre Klamm nicht verpasst zu haben. Wenige Menschen
kommen mir nur entgegen, es ist steil, eng und einfach
beeindruckend. Von meiner eigentlichen Route abzweigend weckt
das Schild zum Amselfall mein Interesse. In einer schmalen
Schlucht geht es steil bergan, bis überraschend ein recht großes
Gebäude auftaucht, das zurzeit eher eine Baustelle darstellt.
Anscheinend wurde dort mal gastronomisch was geboten, mitten in
der Pampa, sehr interessant. Ich wende mich wieder bergab,
umrunde den fischreichen Amselsee, und ziehe eine ganze Weile
über einsamere Waldwege. Bis der Felsen Gamrig auftaucht, der
eine tolle Aussicht auf die Festung und den Lilienstein bietet,
und zudem noch eine geräumige Höhle im Angebot hat. Dann wandere
ich zurück nach Rathen, es ist früh am Nachmittag, also gehe ich
noch weiter auf schmaler Straße an der Elbe entlang nach Wehlen.
Von dort bringen mich Fähre und S-Bahn zurück nach Pirna, wo ich
den Platzhirsch am Markt aufsuche. Weil ich genug frische Luft
hatte, setze ich mich rein und werde vom aufgeweckten Personal
mit Pilzpattie-Burger, Salat und Craft Bier versorgt. Gut
gestärkt schaffe ich auch noch den Weg zurück in meinen
Wohnblock, wobei mir die verlassene ehemalige Anstaltskirche im
Park besonders gut gefällt. Als Abendprogramm gibt's den
legendären ersten "Alien"-Streifen, überraschenderweise bereits
1979 gedreht.
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Mittwoch
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Ab Mittag ist Regen vorhergesagt, also
plane ich erstmal nur die Besteigung des Liliensteins, den ich
am Vortag bereits aus der Ferne bewundern konnte. Vor 9 Uhr
sitze ich bereits im Bus, um dann doch spontan an der
Haltestelle "Festung" auszusteigen. Ich gehe also nur noch ein
kleines Stück Weg bergan und stehe sogleich auf dem Königstein
vor einer der größten Bergfestungen Europas. Es ist ein wirklich
massives Teil, das dort vor Hunderten von Jahren auf den
Sandstein geklöppelt wurde. So früh am Tag bin ich noch fast
allein auf weiter Flur, nur vereinzelte andere Touris sind zu
sichten. Ich schaue kurz beim Burgtor vorbei, entscheide mich
aber gegen einen Eintritt, weil ich dann sicher stundenlang dort
beschäftigt wäre. Stattdessen entdecke ich den Patrouillenweg,
der trampelpfadmäßig um das riesige Gemäuer herumführt. In
spannenden 30 Minuten bekomme ich so einen guten Eindruck der
mächtigen Größe der Festung mit gleichzeitig weiten Ausblicken
ins Tal. Anschließend erfolgt der steile Abstieg zum Ort
Königstein, entgegen kommende Schulklassen deuten auf zunehmende
Belebung des Plateaus hin. Mit der Fähre geht's wieder über die
Elbe und weiter zu Fuß durch die Felder zum Südaufstieg auf den
"König der Berge" der Sächsischen Schweiz, den Lilienstein, der
sich schroff unübersehbar vor mir erhebt. Nun gilt es, über
Stufen und Leitern diverse Steilwände zu erklimmen, es wird
halbwegs abenteuerlich. Oben angekommen führen Brücken und Stege
zu den Westaussichten, wo mir schon leicht mulmig wird aufgrund
meiner altersbedingten Höhenängstlichkeit. Spektakulär ist es da
oben allemal, trotzdem suche ich bald den Weg zurück zum
Plateau, wo man von der einstigen Burgruine kaum noch etwas
erkennen kann. Erstaunlicherweise befindet sich dort mitten auf
dem Felsen eine Gaststätte, und man fragt sich, wie diese mit
Speis und Trank versorgt wird. Ein Lastenaufzug könnte des
Rätsels Lösung sein. Leider ist heute eh Ruhetag, schade auch.
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Über einen regelrechten Rundweg
erschließen sich weitere üppige Aussichten im Norden, wo ich
dann auch zum Abstieg ansetze. Über Treppen und Leitern geht es
wieder richtig steil nach unten, und ich wundere mich über
entgegenkommende Wanderer, die tatsächlich ihren Hund sich dort
hinaufquälen lassen. Da das Wetter glücklicherweise irgendwie
doch zu halten scheint, folge ich der in meinem schlauen Buch
beschriebenen Tour, die durch Feld und Wald weiter bergab führt,
bis irgendwo mehrere kleine Häuschen mitten in der Pampa
auftauchen. Ich befinde mich wohl auf irgendwelchen mittlerweile
bewaldeten alten Schutthalden, einige Meter weiter steht
sogar ein ehemaliges Café, eine befahrbare Straße sieht man
jedoch weit und breit nicht. Da kommt man bei Bedarf wohl nur
über die nahe Elbe hin, wenn Zeug angeliefert werden muss.
Menschen treffe ich hier fast gar keine mehr, dafür Zottelrinder
und angehäufte Freilandkakteen, als ich über eine Anliegerstraße
am Fluss entlang zurück zur Fähre marschiere. Gegen 16 Uhr bin
ich wieder in Pirna mit mächtigem Hunger, den ich im Melisa
Kebab Haus gestillt bekomme dank eines gewaltigen Tellers mit
Falafel, Pommes, Gemüse und Salat. Das Ganze liegt dann auch
schwer im Magen, und da plötzlich die Sonne rauskommt, zieht es
mich nochmal in den netten Biergarten, den ich bereits kenne. An
der Schlosstreppe fällt mir eine Gedenktafel auf, die an ca.
15ooo auf dem Sonnenstein in den Jahren 1940/41 vergaste
Menschen erinnert, hauptsächlich geistig Behinderte und
psychisch Kranke. Mich schüttelt es. Den Sonnenuntergang gegen
halb sieben kann ich zum Glück trotzdem genießen, anschließend
suche ich mir einen neuen, wiederum idyllischen Fußweg zurück
zum Basislager, nicht ohne vorher noch kurz einen Kleineinkauf
bei Kaufland zu tätigen. Bei "Aliens - Die Rückkehr" klingt der
Tag aus, und endlich kann ich auf der harten Matratze mal ganz
gut pennen.
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Donnerstag
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Den am Vorabend gefassten Plan einer
Tour durch die Kamnitzklamm in der Böhmischen Schweiz werfe ich
spontan über den Haufen. Das sonnige Wetter lässt sich doch
bestimmt besser auf felsigen Höhen genießen. Also nehme ich den
üblichen Bus, diesmal weiter nach Osten bis Bad Schandau. Von
dort aus wandere ich zunächst steil bergauf zu den Holzvillen
von Ostrau, dann unschön an der Straße und einem breiten
Forstweg entlang, bis nach ein paar Kilometern endlich die
ersten Felsen nebst zahlreichen anderen Wandersleuten in Sicht
kommen. Eine vielköpfige Gruppe Jugendlicher pausiert leicht
angeschlagen vorm Großen Schrammtor, das ich durchschreite, um
dann den Wildschützensteig zu erklimmen. Dieser hat es in sich
und stellt wohl den spektakulärsten Aufstieg während meiner
kurzen Erlebniswoche dar. Durch teils sehr enge Stellen muss man
mal wieder viele Stufen und Leitern erklimmen, bei Gegenverkehr
wird's schwierig auszuweichen. Oben angekommen wird man durch
die sagenhafte Schrammsteinaussicht belohnt. 300 Meter über der
Elbe kann man schön weit in die Ferne gucken, diverse Felsen
immer im Blick, ein echtes Highlight. Derart beglückt bin ich
unaufmerksam beim Lesen der Wegbeschreibung, kraxele den ganzen
Jägersteig hinunter und latsche erstmal einen Kilometer in die
falsche Richtung. Irgendwann merke ich es endlich, kehre um,
wieder bis fast ganz oben, und dort schnalle ich auch, wo ich
hätte langgehen sollen. Die Route setzt sich weiter in sehr
schöner Form fort, es geht auf und ab, nicht mehr ganz so steil,
aber stets felsig und mit Aussicht. Schließlich lande ich auf
einem befahrbaren Waldweg, der mich auf den rechtselbisch
höchsten Gipfel der Sächsischen Schweiz führt, den Großen
Winterberg. Dort ist es auffallend kühl und schattig, die
vorhandenen Gebäude wirken eher verlassen, aber
erstaunlicherweise ist eine gastronomische Bude in Betrieb mit
auffallend vielseitigem Angebot.
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Ich bin nicht mal der einzige Gast,
jedoch leert es sich schon bald und ich belasse es bei einem
Kellerbier. Nun führt mich ein längerer Bergsteig durch den Wald
talwärts bis zum idyllischen Dörfchen Schmilka, das auch einen
einladenden Biergarten aufweist. Ich bleibe aber standhaft und
will wenigstens kurz meinen Fuß auf tschechischen Boden setzen.
Also gehe ich an der Straße entlang noch ein ganzes Stück an
einem Grenzgebäude vorbei, bis ich schließlich Hrensko erreiche.
Ein recht seltsamer Ort, es gibt Tankstelle, Supermarkt, Hotels
und Stände mit Ramschwaren jedoch kaum normale Wohnhäuser. Hier
ist anscheinend alles auf die Klammtouristen ausgerichtet. Bevor
ich weitere Erkundungen anstellen kann, bewegt sich die Fähre
herüber auf die tschechische Seite und ich nutze die vielleicht
nicht so schnell wiederkommende Gelegenheit. Drüben liegt der
Bahnhof Schöna - Herrnskretschen, es befinden sich dort aber nur
drei einsame Gebäude an einer sehr schmalen
Kopfsteinpflasterstraße. Ob es wohl irgendwo dazu auch eine
Ortschaft gibt? Mit Bahn und Bus gondele ich zurück nach Pirna,
es geht auf acht Uhr zu. Zufrieden und geschafft steige ich an
meiner heimatnahen Haltestelle aus, bis ich merke, ich hab den
Geldbeutel im Bus liegen lassen, oh no! Leichte Panik macht sich
breit, das Servicetelefon der Verkehrsgesellschaft ist natürlich
nicht mehr besetzt. Wo der Bus mit meiner Kohle wohl hinfährt?
Ich studiere den Farplan, gucke auf Maps und habe die Hoffnung,
dass das Gefährt auf dem Rückweg wieder an mir vorbeikommt.
Tatsächlich, bald taucht er auch schon auf, ich erzähl's dem
Fahrer und finde das Portmonee, wo ich es hinterlassen habe. Der
Abend ist gerettet, zur Belohnung gibt's eine große Dose Ravioli
und Amelie im TV, pennen tu ich wieder eher schlecht, womöglich
hab ich mich unterwegs leicht verkühlt.
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Freitag
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Ab Dresden geht es non-stop und ziemlich
fix im ICE zurück nach Hersfeld, die Bahn ist wieder gut
besetzt. Dann muss ich erstmal die Bude noch etwas aufhübschen
und einen Einkauf machen, da Judith, Taina und Norman schon bald
auf ihrem Weg in die (echte) Schweiz zum Zwischenstopp erscheinen. Womit
ich die kecke Familie nicht nur an meinem ersten sondern auch am
letzten Urlaubstag treffe, eine sehr abrundende Angelegenheit
für diese mehr als gelungene Woche.
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Tofukeule, März 2022
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