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The Tea Party

Es gibt schon 'ne Menge geile Bands. Drei- oder gar vierstellige Tonträgeransammlungen können Lieder davon trällern. Darunter gibt es die ganz großen, herausragenden, wovon man als passionierter Hörer auch einen ganzen Haufen aufzählen kann. Und schließlich haben wir da die ganz speziellen, die nicht nur klasse Stoff zocken, sondern einem besonders viel bedeuten und die einen oft auch Jahrzehnte durchs Leben begleiten - und wenn es auch "nur" in Form von Konserven ist, da sich die Formationen selbst bereits die Kugel gegeben haben. Vielleicht ist es 'ne gute Idee, den einen oder anderen Meistern in schriftlicher Form zu huldigen. THE TEA PARTY dürfen als erste dran glauben.

Wacken 1994: Das Festival war noch ein Geheimtipp, richtig gemütlich, fand in der "Kuhle" statt, man konnte auch Samstags noch an den dafür vorgesehenen Stellen abseits der Maisfelder seine Notdurft verrichten, und da nicht gleichzeitig fünf geile Bands spielten, hatte man zwischendurch auch mal die Muße, um im Flipperzelt (gab's wirklich!) die eine oder andere Kugel zu schieben. Irgendwann standen Lars und ich vor der Main Stage, bierseelig aber durchaus aufnahmefähig, und lauschten der unbekannten Band, die da gerade zockte. "The Tea Party", naja, kein so vielversprechender Name, fand unsereins damals. Aber kaum, dass das Trio losgelegt hatte, beschlich uns sogleich eine vage Ahnung, dass etwas Großartiges passieren würde. Und wahrlich, wir sollten Zeuge eines Gigs werden, der sich unauslöschlich in unsere matschigen Hirne einbrennen würde. Es war eines dieser Konzerterlebnisse, das man allerhöchstens fünf Mal im Leben hat. Jeff Martin, Sänger und Gitarrist, strahlte eine fulminante Magie aus, während er mit beschwörender Intensität unmittelbar ins Blut gehende Melodien zum Besten gab. Daneben groovte sich Stuart Chatwood am Bass den Arsch ab, während Jeff Burrows begnadet die Drums bearbeitete. Mein Kompagnon und ich gafften uns immer wieder ungläubig an, konnten es kaum fassen, mussten trotz aller Ergriffenheit aber auch höllisch abrocken (zumindest für unsere Verhältnisse...), da die Songs uns im Sturm nahmen. Ein absolut überraschender Hammer von einem Auftritt! Wir waren verzaubert.

Normalerweise kauft man sich nach einem derartigen Gig sogleich die entsprechende Scheibe, aber das war in diesem Fall gar nicht so einfach. The Tea Party hatten von Anfang an in Deutschland irgendwie nicht die Plattenfirma, die sie angemessen unterstützt hätte, um die Band entsprechend ihres Potentials groß rauszubringen. Das lief zwar über die Major-Schiene, doch anscheinend mit Priorität "minus 346" oder so ähnlich... Jedenfalls hatte Lars ein ganzes Weilchen nach Wacken als Erster "Splendor Solis" zu stolzem Kurs per Mailorder eingekauft. Ich mir in meiner Euphorie das Teil sofort auf Tape kopiert (CD Brennen war damals noch unbekannt, in unseren Haushalten gab es noch nicht mal PCs; those were the days...) und in der Folgezeit natürlich laufend reingezogen. Auch im nüchternen Kopp und mit Abstand kam die Magie rüber. Das war halt zweifellos so eine Band, bei der sofort diese besonderen Schwingungen in der Luft liegen, sobald ihr Sound erklingt. Da ist dann noch viel mehr in der Atmosphäre um einen rum unterwegs als nur die bloßen Schallwellen. "And a river's running through my veins..." - diese Zeile aus dem Opener ist quasi Programm, wenn man es so sieht, dass der musikalische Zauber durch den eigenen morschen Kadaver hindurch fließt. Da waren schon ein paar echt feine Songs auf diesem vermeintlichen Debut, wie "Save Me", "The Majestic Song" oder "Raven Skies". Vollkommen schwachsinnig fand ich das Gelästere einiger SpötterInnen, die was von "Led Zeppelin/Doors - Ripp-Off" im Zusammenhang mit dem kanadischen Trio faselten. Dass die Musiker ihre Klassiker schätzten, stand außer Frage, aber das waren ja nunmal eigenständige Kreationen, die nie nach bereits existierendem Material klangen. Jahre später erst hat mich der mächtige Gonzo darüber aufgeklärt, dass es bereits vor "Splendor Solis" eine Independent-Veröffentlichung gab. Neben einigen Stücken, die dann auf dem Nachfolger nochmal zu Ehren kamen, sind allerdings keine geheimen Highlights darauf versteckt. Da waren die Jungs offensichtlich noch dabei, ihren Weg zu finden, denn dem Material fehlt über weite Strecken die Reife, weswegen es im Grunde auch nur für die Die-Hard-Fans interessant ist.

So richtig los ging es mit der 95er-Scheibe "The Edges Of Twilight". Die neuen Songs hatten noch mehr Schmiss als der ältere Stoff, Ohrwürmer ohne Ende, dazu noch intensivere Gänsehaut-Atmosphäre. Eigentlich ein Album für einen Durchbruch auf der kommerziellen Ebene, zumal auch die Presse sehr positiv war. Wenn ich mich recht entsinne, war es beim zugehörigen Konzert in der Batschkapp zwar sehr geil, aber auch nicht so übermäßig voll. Könnte an der eher kurzfristigen Ankündigung gelegen haben. Jedenfalls war das Trio auch beim zweiten Live-Erlebniss wieder extrem beeindruckend. Allein die ganzen exotischen Instrumente, die im Verlauf des Gigs zum Einsatz kamen, waren ob ihrer Fülle atemberaubend. Immer wieder zupfte, schlug oder kurbelte einer der Musiker an irgend einem bizarren Teil herum, das wohl kaum einer im Publikum schon mal gesehen geschweige denn den entsprechenden Namen gehört hatte. Dabei waren die Songs als solche so klasse, dass sie keinerlei zusätzlichen Schnickschnack gebraucht hätten. Da jagt eine Schauerflower die nächste, ganz großes Kino.

Kaum dass man The Tea Party als Rocktrio mit orientalischen und sonstwie exotischen Einflüssen auf dem Schirm hatte, brachten sie mit "Transmission" eine Scheibe heraus, auf der es von elektronischen Spielereien nur so wimmelte. So was können halt nur die ganz Großen: Auf jedem Album was Neues ausprobieren, dem Werk einen eigenen Anstrich verpassen, trotzdem ganz nach sich selbst klingen und "nebenbei" vor allem 'ne Spitzenscheibe fabrizieren. Die Hitdichte und Eingängigkeit war vielleicht noch ein bisschen größer als beim Vorgänger, aber in Deutschland haben es trotzdem wieder nur (relativ) Wenige mitbekommen. Ich kann mich auch an keine folgende Tour hierzulande erinnern...

1999 dann "Triptych" in eher unauffälligem, weißen Artwork und diesmal ohne markante stilistische Neuerungen. Dafür aber mit einigen Songs, die zunächst fast radiotauglich soft klingen, bei näherer Betrachtung aber doch ganz schön tief wühlen und bisweilen ziemlich auf die Tränendrüse drücken. "These Living Arms" und "Gone" wären in dem Zusammenhang unbedingt zu erwähnen. "Heaven Coming Down" wiederum hätte für meinen Geschmack ein Top-Ten-Hit werden müssen, so eingängig, auf den Punkt gebracht und mit himmlischer Melodie ausgestattet, wie die Nummer ist. Auch ein Cover-Song hatte es mal auf ein reguläres Album geschafft, nämlich "The Messenger", geschrieben von Daniel Lanois. Alles in Allem wiederum eine nahezu perfekte Scheibe. Konzerttechnisch waren sie darauf als Support für Queensryche bei uns unterwegs, was schon ein richtig geiles Package war und der Tea Party recht stattliche Zuschauermengen gebracht haben dürfte. Zumindest in Neu-Isenburg sind sie jedenfalls auch gut angekommen, wenn ich das richtig abgespeichert habe. Außerdem gab's Auftritte bei Rock am Ring/im Park, wovon im Bayerischen Dritten löblicherweise sogar drei Songs als Aufzeichnung gezeigt wurden. Wenn man nur diesen Quickie schaut, wird einem schon ganz warm ums Herz. Warum gibt es eigentlich noch keine Live-DVD von der Band?

Meistens gefallen einem ja die ersten Alben seiner Lieblingsbands am besten, zumal es logisch erscheint, dass Gruppen am Anfang ihrer Karriere die dollsten Dinger raushauen. Manchmal gibt es aber auch Ausnahmen, so wie im Fall Tea Party. "The Interzone Mantras" ist nämlich trotz der gewaltigen Konkurrenz eindeutig mein Favorit in der schillernden Diskographie. Sobald die ersten Töne von "Interzone" erklingen, öffnet sich ein ganzes Universum an Klangfarben und verfrachtet mich auf einen überquellenden Bazar voller betörender Farben und Düfte. 13 Songs, die dank heftigster Inspiration wahrscheinlich nur so aus den Musikern heraus gesprudelt sind, schwirren durch den Äther und die Gehörgänge mitten ins Herz des nach großartigen Melodien gierenden Rockfans. Das ist pure Magie, mal groovend, hart rockend und mitreißend, mal besinnlich-ruhig und balladesk oder mit exotischem Flair verzaubernd. Ein echtes Meisterwerk halt, mit Worten kaum zu beschreiben. Wieder wurde ein Album in unseren Regionen bloß mit einer Mini-Tour beworben, die dann auch noch in eher seltsamen Städten Station machte. Nach Mainz hat es mich jedenfalls nur ganz selten gezogen, aber bei solchen Ereignissen muss man halt Opfer bringen. Gelohnt hat sich die Reise für mein womöglich letztes Tea-Party-Konzert auf jeden Fall, obwohl die Show nach gefühlten zehn Minuten natürlich viel zu früh schon wieder vorüber war. Was die Live-Aktivitäten angeht, hat mich die Band ganz bestimmt mit dem Wunsch nach viel mehr zurück gelassen...

Dass die Band danach drei Jahre brauchte, um den Nachfolger am Start zu haben, wundert wenig. "Seven Circles" wurde ein kurzes, knackiges Rockalbum, das zwar nicht an die Qualität des Vorgängers rankommt, aber trotzdem Spaß macht. Was heißt "Spaß macht", es ist einfach 'ne geile Scheiblette, die sich halbwegs problemlos in die früheren Outputs einreihen kann. Dass man sich das Teil 2004 nur als Import besorgen konnte, war schon krass. Zwar ging das über amazon.de problemlos und zu volkstümlichem Preis, aber dafür musste man überhaupt erstmal mitbekommen haben, dass es was Neues gab. Im Grunde war das nach 11 Jahren schon wieder (oder immer noch) das alte Problem, in Deutschland bzw. Europa kein adäquates Label zu haben. Doch im Laufe des gerade vergangenen Jahres tat sich endlich etwas, denn mit InsideOut Records nahm sich eine kleine aber fähige Firma der Tea Party an. "Seven Circles" wurde nun auch hierzulande veröffentlicht, die Promomaschine kam ins Rollen, endlich wurde auch wieder von geplanten Liveauftritten geredet - da war es plötzlich und wie aus heiterem Himmel vorbei. Jeff Martin verlässt die Band. The Tea Party am Arsch. Schöne Scheiße. Doch man kennt das ja inzwischen, der Gute wird seine Gründe haben. Vielleicht braucht er 'ne Auszeit oder muss anderweitige Ideen auf Solopfaden verwirklichen. Soll er mal machen und eines schönen Tages in den Schoß seiner beiden Mitstreiter dieses fulminanten Trios zurück kehren. Oder auch nicht. Aber die Chancen stehen bestimmt ganz gut, zumal es am Ende von "Seven Circles" heißt: "Come back, the world is waiting for you".

Dezember 2005

Fotos: CD-Booklets

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