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Vegan in Vienna

Wien, 31.03. - 06.04.14, inkl. Springdoom Depression

Evangelist, Atlantean Kodex und Age Of Taurus zusammen in Wien? Die Ankündigung zur diesjährigen Springdoom Depression ließ aufhorchen, wenn auch letztere Band später durch Mortalicum ersetzt werden sollte. Bei näherem Hinschauen stellte sich heraus, dass an den Tagen zuvor mit Anneke und Antimatter zwei weitere reizvolle Konzerte in Österreichs Hauptstadt angekündigt waren. Da zudem vegane Kulinarik en masse in Aussicht stand und der Transport per Zug mit nicht mehr als rund 100 Euro zu Buche schlagen sollte, war schnell klar: Da geht's hin! Das meinte auch DSC-Stefan, der an Tag 3 dazustoßen wollte.

Montag

Trotz knapper Anschlüsse, suizidbedingter Umleitung und ein bisschen Schienenersatzverkehr ab Passau verläuft die ca. 8-stündige Anreise ziemlich geschmeidig. Meine umfassend eingepackte Reiseliteratur konsumiere ich währenddessen nur zu geringem Teil, da es ganz entspannend ist, längere Zeit einfach in die sonnige Landschaft zu glotzen. Nach lockerem Fußweg durch den 7. Bezirk treffe ich vorm entsprechenden Hauseingang Martin, der mir meine Bude im 5. Stock zeigt und noch ein paar nette Erläuterungen zum Umfeld auf Lager hat. Etwa drei Dutzend Wohnungen befinden sich im schmucklosen Funktionsbau, nochmal die gleiche Anzahl im Zwillingsgebäude nebenan, wobei meine die einzige Ferienwohnung ist - ich bin also mitten unter Wienern. Viele Nachbarn treffen wir nicht in den kommenden Tagen, aber wenn, dann zeigen sie sich nett, obwohl eine Dame erwähnt, dass die FeWo weniger gern gesehen ist. Was Wunder, wenn dort bisweilen größere Gruppen einfallen und nächtens lautstark feiern. Da werden sie mit uns braven alten Säcken natürlich kein Problem bekommen. Die Unterkunft ist für den aufgerufenen Kurs jedenfalls okay, wenn auch hier und da etwas ausbesserungsbedürftig. Ausgesucht habe ich sie ja in erster Linie wegen der Lage, welche bestens da zwischen Westbahnhof und Escape und überhaupt schön zentral ist.

Es ist jetzt ca. 9 Uhr am Abend, also Zeit für ne warme Mahlzeit. Zu spät bereits für's Landia, wo die Küche schon kalt ist, also gehe ich weiter in die Pizzeria Fioré, bei der mir auf dem Weg der "vegan"-Hinweis überm Eingang auffiel. Dort ist man auch noch betriebsam, der Kellner präsentiert mir gleich die komplett pflanzliche Seite der Speisekarte. Und diese ist nahezu identisch mit dem omnivoren Angebot, es gibt also auch "Pizza Salami" oder "Salat mit Hühnerfleisch", aber halt ohne Tier. Ich entscheide mich für Pizza Fiores, die Spezialität des Hauses, die sich als wirklich lecker herausstellt. Dazu ein Bierchen vom Fass und schon bin ich gut 20 Euro los. Zunächst denke ich noch über einen kleinen Kneipenabstecher nach, gehe aber doch gleich zurück ins Domizil, um entsprechend mehr Schlaf abzukriegen. Leider klappt das mal wieder gar nicht, mir ist irgendwie viel zu warm und außerdem hat man ja eh senile Schlafstörungen.

Dienstag

Entsprechend unausgepennt fängt der Urlaub an, wie gehabt also. Nach ein bisschen Rumgehänge in der Bude entschließe ich mich endlich, im Café Oben ein Vormittagsmahl zu nehmen. Hoch über der Hauptbibliothek mit ansatzweisem Blick auf den Neubaugürtel bestelle ich das vegane Frühstück, bei dem das Tofurührei zentraler Bestandteil ist. Dazu gibt es Toast, Marmelade und einen weiteren Aufstrich sowie ne kleine Portion recht süßen Müslis im Glas auf Yofu. Eine runde Sache also, evtl. könnte es nur etwas mehr Brot sein. Ausreichend gestärkt gehe ich dann im Maran ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage einkaufen. Der rein pflanzliche Supermarkt wirkt überschaubar aber natürlich gut sortiert; demnächst öffnet wohl zusätzlich die Konkurrenz vom Veganz. An der Backwaren- und Imbisstheke staune ich nicht schlecht: Ein kleines VK-Brot von gerade 400 g schlägt mit 3,80 € zu Buche, krass!

Da sich das Wetter bereits in bester Hochfrühlingsform zeigt, will ich mich am Nachmittag gern im Freien aufhalten und beschließe, die Gegend an der alten Donau zu begutachten. Dank des günstigen Wochentickets fahre ich zum ersten und nicht letzten Mal mit der hochfrequenten U-Bahn, wo eine merklich entspanntere Atmosphäre unter den Passagieren herrscht als in deutschen Großstädten. Nach dem Aussteigen hoffe ich auf ne nette Kleingartenkneipe am Wasser, komme aber nur an zwei weniger einladenden Tränken vorbei. Außerdem gelange ich dort nicht so richtig nah an den Fluss, also führt mich mein Spaziergang dann eher in den Donaupark. Dort sehe ich alte Männer beim Schachspiel, werde von Schmetterlingen umflattert und lasse mich schließlich 150 Meter nach oben auf den Donauturm liften. Die Aussicht ist ziemlich eingetrübt, aber man kann halbwegs die Dimensionen der Stadt erkennen, die gar nicht mal so riesig erscheint. Wien wirkt halt selbst von oben unaufdringlich-sympathisch. Auf dem Rückweg zur Bahn sehe ich aber tatsächlich mal was Hässliches, nämlich die Betonschluchten der Donau-City. Hochhäuser drängen sich aneinander, teilweise von Firmen genutzt, aber auch normale Wohnungen scheint es zu geben, was ein Spielplatz mittendrin beweist. Schön ist es nicht, aber auch hier wirken die Bewohner ganz zufrieden. Als Stärkung gibt's nach dem längeren Spaziergang einen Imbiss in der Falaferia. Man bekommt drei Kichererbsenbällchen im Pita-Brot und kann sich am weitgehend veganen Salatbüffet weitere Füllung selbst auswählen. Eigentlich ne gute Sache, schmecken tut's auch, aber die Portion ist am Ende für 4 € doch recht klein. Zum Glück hab ich zu Hause ja weiteres Futter am Start, so dass ich abends ausreichend gesättigt zum Quasi-Warm-Up in die Arena gehen kann.

So richtig heiß bin ich auf die dort auftretenden Bands zwar nicht, aber der zu erwartende Sound sollte zum Eingrooven okay sein. Zunächst mal stellt sich die Location als sehr geiles altes Fabrikgelände mit mehreren Bühnen heraus, selbst im geräumigen Innenhof verspricht eine davon tolle Freiluft-Erlebnisse. Nach Entrichten meines Obolus am Pförtnerhäuschen muss ich in die Große Halle und denke mir, dass diese zwar ein cooles Ambiente bietet, aber doch wohl viel zu groß für ne Band wie Red Fang ist. So kann man sich täuschen. Bei The Shrine ist's erstmal nur locker gefüllt und man kann bequem bis weit nach vorne gehen. Dort sieht man ein Riesenbaby als Frontklotz einigermaßen räudig sowas wie speedigen Doom stimmlich unterfüttern, was gar nicht mal schlecht kommt. Danach wird's erst richtig voll, so dass ich mich mit meinem Märzen auf die rückwärtige Erhöhung zurückziehe, um der Darbietung von Lord Dying beizuwohnen. Teile des Publikums gehen schon gut mit, aber mir ist das Stoner-Gerödel viel zu hektisch und ziellos, um größeres Gefallen zu finden. Das Märzen schmeckt aber, und so schaue ich mir das Treiben weiterhin vom gemütlichen Sitzplatz aus an. Red Fang schließlich bringen die Bude ordentlich in Wallung, Stagediver geben sich gar ein Stelldichein und man könnte meinen, einen angehenden Mainstream-Act zu sehen. Die Mucke groovt auch ganz amtlich, aber trotzdem ist es kaum zu fassen, dass hier bestimmt 500 Leute oder mehr an einem Dienstag inmitten des Konzertoverkills für ein so großes Event sorgen. Da hab ich wohl was nicht mitgekriegt. Für meinen Geschmack würde ich Red Fang zutrauen, nen kleineren Club aufzumischen. Warum sie hier (und vielleicht auch anderswo) von den Massen abgefeiert werden, erschließt sich mir nicht ganz, denn so arg toll Originelles haben sie nicht zu bieten. Erstaunt aber gut unterhalten mache ich mich schließlich auf den Heimweg.

Mittwoch

Frühstück gibt's heute mal in den Privatgemächern, bevor wieder die schwierige Frage ansteht, welche der zahlreich möglichen Unternehmungen in Angriff genommen wird. Diesmal entscheide ich mich für das Haus der Musik, eine Ausstellung mit interaktiven bzw. musealen Inhalten. Um es vorwegzunehmen, für satte 12 € Eintritt hatte ich mir etwas mehr versprochen. Zwar sind einige der meist mit Kopfhörer und Monitor bestückten Stationen ganz interessant, aber so richtig beeindrucken kann die Chose kaum. Im Museumsbereich zu Ehren der drei großen Komponisten der Wiener Klassik gefällt es mir schon besser, wenn auch die Mucke selbst ein bisschen kurz kommt. Am ehesten bleiben noch die Beispiele zur Zwölftonmusik (Moll? Dur? Egal, einfach alles durcheinander!) und die Erklärungen zum speziellen Sound der Wiener Philharmoniker hängen.

Fast meine abgegebene Jacke vergessend bahne ich mir hernach meinen Weg vorbei an Hofburg und anderen schicken Gebäuden zur Verpflegungsstelle Yamm! Die Lokalität nahe der Uni wirkt einigermaßen schicki-micki; man wird beim Ankommen quasi empfangsdamenmäßig begrüßt und in die Gegebenheiten eingewiesen. Es ist Selbstbedienung am ziemlich umfangreichen Büffet angesagt, das sich gut deklariert und größtenteils vegan präsentiert. Ich lade mir also einen großen Teller mit allerlei leckerem Zeug voll, schließlich ist der Hunger bereits groß. Anschließend erfolgt die Abrechnung an der Waage mittels Chipkarte, denn der Preis richtet sich nach dem Gewicht der Speisen. Da ich wohl hauptsächlich schwere Sachen aufgeladen habe, erscheint mir eine Summe von über 16 €. *schluck* Immerhin schmeckt es zusammen mit dem am Platz servierten Hefeweizen, dessen Glas unsinnigerweise mit Zitronenscheibe versehen ist. Beim Bezahlen kommt tatsächlich mal meine rabattierend wirkende vegan.at-card zum Einsatz, so dass ich mit einem Zwanni hinkomme.

Nachdem ich einem Einheimischen zwei Tickets für's abendliche Konzert abgekauft habe, heißt es, am Westbahnhof den nun eintrudelnden Stefan in Empfang zu nehmen. Ich hoffe, er befindet sich auch tatsächlich im geplanten Zug, denn als notorischer Handyverweigerer konnte er zwischendurch nicht Meldung machen. Nachdem schätzungsweise 2000 Passagiere am entsprechenden Bahnsteig an mir vorbeigeströmt sind und nur noch vereinzelte Nachzügler erscheinen, bin ich schon kurz vorm Abdrehen, als der Kollege doch noch auftaucht. Passt also! Wir bringen sein Gepäck in die Bude und ziehen gleich weiter in die Escape Metalcorner, wo wir die erste Band bereits verpasst haben. So kommen wir in den zweifelhaften Genuss des zweiten "Anheizers" Leafblade. Zwei Typen inkl. Klampfen spielen so ne Art Akustik-Set, jammern sich dabei allerdings seltsam pseudoanspruchsvoll wirkende Melodien aus dem Kehlkopf. Zu allem Überfluss gibt's dazu Störgeräusche aus der bescheiden dimensionierten Anlage, was also zu keinem wirklich empfehlenswerten Hörgenuss führt. Viel besser kommt da schon das Murauer Märzen für schlappe 3,80 €. Anschließend wird es endlich Zeit für hochwertige Musizierkunst, auch wenn Mick Moss' Outfit eher mal suboptimal wirkt. Aber das spielt gleich keine Rolle mehr, denn das wohl großartigste Antimatter-Werk "Leaving Eden" wird komplett und kompetent zum Besten gegeben. Herrlich, diese geballte melodische Melancholie! Anscheinend ist meine Stimmung sehr positiv, denn ansonsten hätten mich die traurigen Songs wohl leicht mit in triste Gefilde hinabziehen können. Mick und die Band wirken aber auch weitgehend entspannt, so dass insgesamt eine eher warme Atmosphäre im Club herrscht. Jedenfalls hätte ich noch ne ganze Weile weiterhören können, aber nach ca. 90 Minuten ist pünktlich und wie angeschlagen Schluss. Nach Shirtkauf beim Maestro persönlich lassen wir den Abend bei Murauer bzw. Gösser Zitrone (2 %) in der zugehörigen sehr coolen Kneipe ausklingen, bis um 0:30 h wiederum pünktlich geschlossen wird.


Donnerstag

Am späten Vormittag gelingt es uns, das heutige Programm in Angriff zu nehmen. Diesmal sind wir auch früh genug im Landia, beinahe schon zu früh scheint mir, da weitere Mittagsgäste erst deutlich später eintrudeln. Die Bediendame hat tatsächlich mal Probleme, mein Hochdeutsch zu verstehen. Vielleicht ist sie aber auch nur irritiert, weil um diese Zeit sonst niemand ein "Biiils" bestellt. Ansonsten halte ich mich am veganen Tagesteller schadlos, der schön gemüsig daherkommt, wobei mir erst beim näheren Hinsehen klar wird, dass Rote Rüben ja bei uns Rote Bete heißen, die ich in so geballter Form schnell grenzwertig finde. Trotzdem ist es ein leckeres und für Wiener Verhältnisse richtig günstiges Mahl.

Stefans Dombesichtigung erfolgt dann gleich anschließend. Ich war garantiert Ende der Achtziger schon in dem Bauwerk, auch wenn ich mich nicht konkret erinnern kann. Sehen sich ja auch alle recht ähnlich, die christlichen Prunkbauten. Woran ich mich aber sicher erinnern könnte, wäre ein damaliger Gang in die Katakomben. Ein sehr cooler Führer, äh, Guide lotst die ca. 20 Interessierten vorbei an Särgen mit vermeintlich einbalsamierten Wichtigleichen und Gucklöchern, die massenweise Knochen und Schädel unterm Stephansplatz offenbaren. Früher mal wurden also die sterblichen menschlichen Überreste unterirdisch eingelagert und irgendwann wegen Platzmangels immer kompakter gestapelt, so dass eine imposante Skeletthalde entstand. Einen schön-schaurigen Rundgang erleben wir somit inkl. Showtalent des zweisprachigen Lotsen. Morbide wie gerade unsere Stimmung ist, wollen wir uns dazu passend gleich die Präparate-Sammlung im Narrenturm ansehen, müssen aber feststellen, dass das nur mittwochs und samstags möglich ist, schade.

In unserer Not setzen wir Stefans Idee um, das in Hütteldorf bei der Anreise aufgefallene Stadion zu begutachten. Mit der U-Bahn geht es also bis zur Endstation, wo uns die Heimstätte des SK Rapid erwartet. Das Umfeld wirkt leicht arbeitermäßig heruntergekommen, nicht unsympathisch. Leider findet das Wiener Derby erst am Sonntag nach unserer Abreise statt, und auch sonst ließ sich kein nennenswertes Spiel ausfindig machen, das wir Fußballhoschis hätten besuchen können, ein Jammer eigentlich. Wir streifen ein bisschen vorm weiten Rund umher, vorbei am Fanshop des Deutschen Meisters von 1941, bevor wir im "Zielpunkt" noch einen kleinen Einkauf machen. Um uns für den Abend zu stärken, nehmen wir im Café Oben Pommes mit Beilage zu uns. Die Erdapfelspalten sind hausgemacht, echt delikat auch dank Dipp, und meinen großen Salat schaffe ich nach anfänglicher Skepsis sogar im Ganzen. Nun kann das nächste Konzert kommen.

Die Arena kenne ich ja bereits, trotzdem verpassen wir erstmal die richtige Abzweigung. Heute ist im Innenhof im Gegensatz zu vorgestern leider kein Ausschank, was wohl an der viel kleineren Besucherschar liegt. Anneke spielt entsprechend in der kleinen Halle, wobei die 26 zu entrichtenden Schleifen an der Abendkassa recht hochgegriffen wirken. Wir hängen noch ne ganze Weile in der gemütlichen Kneipe ab, bevor langsam auch noch andere Gäste eintreffen. Richtig voll wird es wie erwartet nicht, aber dreistellig dürfte die Anzahl der Nasen letztlich immerhin sein. Zunächst gilt es, die uns bis dato unbekannte Anna Murphy im Vorprogramm zu überstehen. Die Frau steht anfangs mit seltsamem neuzeitlichen Drehinstrument nebst nur einem Gitarristen auf der Bühne und chansoniert etwas von Johnny Guitar daher. Leicht seltsam, aber vielleicht entwickelt sich die Sache noch, denkt man sich. Dann kommt ne ganze Band hinzu, aber schon bald wird uns klar, dass das Gebotene unseren Geschmack deutlich verfehlt. Die Liedchen der Austro-Schweizerin wirken wie die Ansagen naiv-unausgegoren. Immerhin hat der Mumpitz einen gewissen Unterhaltungswert, so dass man sich bei der Verhopfung nicht langweilt.

Trotzdem sind wir erleichtert, als endlich die großartige Anneke erscheint, auch wenn sie gleich die Euphorie ein wenig bremsen muss, da sie einen Infekt mit sich rumschleppe. Zum Glück fand sie einen Wiener Arzt, der sie halbwegs fitmachen konnte. Jedenfalls möchte sie in Anbetracht der Umstände zunächst stimmschonend akustisch musizieren, womit natürlich alle einverstanden sind. Und siehe da, sie tirilliert mal wieder wunderhübsch, ohne dass man den Eindruck hätte, sie wäre irgendwie angeschlagen. Bestens ausgewählte Coversongs von Fleetwood Mac oder Cindy Lauper kommen neben eigenen Kreationen schon toll, bevor "Circles" mir den ersten richtigen Kloß im Hals beschert. Im zweiten Teil des Sets steigt dann auch die Band ein, was zu voll instrumentierten The Gathering - Herrlichkeiten führt. Auch hier klingt nichts ansatzweise eingeschränkt, schon gar nicht das herzerweichende "Saturnine" am Ende des regulären Programms. Als Zugabe setzt Anneke noch das Cover "4 Years" drauf, und man ist froh, dass sie dabei so sonnig strahlt, sonst könnte man glatt bittere Tränen weinen. Nach einem Gig, der ganz anders als erwartet aber umso schöner verlief, ist mal wieder pünktlich gemäß Plan Schluss. Stefan ist anscheinend ebenfalls bester Stimmung und schlägt noch einen Gang in die vermeintliche Polenkneipe bei uns ums Eck vor. Das von einer riesigen Blondine servierte Flaschenbier taugt als adäquater Absacker, während die wenigen Gäste in der Kaschemme leicht seltsam wirken. Denken sich diese andersherum aber sicher auch. Nach dem kurzen Heimweg pennen wir wie gewohnt unterschiedlich schnell ein.


Freitag

Am Freitag ist mein einziger konzertfreier Abend während der kurzen Wien-Woche, also können wir uns ganz den allgemeinen Verlustierungen hingeben. Zunächst zieht es uns zum Zentralfriedhof, wobei man sich zuerst für eins der unzähligen Tore entscheiden muss. Schließlich im Innern können wir die Ausmaße der Anlage lediglich erahnen; jedenfalls scheinen wir nur einen relativ kleinen Bereich erwandern zu können. "Anatomie" klingt ganz interessant, dort wird den sich für medizinische Zwecke zur Verfügung stellenden Verblichenen gedacht. Dann kommen wir u.a. noch am Säuglingsbereich, Ehrengräbern für diverse Berühmtheiten und der Präsidentengruft vorbei. Einige Grabmäler springen ins Auge, aber letztlich bleibt ein kurzer Besuch von zwei Stunden nur ein Reinschnuppern. Immerhin findet dort Kraftfahrzeugverkehr inkl. eigener Buslinie statt, mit der man vielleicht eine Runde hätte drehen sollen. Stattdessen gehen wir noch über die Straße zum Tierfriedhof. Dort geht es natürlich nur um die auserwählten Hunde, Katzen oder Hamster für zu Hause und nicht etwa die unzähligen Massen ausgebeuteter und gemeuchelter Tiere. Es ist wohl auch noch eine recht neue Anlage von überschaubarer Größe, aber einige Gräber sind schon ulkig anzusehen.

 

Bald ziehen wir weiter Richtung Prater und beginnen beim Ernst-Happel-Stadion, das wir außen umrunden, rein können wir schließlich nicht. Anschließend marschieren wir eine beinahe endlose Allee entlang, die von Joggern, Radlern und sonstigen Bewegungsfanatikern bevölkert wird, um schließlich beim Vergnügungspark mit dem bekannten alten Riesenrad zu landen. Das Aufgebot an kolossalen Fahrgeschäften dort ist sehr üppig, aber nichts für uns furchtsame alte Säcke. Wir wollen ja auch nur gucken und nicht anfassen. Damit Mülli auch mal ans Wasser kommt, beamen wir uns danach noch kurz auf die Donauinsel, eine weitere große Grünfläche nicht weit vom Zentrum.

Vom vielen Rumlaufen kriegen wir natürlich irgendwann Hunger, also suchen wir gegen Abend die Pizzeria Pinocchio auf, die damit wirbt, alle Gerichte auch vegan anbieten zu können. Das Lokal ist zwar sehr klein und eher für Selbstabholer ausgelegt, doch wir bekommen trotzdem einen Sitzplatz und wiederum recht leckere Mafiatorte. Zur Sicherheit frage ich beim Diensthabenden nach, ob der "Käse" auch wirklich pflanzlich sei, da er recht viel Aroma besitzt. Mein vegetarischer Kumpel bestärkt mich aber darin, dass das Zeug tatsächlich nicht "original" aussehen würde. Als Abendprogrammpunkt entscheiden wir uns, die Bar The Rock aufzusuchen. Offensichtlich führt uns der Weg durchs sogenannte Bermudadreieck, denn in dem Kneipenviertel sieht es großflächig nach Halligalli aus. Der Schuppen macht einen ganz guten Eindruck, die Mucke rockt halbwegs und die Gäste sehen auch ganz sympathisch aus. Der Schrank hinter der Theke scheint sich selbst gut unterhalten zu fühlen, wir kommen aber letztlich nicht wirklich in Wallung und belassen es bei zwei oder drei Getränken, um noch in unserer Bude rechtzeitig die paar Biervorräte konsumiert zu kriegen. Die gelben Ottakringer-Dosen sind mir schließlich vom ersten Wien-Besuch am markantesten im Gedächtnis geblieben. Zur Best-Of von Rose Tattoo lümmeln wir also auf der Couch herum, quatschen das übliche geistlose Zeug und sind mal ganz häuslich.


Samstag

Und schon bricht der letzte Tag in der großen Stadt an, dabei soll am Abend doch erst die ursprünglich zur Reise inspirierende Springdoom Depression stattfinden. Erstmal lassen wir es wieder gemächlich angehen, frühstücken nur zurückhaltend, weil wir am frühen Mittag bereits die nächste Mahlzeit einnehmen wollen. Da auf meiner allwissenden Liste diverse Reformhäuser auffallen, wählen wir eins in der Nähe namens Buchmüller aus. Dort ist am Imbisstresen gut Betrieb, dabei hat die knuffige Angestellte den warmen Mittagstisch noch gar nicht verkaufsbereit. Sie empfiehlt uns Wrap plus Salat, was sich als gute Idee herausstellt. Für Stefan ist die gemüsige Reichhaltigkeit zwar etwas ungewohnt, doch auch ihm schmeckt es.

Anschließend brechen wir mit U- und Straßen-Bahn auf in den Stadtteil Hernals, denn dort soll im Jetzt das Spiel des FC St. Pauli in Sandhausen übertragen werden. Von außen macht der Laden einen sehr heruntergekommenen Eindruck und die Tür ist noch verschlossen eine halbe Stunde vor Spielbeginn. Ich werde doch wohl nicht falsch informiert sein? Mitnichten, rechtzeitig wird geöffnet und wir trauen unseren Augen kaum, als wir das Lokal betreten: Schicke Einrichtung, sonnendurchfluteter Innenhof und eine üppige Leinwand strahlen uns an. Typischer Fall von außen pfui, innen hui, sowas hat man gern. Einige Gäste vom örtlichen Fanclub sind bereits anwesend und drapieren zwecks zusätzlicher Aufwertung des Ambientes eine fette Totenkopfflagge an die Wand. Nachdem die reizende Bardame uns mit Getränken versorgt hat - hier hat es sogar lecker Weizen aus Titting - erleben wir zunächst das erwartet zähe Spiel. Irgendwann geht der magische FC aber tatsächlich in Führung und leichte Aufstiegseuphorie keimt wieder auf. Sandhausen kann jedoch ausgleichen und kurz darauf nach einem schlimmen Aussetzer Schnecke Kallas sogar in Führung gehen. Nun regiert Frust, kaum noch Hoffnung auf den benötigten Dreier besteht, aber die Braun-Weißen holen alles aus sich heraus und schaffen tatsächlich das nicht mehr für möglich gehaltene 2:3 durch einen der seltenen Torschüsse Ratsches. Geiler Scheiß! Zur Feier des Siegs gibt's ne Schnapsrunde aufs Haus, anschließend noch ne Halbzeit lang Bundesliga, bevor wir wieder Richtung 7. Bezirk aufbrechen müssen. Selten so schön in der Kneipe Fußball geglotzt, würde ich behaupten.

Bevor wir erneut die Escape Metalcorner aufsuchen, müssen wir natürlich erstmal was essen. Uns ist nach geballten Kohlenhydraten, die wir im Ristorante Fioré bestellen und verzehren. Meine Bruschetta-Vorspeise fällt etwas arg mickrig aus (dafür braucht niemand die dicke Rucola-Verzierung des Tellers), aber die Tagliatelle Bolognese erweisen sich als bestens sättigend bei befriedigender Leckerheit. Und heute servierte sogar der Koch in Schwarz höchselbst, ein gutes Omen. Am frühen Abend laufen wir schließlich im Escape ein, um Doom und Epik zu huldigen. Bevor wir die Treppen zum konzertanten Verlies hinuntersteigen, verhaften wir zuerst noch ein paar Goodies in der Merch-Ecke. Auf dem Weg zum Verfrachten des Krams in unsere nahe gelegene FeWo weisen wir zielsicher die entgegenkommenden Jungspunde ins Gewirr der Gassen ein, die sich nachher als Opener präsentieren sollen.

Cosmic Wasteland eröffnen also pünktlich um 19:10 h den Reigen in standesgemäß langsamer Manier. Sänger Wizard gibt sich alle Mühe, die ganz ansprechenden Melodien möglichst erhaben zu präsentieren, was ihm auch passabel gelingt. Etwas überbesetzt wirkt die Truppe mit ihren gleich drei Klampfern, aber vielleicht zahlt sich die Wucht bei fetterer Anlage ja entsprechend aus. Hier und heute hinterlässt man immerhin schon mal einen einigermaßen vielversprechenden ersten Eindruck. Nach zügigem Umbau und kleinem Schnack mit unseren Malta-Genossen Annette und Roland stehen auch schon Stonegriff bereit, die mir ebenfalls bis dahin nicht untergekommen sind. Musikalisch schlagen sie in eine ähnliche Kerbe wie ihre Vorgänger, evtl. bei etwas flotterem Durchschnittstempo und einem Frontmann, der auch in eine Prog-Band passen würde. Am meisten freue ich mich über das Pentagram-Cover, ansonsten fühle ich mich nicht viel mehr als gut unterhalten. Der Abend ist noch jung, trotzdem machen sich gleich schon die schüchtern wirkenden Evangelist für ihren mutmaßlich erst zweiten Aufritt überhaupt bereit. Mönchskuttenbewert legen sie schließlich los, bleiben in ihren Aktionen zurückhaltend, konzentrieren sich aufs starke Songmaterial und wissen dabei einen amtlichen Eindruck zu hinterlassen. Ich wünsche mir eine zweite Gitarre herbei, aber vielleicht liegt es auch in erster Linie an der mageren PA, dass die Heaviness der beiden Alben nicht ganz erreicht wird. Trotzdem stellt der Auftritt sehr zufrieden und es würde mich wundern, wenn die Polen nicht bald öfter live in Erscheinung treten würden.

Inzwischen ist der kleine Club gut gefüllt, so dass man sich nach dem Bierholen durchs Volk schlängeln muss, um bei Mortalicum halbwegs nach vorn zu kommen. Wie vom MDM bekannt rocken die Schweden zügig nach vorn, ohne die doomigen Untertöne zu vernachlässigen. Ganz so zwingend finde ich sie heute aber nicht, was vielleicht an meiner Vorfreude auf Atlantean Kodex liegt und der im Raum stehenden Befürchtung, dass die geplante magere Stunde Spielzeit für den Headliner viel zu kurz sein dürfte. Denn die Running Order ist natürlich wieder in Papier gemeißelt und strickt einzuhalten, schließlich soll anschließend noch eine ganz unmetallische Veranstaltung mit Konservenmucke stattfinden. Erstmal verzögert sich gleich der Beginn wegen technischer Probleme, aber dann geht es in die Vollen mit "Enthroned In Clouds And Fire" und sofort herrscht majestätischste Epik im Laden. Selbst als des Meisters Gitarre nach wenigen Minuten den Dienst versagt, verliert der Song nichts Wesentliches seiner unbändigen Erhabenheit. Das ist mal ein Qualitätsmerkmal! Die Band kann derzeit einfach nichts aufhalten, schon gar nicht ein paar in die Knie gehende Scheinwerfer. AK brauchen komischerweise nicht mal ne richtig fette Anlage, selbst in sparsam ausgestatteten Kaschemmen wie hier regieren sie mächtig, so dass die Fäuste zu "Sol Invictus" gereckt und der Refrain lautstark mitgegröhlt wird. Aber es war ja klar, heute wird es ein leider viel zu kurzes Vergnügen, auch wenn mit "Pilgrim" dann doch die vorgesehene Spielzeit etwas ausgedehnt wird. Erneut bin ich trotzdem richtig begeistert und hoffe auf mehr, nicht nur beim KIT. Die letzten Murauer sind bald verhaftet und die Abschlussnacht pennend überstanden.

Sonntag

Um 10:52 h verlassen wir pünktlich am Westbahnhof die schöne Stadt, um bis Würzburg gemächlich gen Norden zu reisen. Abgesehen von einer mafiös-suspekt wirkenden Herrengruppe im Wagen ist nicht allzu viel los. Beim Umstieg wird es mal wieder knapp, reicht aber, bis wir uns in Fulda voneinander verabschieden, wo der letzte Anschluss für mich in die Hose geht. Aber das bisschen Verspätung am Ende ist natürlich völlig unbedeutend und kann eine gelungene Urlaubswoche in Österreichs Hauptstadt kein bisschen eintrüben. Hatte die Ehre!


Tofukeule, Mai 2014

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