Sweden Rock FestivalSölvesborg, 9. - 12.6.2010 |
Es wurde also doch noch was mit dem seit Jahren angepeilten Trip zum sagenumwobenen Sweden Rock Festival. Nach planerisch kurzem Prozess in der Endphase sahen Negi, Lars und meinereiner dem Ausflug gelassen entgegen, da wir dank Leihwohnmobil keine Angst vor wetterlichen Unbilden hatten. Und die feste Unterkunft sollte sich als echter Trumpf erweisen, denn während in heimischen Gefilden tropische Zustände herrschten, bewegte sich das Quecksilber in Südschweden nur schwerfällig in zweistellige Bereiche, wobei Regen und Sturm ein Übriges taten, dass die äußeren Umstände leider nur subotimal waren. Organisatorisch-atmosphärisch konnte die Veranstaltung glücklicherweise eher punkten. |
Montag, 7. Juni Nach kleiner, halbstündiger Verspätung eines Protagonisten (guess who?) tuckern Lars und ich gen Edermünde, wo Negi vor den Toren von "Kuno's Mobile Freizeit" bereits auf uns wartet. Die Belegschaft überschlägt sich nicht gerade vor Eifer, aber letztlich werden wir doch von einem entspannten hsv-Schmuck-Träger in die Geheimnisse unseres Premium-Class-Wohnmobils eingeweiht. Fettes Teil! Unser Waltroper Oberbrandmeister klemmt sich nach erfolgter Beladung hinters Steuer, um zum anvisierten Nachtstop ins Südseecamp bei Soltau zu trucken. Dort herrscht dank benachbarter Kriegsübungsplätze im Grunde zwar eine Bombenstimmung, in den örtlichen Restaurationen, so sie denn überhaupt geöffnet haben, müffelt es jedoch gegen 22 Uhr bereits nach Kehraus. Also gießen wir uns schnell 'ne Fassbrause ins Gerüst und verabschieden uns vom warmherzigen Bonbonkellner, bevor wir bei einigen Schlummifix die angebrochene Nacht ausklingen lassen.
Dienstag, 8. Juni Nach einer für mich dank apnoischem Bettnachbarn und windbeeinflusst erstaunlichem Seegang unserer mobilen Unterkunft weitgehend schlaflosen Nacht, wollen wir halbwegs frühzeitig unsere Reise fortsetzen. Nachdem schon bei der morgendlichen Toilette technische Probleme auftreten, setzt sich das Unglück fort, da wir feststellen müssen, dass sich der zum Wageninneren positionierte Fahrersitz nicht mehr in Fahrtrichtung bringen lässt. Verdammte Hacke, keiner der drölfzig Hebel kann dass Ding aus der Blockade befreien! Auch "Kuno's" hochkompetente Mitarbeiter können uns telefonisch nicht weiterhelfen, noch nicht mal der nach quälender Warterei höchstselbst zurückrufende Werkstattleiter. Also muss der ADAC bestellt werden, wo natürlich just heute viel los ist, so dass der Fachmann erst nach weiteren zweieinhalb Stunden anrückt. Doch der Gelbe Engel gibt alles und zögert nicht, den Sitz ohne Betäubung komplett heraus zu operieren. Und siehe da, ein eher mickriges Schraubenteilchen kommt zum Vorschein, das sich gelöst und irgendwie verklemmt hatte. Als das Möbel schließlich wieder benutzbar verankert ist - es ist bereits nach 15 Uhr - können wir endlich wieder in See stechen.
Ein Zwischenstopp zur medikamentösen und backwerklichen Verpflegung erfolgt in Heiligenhafen, bevor wir Fehmarn durchqueren, um per Fähre ins dänische Rødby überzusetzen. Dann muss ich dran glauben und das Steuer des Frankia-Schiffs übernehmen, da Negi genug geleistet hat und Lars als Führerscheinvergesser nicht in Frage kommt. Mein lieber Schwan, ich habe das Gefühl, die Karre passt ob monströser Breite kaum auf die üblichen Fahrstreifen! Dazu kommen abenteuerliche Verkehrsführungen auf dänischen Autobahnen und verschiedene Kleintiere, die sich am Straßenrand tummeln und sich einen Spaß daraus machen, mich in die Bredouille zu bringen. Doch irgendwie gewöhne ich mich halbwegs ans seltsame Fahrgefühl, auch wenn ich die Überquerung der mächtigen Öresundbrücke auch aufgrund eines aufgeregt im WoMo umherlaufenden Fototouristen nicht wirklich genießen kann. Es ist bereits nach Mitternacht, als wir endlich auf Runessons Caravan Camping einlaufen, wo glücklicherweise auch nächtens noch nette OrdnerInnen die Plätze zuweisen. Puh!
Mittwoch, 9. Juni Vernünftigerweise gehen wir nicht sofort schlafen, sondern nehmen ein paar beruhigende Getränke zu uns, während wir das Gelände erkunden. Alles wirkt sehr entspannt, auch wenn der Großteil der Anwesenden deutlich Schlagseite aufweist. Auf dem Hauptgehweg muss sich ein vor uns laufender Schwede mit angeleintem, unförmigem Hund von Lars belehren lassen: "Your Mops is too thick! You have to feed him more less!" Der Tierführer stellt zwar noch klar, dass er nicht der eigentlich Verantwortliche ist, doch Negi und ich bekommen unweigerlich Zwerchfellkrämpfe ob des fachmännischen Vortrags unseres Freundes. Der Running Gag der nächsten Tage ist somit amtlich bestätigt...
Die All-Girl-Bühne am "Restaurang" liegt bereits in den letzten Zügen, als wir dort vorbeischauen. Es fällt auf, dass Ordner penibel darauf achten, dass keine Bierflaschen vom Bühnenbereich mit nach draußen genommen werden, was wir später auch das eigentliche Festivalgelände betreffend feststellen müssen. Außerdem finden sich auch außerhalb desselben keinerlei Stände, die alkoholische Bedarfswaren feilbieten (dürfen). Komische Sitten. Gesoffen wird nämlich mindestens genauso viel wie bei hiesigen Festivals. Dementsprechend gut bevorratet sind die schwedischen Nachbarn, die sich auffallend nett und gesprächsbereit zeigen. Einer versucht Lars erfolglos die korrekte Aussprache seines Namens beizubringen, wohingegen er selbst recht gut "Ich bin ein Berliner" über die Lippen bringt. Die dräuende Dämmerung samt kreischender Möwenrudel lässt uns vorsorglich zu einigen weiteren Hopfenlimos greifen und so gegen 5 Uhr verziehen wir uns in die Kojen.
Mittags kommen wir langsam wieder zu uns. Auf dem Weg zur Dusche begrüßt mich ein Bekannter der letzten Nacht mit einer freudig offerierten Flasche Wodka - das kann ja heiter werden... Während meine beiden Kumpanen noch vorm Aufstehen etwas gegen den räudigen Nachdurst unternehmen, tue ich mich an einem Müsli mit frischem Obst gütlich. Schließlich brechen wir zu einer ersten Inspektion des Festivalgeländes auf, wo die HEART Tribute Band leider schon beim letzten Stück angekommen ist. Immerhin wird man beim Einlass von weiblichen Angestellten abgeklopft, was durchaus zur Nachahmung empfohlen werden kann. Auch ansonsten macht die Organisation einen guten Eindruck und die Atmosphäre des Sweden Rock wirkt auf mich in etwa wie ein vergrößertes Rock Hard Festival mit einem Hauch von Herzberg-Feeling. Was die Anzahl der Bühnen betrifft, hat die Chose allerdings eher Wacken-Dimensionen, da man die Auswahl zwischen vier größeren und zwei kleinen treffen muss. Fast ein bisschen viel des Guten... Erfreulich ist auf jeden Fall der Blick auf die Getränkekarte: 0,5 l Bier in der geschmacksechten Plastikflasche kosten verträgliche 49 Krönchen, also knapp 5 Euronen. Das hätte schlimmer kommen können.
Nachdem wir HELLSPRAY links liegengelassen haben, da wir selbige in der Dixi-Arena oft genug bewundern können, gönnen wir uns als erste Einstimmung 'ne Runde schulmäßigen Bay-Area-Thrash von F.K.Ü. Lars bekommt davon komischen Appetit, weswegen er sich Fisch mit Vanillepudding und fruchtiger Soße einverleibt... Ich flüchte zu STEELWING, die die KIT-kompatible Old-School-Schiene fahren, mich auf Dauer aber nicht wirklich überzeugen können. Zwischendurch schau ich kurz bei Doppelripp-Rocker LOU SIFFER vorbei, der immerhin mit dem coolsten Namen des Festivals punkten kann. Negi schreckt nicht davor zurück, beim akustischen WARRIOR-SOUL-Gig aufzulaufen, welcher absolut bestätigt, dass sich Kory Clarke dringend nach Spenderstimmbändern umsehen sollte. THE MURDER OF MY SWEET nebenan klingen dagegen nahezu nach ohraler Wohltat, doch wirklich überzeugen kann erst wieder Altmeister U.D.O. als Headliner des ersten Tages, der spontane doppelstimmige Jackenbasssoli in Teilen des Publikums provoziert. Ich bin so weit in guter Stimmung und halbwegs bettschwer, muss aber noch beobachten, wie sich Negi und Lars ein absolut übelst müffelndes Elchragout einverleiben. Bäh!
Donnerstag, 10. Juni Da das Wetter nicht gerade zum Sonnenbad einlädt, frühstücken wir ausgiebig wahlweise in Form von Müsli, Obst, Antihellspray-Kapseln oder Dosenköpi. In voller Regenmontur trauen wir uns am Nachmittag raus zu amtlichen Auftritten von Y & T, DEATH ANGEL und ein wenig Akustischem von EVERGREY. Überraschend stehen Lars und ich dann vor der Festival Stage, wo statt RATT die PRETTY MAIDS aufspielen, was uns doch sehr erfreut, zumal die alten Schergen eine Playlist mit etlichen Klassikern am Start haben. So muss das sein! Am gleichen Ort sehen wir zwei Stunden später SLAYER, die wie immer weitgehend statisch aber doch souverän ihr feines Liedgut zum Vortrage bringen. Ich bin recht angetan und höre über etwaige Verspieler großzügig hinweg. Blöd nur, dass zeitgleich AMON DÜÜL II zocken, die ich somit verpasse. Ähnlich suboptimal läuft es kurz darauf, als ich mit Lars zu JORN gehe. Der spielt anscheinend fast nur neueren Kram, den wir nicht kennen und spontan auch nicht toll finden können. Also entschließen wir uns viel zu spät, zu DANZIG rüberzutapern, wo wir uns angesichts einer brillanten Darbietung ärgern, nicht schon früher die Fronten gewechselt zu haben. Einfacher fällt die Wahl am Ende: MAYHEM lassen wir links liegen und geben uns zweieinhalb Stunden AEROSMITH, die aber mal richtig überzeugen können. Auch wenn Steven Tylers Teint nach etlichen Lift-OPs zum Bersten gespannt ist, tut das seiner begnadeten Performance keinen Abbruch. Und Hits en masse hat die Band wahrlich am Start. Hätte ich auch nicht gedacht, dass uns diese Band mal derart würde überzeugen können.
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Freitag, 11. Juni Heute macht sich zumindest bei mir eine gewisse konditionelle Schwäche bemerkbar. Ich hänge bis nachmittags in der Koje ab und komme erst nach Gabe eines im Liegen eingenommenen Kontergetränks halbwegs in die Pötte. Also nehme ich mir vor, meinen Zustand heute halbwegs stabil zu halten, um ab dem folgenden Tag ein besserer Mensch zu werden. Derweil schmieden Negi und Lars 'nen Plan zur früheren Abreise, da sonst unsere rechtzeitige Rückkehr zum ersten WM-Auftritt der deutschen Elf gefährdet scheint. Gute Idee. Dunkel erinnere ich mich, am Rande ein bisschen was von RICK SPRINGFIELD mitbekommen zu haben, aber im Wesentlichen geht nicht nur dieser sondern auch die Auftritte von BIGELF, M.S.G. oder MAGNUM an uns vorbei. Erst bei den SUICIDAL TENDENCIES sind wir wieder konkret dabei und freuen uns über einen energiegeladenen Cyco Miko, der einen amtlichen Moshpit in Gang bringt, der uns zum Glück nicht zu verschlingen vermag. BILLY IDOL kann uns auch nicht in seinen Bann ziehen mit einer äußerst seltsamen Darbietung, so dass wir schnell zu MUSTASCH fliehen, die viel eher wissen, wie amtlich abgerockt wird. Am Ende eines aus musikalischer Sicht für uns eher dürftigen Tages stellen wir fest, dass auch GARY MOORE es nicht mehr raushaut und BEHEMOTH immerhin die künstlerisch wertvollsten Mikroständer auf die Bühne bringen. Somit lassen wir uns heute mal etwas früher von konserviertem ANTON MAIDEN in den Schlaf wiegen.
Samstag, 12. Juni Meine Güte, so fühlt es sich also an, wenn man eine Woche mit der Männergruppe unterwegs war! Es deutete sich ja gestern bereits an, dass mir so langsam der Saft ausgehen würde, und ein entsprechend mulmiges Gefühl beschleicht mich nach dem Erwachen. Ich beschließe, heute mit der Entgiftung zu beginnen, was dazu führt, dass meine Compagnons von nun an mit einem leicht depressiven, schweigsamen Kollegen vorlieb nehmen müssen. Die Beiden lassen sich von mir zum Glück nicht runterziehen und machen weiterhin einen ziemlich aufgeräumten Eindruck. Bedingt durch mangelnden Antrieb lasse ich den mit Vorfreude erwarteten CATHEDRAL-Gig zur Mittagsstunde sausen, schaffe es aber im Trioverbund rechtzeitig zu FATES WARNING. Die Matheos-Mannschaft spielt hauptsächlich "Parallels"-Stücke plus ein paar weitere Nummern und sorgt damit nochmal für wohlige Schauer, wenn auch auffällt, dass Ray Alder einigen ganz hohen Tönen bewusst aus dem Weg geht. Dann wollen wir uns eigentlich anschauen, was Herr Kiske mit UNISONIC so veranstaltet, doch heftige Windböen zerlegen den Mischpult-Überbau, wodurch der Auftritt im wahren Wortsinne zunächst abgeblasen wird. RAVEN jedoch erweisen sich als sturmerprobt und legen einen ähnlich routiniert-fetten Gig auf die Bretter wie schon kürzlich in Gelsenkirchen. Zu guter Letzt genehmigen wir uns eine große Portion OPETH, die wie erwartet bestens mundet. Schade nur, dass Herr Åkerfeldt auf Schwedisch zu uns spricht, weshalb wir bei den bestimmt wieder grandiosen Ansagen leider nicht mitlachen können. Dann trollen wir uns wie verabredet zum Wohnmobil, und nachdem uns die netten Nachbarn noch ein gutes Leben wünschen, steuert Negi unsere Karre Richtung Heimat. Dank Dunkelheit und trüben Wetters kann ich auch diesmal nicht viel von der Öresundbrücke sehen, während unser Fahrer alle Hände voll zu tun hat, mit dem Frankiageschoss den heftigen Winden zu trotzen, die auch der Fähre zu ordentlich Seegang verhelfen. Auf Fehmarn gurken wir zu nachtschlafender Zeit auf einen Stellplatz zum Zwischenstopp.
Sonntag u. Montag, 13./14. Juni Weiter geht's am Sonntag Morgen ohne größeres Brimborium. Zum Glück thrasht Negi durch, so dass ich nicht in den Genuss eines weiteren Auftritts als Fahrer kommen muss. Beim bekannten Südseecamp lassen wir unsere gesammelten Flüssigkeiten ab und driften weiter bis zur Eichhofsiedlung ohne nennenswerte Zwischenfälle. Dort säubern wir den Innenraum unserer Unterkunft, machen uns frisch und werden von Christiane kulinarisch verwöhnt, bevor wir das vielversprechende 4:0 der DFB-Auswahl gegen die Socceroos anschauen. Lars und Negi haben dabei keinerlei Berührungsängste mit Gebrautem, was mir nahezu unerklärlich scheint. Der Trip endet, wie er begonnen hat: Eine schlaflose Nacht im WoMo, dann Rücksturz zu "Kuno's", wo man sich wiederum viel Zeit lässt, bis unsere Luxuskarre ohne Beanstandungen abgenommen wird. Krasser Ausflug, der die Mühen echt gelohnt hat. Wäre Sölvesborg nicht so weit weg bzw. der fahrbare Untersatz nicht so langsam, man könnte öfter hinfahren. Tofukeule, Juli 2010 |