Rock Hard Festival 201225. - 27. Mai 2012, Amphitheater Gelsenkirchen |
Jetzt war ich schon so oft beim RHF, habe hier aber immer nur knapp kommentiertes Bildmaterial zur Schau gestellt. Es wird also mal Zeit, auch ein paar Worte über die Geschehnisse bei diesem herrlichen Festival zu verlieren, ohne gleich 'nen Roman verfassen zu wollen. |
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Die Mucke Freitag Jex Thoth: Klasse Auftakt: Die Hohepriesterin des Okkultrock war auch bei Tageslicht bestens in Form und noch besser zu bewundern als auf schummerigen Clubbühnen. Diesmal leider ohne Graf Zahl an der Orgel und abgesehen vom Drummer anscheinend mit umgekrempeltem Bodenpersonal, hatten bestimmt nicht nur Mohr und ich gleich bei der ersten Band diesen gewissen Glanz in den Augen. Um dem gleißenden Sonnenschein etwas entgegenzusetzen, wurde das Tempo noch ein wenig mehr verschleppt als üblich, so dass Hits wie "Raven Nor The Spirit", "Stone Evil" und natürlich "Seperated At Birth" umso doomiger zur Geltung kamen. Das erste Highlight hatte voll eingeschlagen, so konnte es weitergehen.
Turbonegro: Nach längerer Zeit des weniger fokussierten Verfolgens der musikalischen Vorgänge auf der Bühne, gingen Mohr und ich zum Freitagsheadliner, den wir beide nicht besonders gut kannten. Anscheinend war es in dem Moment die genau richtige Band für mich, denn das punkige Gerocke der warmen Brüder fuhr mir alsbald ins Beinkleid und ließ mich wie die anderen Hundertschaften in Bühnennähe einen teils bedenklichen Veitstanz vollführen. Hätte ich so nicht erwartet, denn außer "Are You Ready (For Some Darkness)" kannte ich die Songs eigentlich nicht. "I Got Erection" gröhlte ich am Ende aber lieber nicht mit, auch wenn dies im übertragenen Sinne durchaus zutraf.
Samstag Dr. Living Dead! sorgten bereits am frühen Mittag mit ihrem thrashigen Stoff für Bewegung in den ersten Reihen. Klang nach ziemlich coolen Suicidal-Einflüssen, was die maskierten Burschen da so veranstalteten. Netter Auftakt.
Portrait spielten nun zum gefühlt dutzenden Mal in letzter Zeit auf einem von mir besuchten Festival, und auch diesmal klang das alles nach richtig amtlichen Mercyful Fate - Reminiszenzen. Kauf ich mir denn jetzt endlich mal ne Scheibe von den Jungs? Oder reicht es doch, sie alle paar Monate live zu sehen? Hell machten dann ein mordstheatralisches Fass auf, das in Verbindung mit dem oldschooligen Sound für einen ersten Tageshöhepunkt sorgte. David Bower ist aber auch ein begnadeter Frontmann. Nicht wirklich überzeugen konnte mich fürs erste das Songmaterial, denn da war recht wenig dabei, das mich wirklich berühren konnte. Vielleicht müsste man sich mit dem Kram mal näher auseinandersetzen, denn grundsätzlich klang das auch in meinen Lauschern vielversprechend.
Unleashed haben wir bequem von den oberen Rängen aus geschaut, denn Todesblei ist für uns Weicheier ja eh viel zu hart. Oder auch nicht, denn mir gefiel das recht melodiöse Geprügel außerordentlich gut. Bei "Wir kapitulieren niemals" hätte ich mit dem ebenfalls angetanen Ludwig sogar fast Chorgesänge angestimmt. Richtig geile Show! Inzwischen hab ich mir ne Scheibe von der Truppe zugelegt, die mich ebenfalls überzeugt. Ich komme doch noch auf Death Metal kurz vorm Weltuntergang. In optimaler Verfassung sah ich der Show von Psychotic Waltz entgegen: Leicht berauscht von diversen Gerstenkaltschalen aber doch hellwach und bereit für große Kunst. Und in der Tat war ich selten oder noch nie so ergriffen von den großartigen Songs, die die fünf Wiedervereinigten zum Besten gaben. Bereits beim "Ashes"-Auftakt trieb es mir Tränen in die Klüsen, was im weiteren Verlauf auch noch bei "Haze One" und "I Remember" der Fall sein sollte. Das gab es komischerweise noch nie während der 66 Konzerte vorher, denen ich beiwohnen durfte. Es war einfach eine Offenbarung, was die Akkurateure wieder auf die Bühne brachten. Nicht mal Ohrenschutz war nötig, da die psychotischen Weísen in optimaler Lautstärke und glasklar bei mir ankamen. Der wundervolle Zwillingsgitarrenpart bei "Into The Everflow" ließ sich die ganze Herrlichkeit mal wieder ins Innerste meines senilen Körpers ergießen, ballte sich diesmal aber im Brustkorb und ließ mein Herz im Takt schlagen ganz ohne vegetative Unterstützung. Es war wirklich entzückend.
Selbst Bolt Thrower konnten mich anschließend nicht von Wolke 7 herunterholen. Die stumpf-filigrane Knüppelmaschinerie ließ sich entspannt von den Logenplätzen aus sogar dezent genießen. Das gut besetzte weite Rund feierte den Headliner entsprechend freudvoll ab. |
Die Mucke Sonntag Alpha Tiger (sprich: Alwoa Diescher) waren ein optimaler Opener. Spielfreudig wie Nachbars Lumpi veredelten sie einem die ersten Stabilisierungsbierchen. Gar nicht mehr so scheu wie noch unlängst gab Frontmann "Heiko" den amtlichen Animateur, während seine Sidekicks in stilechtem Schwarz-Gelb (und das in Gelsenkirchen) ne Menge Spielfreude an den Tag legten. Die Schluckbeschwerden waren für den Moment vergessen.
High Spirits fand ich bisher ja weitgehend überbewertet, aber live und in Farbe verstand ich endlich, warum so viele auf die Band abgehen. Obwohl sich bei mir erste Schwächesymptome abzeichneten, lockte mich die Combo aus meiner Schattendümpelei vor die Bühne, wo ich Zeuge eines sehr kurzweiligen Sets wurde. Melodien für Millionen mit ordentlich Schmackes als Beiwerk. Feine Sache. Eigentlich stehe ich ja auf Retrorock, aber mit Graveyard werde ich nicht warm. Was die Typen machen, klingt im Ansatz ja nicht übel, aber die Songs wirken auf mich letztlich einfach uninspiriert, da kann ich mir nicht helfen. Ein paar Songs lang wollte ich mir das schönhören, habe dann aber kapituliert und bin in den Heckenschatten geflüchtet. Von wo aus ich auch Girlschool angeguckt habe. Das war dann auch genau das Richtige, um mich in meiner Lethargie verweilen zu lassen. Anders sah das bei Magnum aus, die nochmal meine letzten Energiereserven aus mir herauslutschen konnten. Dabei hatte ich gar nicht viel erwartet, aber der hochmelodische Altherrenrock war in dem Moment genau das Richtige für mich. Bis auf zwei Stücke von "On A Storyteller's Night" kannte ich fast nichts, aber trotzdem machte es richtig Spaß, den alten Säcken bei ihrer Standperformance zuzuschauen. Einzig der über alle vier Backen grinsende Mann am Bass sah noch so aus, als könnte er guten Gewissens für's nächste Jahrzehnt planen. Vielleicht lässt einen gerade die versammelte Bühnensenilität ja publikumsseitig aufblühen, da man merkt, dass man doch noch zu den Jüngeren gehört.
Unisonic fand ich irgendwie auch gar nicht so schlecht, wie ich es gern gehabt hätte. Das Tandem Hansen/Kiske ließ aber doch einige coole Songs vom Stapel. Wer hätte schon mit "March Of Time" gerechnet? Wo Kiske doch gar keinen Metal mehr verzapfen wollte, weil böse. Aber anscheinend tatstet er sich langsam wieder ran. Wirklich sympathisch macht ihn das allerdings nicht, was seine etwas fremdelnde Ausstrahlung unterstrich. Dem Publikum schien es jedenfalls ziemlich zu gefallen. Spätestens bei W.A.S.P. hatte ich dann echt keine Power mehr, was einigermaßen schade war, denn Herr Gesetzlos war wohl ganz gut in Form. Ob das auch für seine Arschbacken galt, weiß man nicht, denn die hatte er gnädigerweise verhüllt. Zumindest Herr L. der Ältere kam bei "I Wanna Be Somebody" erstmals so richtig in Fahrt. Büschen spät vielleicht, oder? Abseitiges Drei Herren in den besten Jahren wurden spontan locker und verglichen die Anzahl ihrer Gesamtsexualpartnerinnen. Es wurde jeweils einmal jede Zahl von 1 bis 3 genannt. Wohl gemerkt bezog sich dies auf den Zeitraum der letzten gut 40 Jahre. Unbedingt für's nächste Festival merken: Kontrolliere den Reißverschluss deines Schlafsacks bei Tageslicht, am besten noch vorm Losfahren zuhause. Nachts wenn die Kälte ins Zelt kriecht und dir der Überblick fehlt, ist es zu spät. Selten so vernünftig gewesen beim RHF, Radler und alkfreies Pils zum Frühstück bewirkten lang anhaltende Peilung. Die tägliche Dusche bewirkte ihr Übriges.
Die Versorgungslage war mal wieder suboptimal. 3,50 € für 400 ml Veltins sind schon grenzwertig, aber wenn dann die Becher zumindest am Anfang systematisch unterfüllt werden, nervt es einfach. Und der gleiche Preis für schnödes Tafelwasser ist schlicht 'ne Frechigkeit. Ganz zu schweigen von der vegankompatiblen Festnahrung. Da gab es eigentlich nur Pommes, die ganz okay waren, oder eine asiatische Nudelpfanne. Für schlappe 5 Euronen bekam man ein Töpfchen voll Kohlenhydrate mit Spuren von Gemüse, "serviert" vom dauerhaft genervt dreinblickenden Personal, das wohl zu dem Job gezwungen worden sein muss. Nächstes Jahr muss dringend der Falafelmann wieder her. Hat es was mit Autismus zu tun, wenn jemand teilweise unglaubliche Details musikbezogener Themen wie Adressen längst verblichener Labels, bürgerliche Namen ebensolcher Sängerinnen oder Spitznamen von Jennifer Lopez wie selbstverständlich auf's Tablett bringt? Der Verdacht in Bezug auf einen Mitreisenden drängte sich mehrfach auf. Kollege Gonzo kannte mal wieder keine Hemmungen und tauchte zum Waltz-Gig stilecht im Gartenarbeitsoutfit inkl. Schirmmütze und Flip-Flops auf.
Biohasi sorgte während der Hell-Show für die perfekte Deeskalation, als ein junger Besucher etwas aufmüpfig zu werden drohte. Er fragte einfach: "Mit oder ohne?" Der Pursche antwortete: "Mit." Und bekam alsgleich die Zunge des Kollegen zu spüren. Nach einer Schrecksekunde und heftigen Ausspuckreaktionen des Überraschten fand dieser die Aktion jedoch auch äußerst witzig und vertrug sich sogleich mit dem kühnen Widersacher. Tofukeule, Juni 2012 |