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Rock Hard Festival

Gelsenkirchen, Amphitheater, 26. - 28.05.2023

40 Jahre Rock Hard, 20 Jahre Rock Hard Festival, das sollte eigentlich Anlass genug für ein richtig hochkarätiges Billing sein. So spektakulär las es sich dann allerdings nicht, doch pupegal.

Geschmackvoll ausgewählt werden die Bands schließlich immer, Highlights ergeben sich quasi von selbst. Und die bewährte Reisegruppe allein ist ja eh schon Garantie für das bestmögliche Pfingstwochenende.

 

Freitag

Zu fünft plus Gepäck in Lars's Cermedes ging es relativ komfortabel gen Pott, schlank wie wir alle sind. Die Unterkunft stellte sich wie erhofft als geräumig und bestens ausgestattet heraus, eine gute Wahl, das Ganze lag in einer Art Luxusstraße, die fast wie eine Oase im Gelsenkirchener Barock wirkte. Screamer würden wir eh nicht rechtzeitig schaffen, also genehmigten wir uns bei Monis Bierbude gleich zwei Runden Stauder, ein herrliches Fleckchen für eine gelegentliche Rast. Dann im Amphitheater der gewohnte Spießrutenlauf zwischen all den vertrauten Freaks hindurch, das Wetter schön sonnig aber nicht zu warm. Die Getränke- wie Essenspreise eigentlich kaum noch akzeptabel, aber was willste machen, hinein musste es ja doch. Immerhin war fast immer ein Fassboy in der Nähe, um Bestellungen direkt am Mann ausführen zu können. Motorjesus rockten fluffig und schnodderig drauflos, das ließ sich gut an. Mit Sacred Reichs "Independent" zum Schluss hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, coole Nummer. Dann Omma Sabina mit Holy Moses auf ihrer Abschiedstour. Die Grande Dame des gepflegten Elchkuhsounds hatte mächtig Hummeln im Hintern und hüpfte wie'n Jungspund über die Bühne, sehr überzeugende Performance. Auch die Mucke als solche konnte gefallen, ein ziemlich technisches Geschrubbe samt Gastauftritt von Andy Classen. So kann frau abtreten, oder auch weitermachen.

Immer weiter machen jedenfalls Vicious Rumors, zumindest Geoff Thorpe und Larry Howe, die beide irgendwie frisch gepudert wirkten, so aufgedreht absolvierten sie den Gig. Am Mikro derzeit Ronny Munroe, da konnte nicht viel anbrennen, und so bekamen wir ein Feuerwerk an gut gereiften Klassikern serviert. Da weiß jemand, wie man auch trotz permanenter Besetzungswechsel die alten Säcke im Publikum froh machen kann. Benediction taten wir uns dann eher nur so von weiter weg rein, was aber gar nicht mal so übel klang, eher schnörkelloses Todesblei. Von Triptykons early Celtic Frost Show hatte ich nicht allzu viel erwartet, und wurde keines Besseren belehrt. Viel stumpfes Gerödel, viele "Uh!"s, und eine Bassistin, die recht affektiert ihre eine Pose durchzog. Da blieb zum Glück genug Raum, um mit Regina und Ludwig ausgiebig das Thema "Bettteiler" zu eruieren, auch wenn wir am Ende auf keinen gemeinsamen Nenner kamen (und dann wunderten sie sich über die suboptimale Nachtruhe). Den Rückweg bestritt unser Fünferteam geschlossen, wobei ein Mitglied durchgehend gestützt werden musste. Zurück in der Fewo ließen besonders Lars und ich die Nacht bis Drei in der Früh bei diversen Schmachtfetzen und literweise Leitungswasser gemächlich ausklingen (die Vase als Pissoir gebrauchte dann trotzdem ein anderer).

 

 

 

Samstag

Mit Frühstück und -schoppen starteten wir genüsslich in den Tag, um pünktlich zu Midnight Rider wieder am Kanal aufzuschlagen. Mehr als ganz nett klang die Truppe allerdings nicht, da fehlte mir eindeutig der geschmeidige Groove. Bald erfuhren wir, dass Nestor erst mit erheblicher Verspätung eintreffen und entsprechend die anderen Bands nach vorn rutschen würden. Also nahmen wir erstmal was Fruchtiges im Schatten zu uns, ließen Knife unten ballern, und gingen erst wieder zu Depressive Age vor die Bühne. Spannende Sache, dass die alten Melancho-Thrasher sich nochmal aufgerafft hatten, wenn auch in recht dezimierter Formation. Aber schon nach den ersten Takten von "Lying In Wait" war klar, die Magie funkelte noch erheblich. Vor allem Fronter Jan bringt's noch astrein rüber, und das war ja schon mal mindestens die halbe Miete, auch wenn sein merkwürdiges Outfit für einige gerunzelte Stirnen sorgte. Die Setlist fiel für meinen Geschmack suboptimal aus, ein neuer Song mit Brutus als Zweitshouter konnte mich auch nicht sofort überzeugen, und trotzdem war's ein besonderer und gelungener Auftritt, der definitiv Hoffnung auf mehr machte. Anschließend passierte etwas Erstaunliches: Voivod lärmten los - und mir gefiel es. Schon mehrfach hatte ich es über die Jahre vergeblich versucht, mit dem schrägen Kram warm zu werden, heute klappte es unerwartet endlich, wo sie auf den letzten Drücker für Discharge auf's Billing gekommen waren. Wie Snake über die Bühne torkelte, während Away federleicht frickeligste Drumfiguren zockte, heute großartig, hoffentlich kein Ausrutscher.

Anschließend wurde es wesentlich schnörkelloser, aber nicht weniger schön. Brian Downey mit einer Thin Lizzy - Version, die es drauf hatte. Vor allem der Frontbengel, der glatt als Phil Lynotts Reinkarnation hätte durchgehen können. Beinahe wurde es mir auf Dauer fast zu authentisch, so originalgetreu klangen die ollen Klassiker. Ganz starke "Coverband" auf jeden Fall. Und ein brillanter Anheizer für Nestor, die anschließend endlich an der Reihe waren. Weswegen Lars es sich nicht nehmen ließ, einen Auftritt als Hyper-hyper-Presswurst hinzulegen. Was sich die schwedischen AOR-Götter allerdings im Handumdrehen verdient hatten, denn vom ersten Song an hatten sie das Amphi-Publikum um den kleinen Finger gewickelt. Von stressiger Anreise war nichts zu spüren, mit beinahe jugendlicher Leichtigkeit hüpften die mittelalten Herren auf die Bühne und zockten ihr fast komplettes Album, von dem nahezu jeder einzelne Song ein Hit ist, inklusive der wunderbar schmalzigen, mit Samantha Fox - Ersatz im Duett geträllerten Ballade. Einzig die Whitney Houston - Nummer als Zugabe hätte ich nicht gebraucht, auch wenn fast die gesamte Belegschaft selig mitjodelte. Auf Thrash hatte ich anschließend nicht wirklich Lust, Mohr ging's genauso, außerdem machte unser Pegel sich langsam bemerkbar. Also schraubten wir uns noch nen 10-Euro-Snack rein und latschten zurück zur Bude, um noch ein bisschen "American Dad" bzw. "Nackte Kanone" zu glotzen. Währenddessen legten Sodom einen beklatschten, Testament einen eher ärgerlichen Gig hin, viel verpasst hatten wir offensichtlich also nicht.

Sonntag

Da Mohr und ich am ausgeschlafensten waren, starteten wir zeitig zum Frühschoppen bei Moni, Rita war womöglich auch schon dabei. Den Anfang von Iron Fate verpassten wir leicht, bekamen aber zum Glück noch mehrere Songs mit, so die zwei besten eigenen Nummern und das formidabel gecoverte "Walk In The Shadows". Ähnlich geil wie beim KIT Rising im letzten Herbst, ein Top-Opener. Eine weitere deutsche Band, die eigentlich höhere Weihen verdient hätte, schloss sich in Form von Undertow an. Die gleich mal mit zwei schnellen Nummern starteten, bevor sie zum eher melancholischen Groove übergingen, bei welchem Joschis Stimme am unnachahmlichsten zur Geltung kommt. So Einige im Publikum waren angenehm überrascht von der enormen Güte des Dargebotenen. Im Anschluss lag dann die Überraschung ganz auf meiner Seite, denn eigentlich hatte ich Wucan schon als "überbewertet" einsortiert. Da musste ich mich flugs korrigieren, denn was die Ossis um Frau Tobolsky ablieferten, glich einem kleinen Triumphzug. Vor allem die Dame selbst wickelte natürlich sämtliche Willigen um den kleinen Finger, was aber nicht nur an Ausstrahlung und Outfit lag, sondern eher noch an ihren umfassenden musikalischen Fähigkeiten bzw. der Kombination aus allem. Wir waren jedenfalls kollektiv geflasht, Mohr hatte all die Jahre Recht gehabt. Von Renft hatte er uns ja schon vor geraumer Zeit was erzählt, noch bevor Wucan ihr diesbezügliches Cover rausbrachten... Zum Runterkommen verfolgten wir danach in Heiner's Biergarten den knapp verpassten Aufstieg des hsv, anschließend zog ich mich für ein Weilchen in die Gemächer zurück, um die Augen auszuruhen.

Zum Co-Headliner Katatonia war ich zurück, und wäre ich nicht schon halbwegs nüchtern gewesen, die Schweden hätten meinen Rausch jäh beendet. Anscheinend fehlte ihnen ein zweiter Gitarrist, was die Sache sicher nicht einfacher machte. Trotzdem musste man nicht so lust- und ausstrahlungslos auf der Bühne rumstehen, die Band präsentierte sich tatsächlich ähnlich dröge wie vor drölzig Jahren beim Progpower. Ich verstehe die enorme Popularität nicht. Es groovte zwar alles ganz nett vor sich hin, aber außer dem Schlusspunkt "Evidence" konnte ich keinen weiteren irgendwie herausstechenden Song vernehmen. In dieser Form an jener Position hatte die Truppe für mich nichts zu suchen. Ganz anders der olle Pelzmützenträger Michael Schenker, der im Laufe der Karriere dann doch an so einigen Hits beteiligt war und dementsprechend einen amtlichen Headliner geben konnte. Anscheinend trällerte Ronnie Romero zum letzten Mal für den Meister, wie schade, denn der Typ kann's schon ziemlich gut. Einer der neuesten Songs, "Sail The Darkness", war erstaunlicherweise fast mein Favorit, und das wollte was heißen neben all den UFO- und sonstigen Klassikern. Die Stimmung im halben Rund war jedenfalls nochmal gut am Köcheln, nur hatten leider die Bierboys anscheinend schon Feierabend, was uns ein wenig auf dem Trocknen sitzen ließ. Zum Glück brannte auf dem Rückweg aber bei Monis Bierbude noch Licht, so dass wir nebst schräger Unterhaltung durch einen aufgedrehten Einheimischen ein leckeres Absackerstauder goutieren konnten. Rock Hard Festival, immer wieder gern!

 

Tofukeule, September 2023
RHF-Schoten 

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