Die Unterkunft hatte ich auf gut Glück
irgendwann im Winter gebucht, zwecks Bequemlichkeit ab
Donnerstag. Taina musste kurzfristig wegen Krankheit absagen,
die restlichen Drei wollten erst ab Freitag, also machte ich die
Solo-Vorhut und bestieg am Nachmittag die Regionalbahn. Dank
9-Euro-Ticket war die Anreise fast geschenkt, im Zug von Kassel
nach Düsseldorf wurde es allerdings teilweise ziemlich voll. Ich
wich in die 1. Klasse aus und erfreute mich an den launigen
Ansagen eines Mülli-Verschnitts als Zugbegleiter. Nach einer
letzten Etappe mit der Essener U-Bahn latschte ich zur
geräumigen Monteurswohnung in bester Lage und suchte mir eins
der vier Zimmer aus. Der Abend war bereits nicht mehr ganz jung,
weswegen ich mich sogleich wieder in entgegengesetzter Richtung
zum Café Nord in Bewegung setzte, um im adäquaten Ambiente ein
bisschen was zu mir zu nehmen. Das nette Bediengirlie gab sich
viel Mühe, die paar Gäste bei Laune zu halten, die Pasta
Jambalaya nebst kühlem Stauder mundete wie zu besten Zeiten.
Allzu spät wollte ich es an diesem Vorabend nicht werden lassen,
also schlenderte ich um kurz vor Mitternacht zurück zur
Bahnstation um festzustellen, dass der reguläre Verkehr in
Europas größtem Ballungsraum bereits eingestellt war. Es blieben
die Nachtbusse, die mich mit viel Gerumpel offenbar aus dem
letzten Loch pfeifend zurück in meine Gegend brachten, wo ich
dann doch erst gegen halb Zwei auf die durchgelegene Matratze
sank.
Vor 7 Uhr wurde ich bereits wach, und
nachdem ich mich sortiert hatte, machte ich einen Gang durch den
Kiez zum Karnaper Markt, um im Rewe was zum Frühstücken
einzukaufen. Eine ziemliche Geisterbahn der schrägen Gestalten
bot sich mir dort, die Bediensteten glänzten teilweise bereits
zu Beginn der Schicht mit feinst abgehangenem Schweißgeruch.
Nach der Stärkung in der noch einsamen Küche spazierte ich dann
durch viel Grün bei top Wetter in Richtung Nordsternpark. Gegen
High Noon ließ mich der Instinkt in Heiner's Biergarten
aufschlagen, wo die Buxtehuder bereits gutgelaunt am Tisch
saßen. Etwas später aber überraschend pünktlich tauchten auch
Christiane, Mohr und Lars auf, die große Runde war damit erstmal
komplett. Drei Weizen und diverse Metalklassiker aus der
Beschallungsanlage später wurde zum Aufbruch geblasen, obwohl ja
nur Neck Cemetery den Startschuss auf der Bühne gaben. Die
Truppe erwies sich auch bald als wenig erbaulich, alles klang
irgendwie gut gemeint aber nicht gekonnt. Zum Glück folgten mit
Sorcerer sogleich Garanten für großartigen Stadion-Doom, die
natürlich gleich mal drei Klassen höher spielten. Zwar wurde es
nicht der teilweise erwartete regelrechte Triumph, aber so früh
am Tag bei gleißendem Sonnenschein wäre dies vielleicht auch zu
viel verlangt gewesen. Fünf Songs schafften sie gerade mal in
der knapp bemessenen Spielzeit, geschmackvoll ausgewählt
immerhin, und schon auch ein starker Kurzgig.
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Anschließend gab's erste saure Radler
zur Pegelregulierung, eventuell auch bereits Kartoffelpuffer,
die zum Glück wieder eine vegane Rezeptur aufwiesen. Die
Aufschrift an der Verkaufsbude log nicht, die Patatenscheiben
mit Apfelmus sind einfach immer wieder die beste Grundlage für's
Festivalbier. Welches diesmal für Veltinsverhältnisse recht
süffig daherkam, womöglich bildete man es sich aber auch nur
ein, um den Preis von 5 Euro pro 0,4-Becher besser ertragen zu
können. Nifelheim bekamen wir nur aus der Ferne mit, was gar
nicht so übel klang, während wir uns im Bereich des
Guiness-Stands niederließen, auch wenn das permanente Gebimmel
der Trinkgeld-Glocke schnell zu nerven anfing. Gesellschaft
bekamen wir irgendwann vom einzig wahren Gonzo, der mittlerweile
als Halbbruder von Naevus-Uwe durchgehen könnte. Axxis wurden
weitgehend verpasst, was niemand wirklich bedauerte, während ich
zwischendurch zum Glück noch mein überschüssiges Ticket mit
ordentlich Rabatt losschlagen konnte. Nun ging's auf der Bühne
schon ans Eingemachte, mit Heathen legte die erste von zwei
thrashigen US-Veteranencombos los. Und das mit Schmackes in Form
von "The Blight" und "In Black" vom neuesten Album, die Gitarren
sägten gleich schön los. Einen ersten Höhepunkt bescherte uns
"Goblin's Blade", der nicht nur Mohr langsam in Wallung brachte.
Die Combo kann zum Glück aus 'ner Menge guter Songs auswählen,
viel brennt da nicht an. Trotzdem sind's wie immer die älteren
Klassiker, die einem dann wirklich das Herz aufgehen lassen. So
geschehen am Ende mit "Death By Hanging" und "Hypnotized",
geiler Scheiß! Hätte als i-Tüpfelchen auf eine knackige
Darbietung eigentlich nur noch "Breaking The Silence" gefehlt,
doch dieses Vergnügen blieb uns diesmal nicht vergönnt. Die
Meute war jetzt gut angeheizt und bereit für Sacred Reich, die
Boys waren zurück in der Stadt. Es ging schon gut los mit
"Divide & Conquer" und "American Way", und ich war nicht der
Einzige, der nun ziemlich in Fahrt kam. Ansatzweise bildete sich
unten ein Pit, Macke und Thymian tauchten auf, ein Surfer küsste
mich mit dem Ellenbogen. So hatte ich mir das auch vorgestellt
nach der langen Enthaltsamkeit. Die Setlist bildete eine gute
Mischung aus neuen Stücken und alten Klassikern, das passte
sogar noch besser als bei Heathen. Komisch nur, dass nach etwa
einer Stunde bei Phil Rind so langsam die Energie zu schwinden
schien. Hatte er sich beim Meditieren vor der Show zu sehr
verausgabt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls verabschiedeten sie
sich bereits nach etwa 70 Minuten, um anschließend immerhin noch
als "Zugabe" "Surf Nicaragua" rauszuhauen. Es roch etwas nach
Kurzarbeit, geil war's trotzdem. Den Heimweg bestritt ich
komischerweise allein, verlief mich kurz im Bereich der
vollgesperrten Fischerstraße, fand dann aber noch zurück zur
Bude, wie zum Glück auch der Rest der Gang. Fluffiger Freitag!
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Am Samstag wurde ohne jede Hast reihum
geduscht, zumindest teilweise gefrühstückt, bis ich Mohr schnell
überzeugt hatte, bei Monis Bierbude auf halbem Weg zum
Amphitheater einen kleinen Frühschoppen zu nehmen. Dort lief's
genau, wie wir es uns ausgemalt hatten: eine handvoll Stammgäste
saß schnackend im Grünen, die etwas abgelebte Wirtin hatte alles
im Griff, hin und wieder tauchte Laufkundschaft auf, die sich
mehrere Bierflaschen in die mitgebrachten Plastikbeutel packen
ließ. Thrash Altenessen ließ grüßen. Königsblaues Schnickedöns
vom örtlichen Zweitligaverein fehlte natürlich nicht als Deko,
zwei kühle Stauder mundeten bestens. Wir wären auch gern länger
geblieben, wollten aber rechtzeitig zu Indian Nightmare. Der
heutige Opener brachte eine brauchbare Mischung aus Thrash und
Heavy Metal, ließ sich gut an von den oberen Stufen aus.
Einprägsamster Songtitel: "Speed Metal Rock 'n' Roll".
Anschließend meldete sich schon wieder der Hunger,
Kartoffelpuffer mussten her. Wir trieben uns noch etwas an den
Ständen rum und verpassten blöderweise dadurch die Suicidal
Angels, verdammt, hätte ich ja schon gern gesehen. Immerhin
fanden wir uns dann rechtzeitig zu den Villagers Of Ioannina
City inmitten des Fußvolks ein, wo wir Zeugen eines großartigen
Auftritts wurden. Der monoton-verschleppte Beat passte gerade
genau in mein Anforderungsprofil, die Griechen groovten wie Sau.
Hätte ich mir womöglich noch zwei Stunden geben können, ich war
begeistert.
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Fix nen sauren Radler genommen, Regina
und Ludwig endlich auch getroffen, und dann ging's schon weiter
mit dem Kodex als nächstem Klopper. Zwei Stücke vom letzten
Album zum Warmwerden, gefolgt von drei "White Goddess" -
Klassikern, "The Atlantean Kodex" als Rausschmeißer, und schon
war das knappe Stündchen auch wieder vorbei. Einfach viel zu
kurz für 'ne Band von solch epischem Kaliber, ein ähnlicher Fall
wie bei Sorcerer. Trotzdem natürlich sehr amtlich. Mit Night
Flight Orchestra kann ich nach wie vor kaum etwas anfangen, die
Meute vor der Bühne sah's wie erwartet anders und polonaisierte
sich 'nen Wolf. Um Grave Digger aus dem Weg zu gehen, zogen wir
gegen 18 Uhr mit den Wöllstädtern nochmal zu Moni, um kurz zu
chillen. Beim entspannten Rumhocken beschlich mich eine doch
merkliche Müdigkeit, weswegen ich eine ca. zweistündige Auszeit
in der Waagerechten als sinnvoll erachtete. Flugs verabschiedete
ich mich gen Bettstatt, nicht ohne mit Lars bezüglich meines
baldigen Wiedererscheinens gewettet zu haben.
Überraschenderweise sollte er die Wette gewinnen, aus den
angestrebten zwei wurden gut drei Stunden. Beim jähen Erwachen
wurde mir schnell klar, das Spiel ist für heute gelaufen, von
Blind Guardian würde ich höchstens noch die Rückleuchten
erblicken können. So richtig tragisch war's jetzt nicht, ich
öffnete den Anderen später die Tür, und nahm noch mit Christiane
und Lars einen Absacker untermalt von old Metal Church aus dem
Smartphone-Speaker. Bald konnte ich die angefangene Nachtruhe
fortsetzen.
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Da ich heute sicherlich der
Ausgeschlafenste von uns war, ging ich auf eigene Faust zum
Gelände, wo noch eher wenig Betrieb herrschte, als Wolvespirit
zur Mittagsstunde loslegten. Die Anwesenden fingen sich aber
gleich eine ordentliche Portion positive Energie ein, die
hauptsächlich von Frontfrau Debbie ausging. Sie fand sichtlich
Gefallen an ihrer Rolle, und machte teils neckische Ansagen, die
zum Glück kaum peinlich wirkten. Der gut abgehangene Hardrock
trug sein Übriges zu einer gelungenen Opener-Show bei, die mit
einem ungewöhnlichen "You Spin Me Round" - Cover endete. Von
vorm Mischpult aus sah ich dann Sulphur Aeon einen wesentlich
schwefligeren Sound entfachen, während langsam der erwartete
Regen einsetzte. Zwar nicht ganz meine Kragenweite, klang die
Chose aber schon ganz kompetent. Meine drei Mitbewohner waren
inzwischen auch eingetroffen, zum Glück einigermaßen wasserfest
gekleidet. Erstmal wurde es aber wieder trockener, als Artillery
losrifften. Und es gab wirklich eine Menge Riffs, dafür sind die
Dänen schließlich bekannt. Genug vertraute Titel waren auch im
Set, hätte mir eigentlich gefallen müssen, aber so richtig warm
wurde ich damit heute nicht. Viel eher war das dann der Fall bei
Night Demon, deren unbändige Energie bis oben auf die Stufen
perlte. Das Trio haute einen Kracher nach dem nächsten raus, so
gut hatte ich sie noch nie gesehen. Kurz vor Schluss erst das
eher besinnliche "Darkness Remains", welches aber durchaus
Klassiker-Qualitäten hat. Nach wie vor ne geile Band mit starker
Wachstumsprognose. Anschließend schüttete es nochmal ordentlich,
wir suchten einigermaßen Schutz unterm Zeltdach, aber richtig
störend wurde das Wetter einfach nicht, dafür war die Laune zu
gut. Midnight zogen auch ganz gut vom Leder, instrumental gar
nicht so übermäßig weit von Night Demon entfernt, nur räudiger
und schmutziger, und mit komischen Komplettmasken. Auch ein
wiederum gelungener Auftritt. Das Wetter beruhigte sich nun
weitgehend, ohne auch nur halb so wild wie befürchtet geworden
zu sein. Wir ließen Michael Monroe unten zocken und gaben uns
oben den wie immer geistreichen Konversationen hin.
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Als eine Ansprache im Programm stand,
klang es plötzlich nach Sodom, und siehe da, Engelsrippchen gab
sich tatsächlich ein Stelldichein. Es handelte sich allerdings
nur um drei Songs im Rahmen irgendeinen Jubiläums, was uns nicht
weiter anfocht. Ganz anders zu guter Letzt Accept, die mit
"Zombie Apocalypse" standesgemäß loslegten, wir unten mitten im
Geschehen und gleich auf Betriebstemperatur. Nicht nur für mich
offensichtlich die genau richtige Band für den krönenden
Abschluss eines wunderbaren Festivals. Klassiker und starke
Nummern neueren Datums wechselten sich gut durchmischt ab, ohne
dass die Qualität merklich schwankte. Einzig "I'm A Rebel" als
Rausschmeißer fand ich nicht ganz so zwingend, dafür gab's davor
aber fast alles, was das Metalherz begehrte. Die Meute ging auch
nochmal richtig steil, Lars' Knie funktionierte plötzlich wieder
wie am ersten Tag, und der Vogel machte unfassbarerweise den
Surfer! Kaum zu glauben. Ich konnte mich seines Zugriffs so
gerade erwehren, Mohr hingegen musste dran glauben, und wand
sich eines nassen Embryonalsacks gleich über die Köpfe nach
vorn. Da ging echt was ab. Ich blieb auf dem Boden, brüllte mir
aber mit wildfremden Leuten den "Metal Heart" - Refrain voller
Inbrunst gegenseitig in die fauligen Mäuler, um die längst
überfällige Aktivierung des Immunsystems in die Wege zu leiten.
Herrlich alles. Anschließend nahm die Party nur langsam ein
Ende, es mussten schon die strengen Herren mit dem Flatterband
kommen, um uns zu vertreiben. Ein bisschen Resteessen am spät
entdeckten Veganstand war noch drin, vielleicht ein
abschließendes Bierchen und letzte intellektuell hochtrabende
Fachgespräche, bis ich diesmal mit Mohr den Heimweg in Angriff
nahm. Christiane hatte zum Glück auch schon zurückgefunden,
musste ich nur noch dem laut pfeifend die Treppe hochkommenden
Lars die Tür öffnen, so dass geordnete Bettruhe eingeläutet
werden konnte. Der ganz normale Wahnsinn konnte endlich wieder
über die Bühne gehen, wat war's schön!
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