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Rock Hard Festival

Gelsenkirchen, Amphitheater, 03. - 05.06.2022

Vor wenigen Monaten schien es noch weitgehend ungewiss, ob es mit dem RHF nach zwei Jahren Zwangspause wohl wieder was werden würde. Nun macht die pandemische Spaßverbotspolitik diesen Sommer zum Glück eine Pause, wodurch wir zumindest einige der angehäuften Tickets endlich ihrer Bestimmung zuführen dürfen.

Es gab denn auch im Vorfeld vernünftigerweise keinerlei Ansagen bezüglich irgendwelcher einzuhaltenden Sonderregeln, so dass es am Pfingstwochenende standesgemäß hieß: O'zapft is!

 

Donnerstag/Freitag

Die Unterkunft hatte ich auf gut Glück irgendwann im Winter gebucht, zwecks Bequemlichkeit ab Donnerstag. Taina musste kurzfristig wegen Krankheit absagen, die restlichen Drei wollten erst ab Freitag, also machte ich die Solo-Vorhut und bestieg am Nachmittag die Regionalbahn. Dank 9-Euro-Ticket war die Anreise fast geschenkt, im Zug von Kassel nach Düsseldorf wurde es allerdings teilweise ziemlich voll. Ich wich in die 1. Klasse aus und erfreute mich an den launigen Ansagen eines Mülli-Verschnitts als Zugbegleiter. Nach einer letzten Etappe mit der Essener U-Bahn latschte ich zur geräumigen Monteurswohnung in bester Lage und suchte mir eins der vier Zimmer aus. Der Abend war bereits nicht mehr ganz jung, weswegen ich mich sogleich wieder in entgegengesetzter Richtung zum Café Nord in Bewegung setzte, um im adäquaten Ambiente ein bisschen was zu mir zu nehmen. Das nette Bediengirlie gab sich viel Mühe, die paar Gäste bei Laune zu halten, die Pasta Jambalaya nebst kühlem Stauder mundete wie zu besten Zeiten. Allzu spät wollte ich es an diesem Vorabend nicht werden lassen, also schlenderte ich um kurz vor Mitternacht zurück zur Bahnstation um festzustellen, dass der reguläre Verkehr in Europas größtem Ballungsraum bereits eingestellt war. Es blieben die Nachtbusse, die mich mit viel Gerumpel offenbar aus dem letzten Loch pfeifend zurück in meine Gegend brachten, wo ich dann doch erst gegen halb Zwei auf die durchgelegene Matratze sank.

Vor 7 Uhr wurde ich bereits wach, und nachdem ich mich sortiert hatte, machte ich einen Gang durch den Kiez zum Karnaper Markt, um im Rewe was zum Frühstücken einzukaufen. Eine ziemliche Geisterbahn der schrägen Gestalten bot sich mir dort, die Bediensteten glänzten teilweise bereits zu Beginn der Schicht mit feinst abgehangenem Schweißgeruch. Nach der Stärkung in der noch einsamen Küche spazierte ich dann durch viel Grün bei top Wetter in Richtung Nordsternpark. Gegen High Noon ließ mich der Instinkt in Heiner's Biergarten aufschlagen, wo die Buxtehuder bereits gutgelaunt am Tisch saßen. Etwas später aber überraschend pünktlich tauchten auch Christiane, Mohr und Lars auf, die große Runde war damit erstmal komplett. Drei Weizen und diverse Metalklassiker aus der Beschallungsanlage später wurde zum Aufbruch geblasen, obwohl ja nur Neck Cemetery den Startschuss auf der Bühne gaben. Die Truppe erwies sich auch bald als wenig erbaulich, alles klang irgendwie gut gemeint aber nicht gekonnt. Zum Glück folgten mit Sorcerer sogleich Garanten für großartigen Stadion-Doom, die natürlich gleich mal drei Klassen höher spielten. Zwar wurde es nicht der teilweise erwartete regelrechte Triumph, aber so früh am Tag bei gleißendem Sonnenschein wäre dies vielleicht auch zu viel verlangt gewesen. Fünf Songs schafften sie gerade mal in der knapp bemessenen Spielzeit, geschmackvoll ausgewählt immerhin, und schon auch ein starker Kurzgig.

Anschließend gab's erste saure Radler zur Pegelregulierung, eventuell auch bereits Kartoffelpuffer, die zum Glück wieder eine vegane Rezeptur aufwiesen. Die Aufschrift an der Verkaufsbude log nicht, die Patatenscheiben mit Apfelmus sind einfach immer wieder die beste Grundlage für's Festivalbier. Welches diesmal für Veltinsverhältnisse recht süffig daherkam, womöglich bildete man es sich aber auch nur ein, um den Preis von 5 Euro pro 0,4-Becher besser ertragen zu können. Nifelheim bekamen wir nur aus der Ferne mit, was gar nicht so übel klang, während wir uns im Bereich des Guiness-Stands niederließen, auch wenn das permanente Gebimmel der Trinkgeld-Glocke schnell zu nerven anfing. Gesellschaft bekamen wir irgendwann vom einzig wahren Gonzo, der mittlerweile als Halbbruder von Naevus-Uwe durchgehen könnte. Axxis wurden weitgehend verpasst, was niemand wirklich bedauerte, während ich zwischendurch zum Glück noch mein überschüssiges Ticket mit ordentlich Rabatt losschlagen konnte. Nun ging's auf der Bühne schon ans Eingemachte, mit Heathen legte die erste von zwei thrashigen US-Veteranencombos los. Und das mit Schmackes in Form von "The Blight" und "In Black" vom neuesten Album, die Gitarren sägten gleich schön los. Einen ersten Höhepunkt bescherte uns "Goblin's Blade", der nicht nur Mohr langsam in Wallung brachte. Die Combo kann zum Glück aus 'ner Menge guter Songs auswählen, viel brennt da nicht an. Trotzdem sind's wie immer die älteren Klassiker, die einem dann wirklich das Herz aufgehen lassen. So geschehen am Ende mit "Death By Hanging" und "Hypnotized", geiler Scheiß! Hätte als i-Tüpfelchen auf eine knackige Darbietung eigentlich nur noch "Breaking The Silence" gefehlt, doch dieses Vergnügen blieb uns diesmal nicht vergönnt. Die Meute war jetzt gut angeheizt und bereit für Sacred Reich, die Boys waren zurück in der Stadt. Es ging schon gut los mit "Divide & Conquer" und "American Way", und ich war nicht der Einzige, der nun ziemlich in Fahrt kam. Ansatzweise bildete sich unten ein Pit, Macke und Thymian tauchten auf, ein Surfer küsste mich mit dem Ellenbogen. So hatte ich mir das auch vorgestellt nach der langen Enthaltsamkeit. Die Setlist bildete eine gute Mischung aus neuen Stücken und alten Klassikern, das passte sogar noch besser als bei Heathen. Komisch nur, dass nach etwa einer Stunde bei Phil Rind so langsam die Energie zu schwinden schien. Hatte er sich beim Meditieren vor der Show zu sehr verausgabt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls verabschiedeten sie sich bereits nach etwa 70 Minuten, um anschließend immerhin noch als "Zugabe" "Surf Nicaragua" rauszuhauen. Es roch etwas nach Kurzarbeit, geil war's trotzdem. Den Heimweg bestritt ich komischerweise allein, verlief mich kurz im Bereich der vollgesperrten Fischerstraße, fand dann aber noch zurück zur Bude, wie zum Glück auch der Rest der Gang. Fluffiger Freitag!

Samstag

Am Samstag wurde ohne jede Hast reihum geduscht, zumindest teilweise gefrühstückt, bis ich Mohr schnell überzeugt hatte, bei Monis Bierbude auf halbem Weg zum Amphitheater einen kleinen Frühschoppen zu nehmen. Dort lief's genau, wie wir es uns ausgemalt hatten: eine handvoll Stammgäste saß schnackend im Grünen, die etwas abgelebte Wirtin hatte alles im Griff, hin und wieder tauchte Laufkundschaft auf, die sich mehrere Bierflaschen in die mitgebrachten Plastikbeutel packen ließ. Thrash Altenessen ließ grüßen. Königsblaues Schnickedöns vom örtlichen Zweitligaverein fehlte natürlich nicht als Deko, zwei kühle Stauder mundeten bestens. Wir wären auch gern länger geblieben, wollten aber rechtzeitig zu Indian Nightmare. Der heutige Opener brachte eine brauchbare Mischung aus Thrash und Heavy Metal, ließ sich gut an von den oberen Stufen aus. Einprägsamster Songtitel: "Speed Metal Rock 'n' Roll". Anschließend meldete sich schon wieder der Hunger, Kartoffelpuffer mussten her. Wir trieben uns noch etwas an den Ständen rum und verpassten blöderweise dadurch die Suicidal Angels, verdammt, hätte ich ja schon gern gesehen. Immerhin fanden wir uns dann rechtzeitig zu den Villagers Of Ioannina City inmitten des Fußvolks ein, wo wir Zeugen eines großartigen Auftritts wurden. Der monoton-verschleppte Beat passte gerade genau in mein Anforderungsprofil, die Griechen groovten wie Sau. Hätte ich mir womöglich noch zwei Stunden geben können, ich war begeistert.

Fix nen sauren Radler genommen, Regina und Ludwig endlich auch getroffen, und dann ging's schon weiter mit dem Kodex als nächstem Klopper. Zwei Stücke vom letzten Album zum Warmwerden, gefolgt von drei "White Goddess" - Klassikern, "The Atlantean Kodex" als Rausschmeißer, und schon war das knappe Stündchen auch wieder vorbei. Einfach viel zu kurz für 'ne Band von solch epischem Kaliber, ein ähnlicher Fall wie bei Sorcerer. Trotzdem natürlich sehr amtlich. Mit Night Flight Orchestra kann ich nach wie vor kaum etwas anfangen, die Meute vor der Bühne sah's wie erwartet anders und polonaisierte sich 'nen Wolf. Um Grave Digger aus dem Weg zu gehen, zogen wir gegen 18 Uhr mit den Wöllstädtern nochmal zu Moni, um kurz zu chillen. Beim entspannten Rumhocken beschlich mich eine doch merkliche Müdigkeit, weswegen ich eine ca. zweistündige Auszeit in der Waagerechten als sinnvoll erachtete. Flugs verabschiedete ich mich gen Bettstatt, nicht ohne mit Lars bezüglich meines baldigen Wiedererscheinens gewettet zu haben. Überraschenderweise sollte er die Wette gewinnen, aus den angestrebten zwei wurden gut drei Stunden. Beim jähen Erwachen wurde mir schnell klar, das Spiel ist für heute gelaufen, von Blind Guardian würde ich höchstens noch die Rückleuchten erblicken können. So richtig tragisch war's jetzt nicht, ich öffnete den Anderen später die Tür, und nahm noch mit Christiane und Lars einen Absacker untermalt von old Metal Church aus dem Smartphone-Speaker. Bald konnte ich die angefangene Nachtruhe fortsetzen.

Sonntag

Da ich heute sicherlich der Ausgeschlafenste von uns war, ging ich auf eigene Faust zum Gelände, wo noch eher wenig Betrieb herrschte, als Wolvespirit zur Mittagsstunde loslegten. Die Anwesenden fingen sich aber gleich eine ordentliche Portion positive Energie ein, die hauptsächlich von Frontfrau Debbie ausging. Sie fand sichtlich Gefallen an ihrer Rolle, und machte teils neckische Ansagen, die zum Glück kaum peinlich wirkten. Der gut abgehangene Hardrock trug sein Übriges zu einer gelungenen Opener-Show bei, die mit einem ungewöhnlichen "You Spin Me Round" - Cover endete. Von vorm Mischpult aus sah ich dann Sulphur Aeon einen wesentlich schwefligeren Sound entfachen, während langsam der erwartete Regen einsetzte. Zwar nicht ganz meine Kragenweite, klang die Chose aber schon ganz kompetent. Meine drei Mitbewohner waren inzwischen auch eingetroffen, zum Glück einigermaßen wasserfest gekleidet. Erstmal wurde es aber wieder trockener, als Artillery losrifften. Und es gab wirklich eine Menge Riffs, dafür sind die Dänen schließlich bekannt. Genug vertraute Titel waren auch im Set, hätte mir eigentlich gefallen müssen, aber so richtig warm wurde ich damit heute nicht. Viel eher war das dann der Fall bei Night Demon, deren unbändige Energie bis oben auf die Stufen perlte. Das Trio haute einen Kracher nach dem nächsten raus, so gut hatte ich sie noch nie gesehen. Kurz vor Schluss erst das eher besinnliche "Darkness Remains", welches aber durchaus Klassiker-Qualitäten hat. Nach wie vor ne geile Band mit starker Wachstumsprognose. Anschließend schüttete es nochmal ordentlich, wir suchten einigermaßen Schutz unterm Zeltdach, aber richtig störend wurde das Wetter einfach nicht, dafür war die Laune zu gut. Midnight zogen auch ganz gut vom Leder, instrumental gar nicht so übermäßig weit von Night Demon entfernt, nur räudiger und schmutziger, und mit komischen Komplettmasken. Auch ein wiederum gelungener Auftritt. Das Wetter beruhigte sich nun weitgehend, ohne auch nur halb so wild wie befürchtet geworden zu sein. Wir ließen Michael Monroe unten zocken und gaben uns oben den wie immer geistreichen Konversationen hin.

Als eine Ansprache im Programm stand, klang es plötzlich nach Sodom, und siehe da, Engelsrippchen gab sich tatsächlich ein Stelldichein. Es handelte sich allerdings nur um drei Songs im Rahmen irgendeinen Jubiläums, was uns nicht weiter anfocht. Ganz anders zu guter Letzt Accept, die mit "Zombie Apocalypse" standesgemäß loslegten, wir unten mitten im Geschehen und gleich auf Betriebstemperatur. Nicht nur für mich offensichtlich die genau richtige Band für den krönenden Abschluss eines wunderbaren Festivals. Klassiker und starke Nummern neueren Datums wechselten sich gut durchmischt ab, ohne dass die Qualität merklich schwankte. Einzig "I'm A Rebel" als Rausschmeißer fand ich nicht ganz so zwingend, dafür gab's davor aber fast alles, was das Metalherz begehrte. Die Meute ging auch nochmal richtig steil, Lars' Knie funktionierte plötzlich wieder wie am ersten Tag, und der Vogel machte unfassbarerweise den Surfer! Kaum zu glauben. Ich konnte mich seines Zugriffs so gerade erwehren, Mohr hingegen musste dran glauben, und wand sich eines nassen Embryonalsacks gleich über die Köpfe nach vorn. Da ging echt was ab. Ich blieb auf dem Boden, brüllte mir aber mit wildfremden Leuten den "Metal Heart" - Refrain voller Inbrunst gegenseitig in die fauligen Mäuler, um die längst überfällige Aktivierung des Immunsystems in die Wege zu leiten. Herrlich alles. Anschließend nahm die Party nur langsam ein Ende, es mussten schon die strengen Herren mit dem Flatterband kommen, um uns zu vertreiben. Ein bisschen Resteessen am spät entdeckten Veganstand war noch drin, vielleicht ein abschließendes Bierchen und letzte intellektuell hochtrabende Fachgespräche, bis ich diesmal mit Mohr den Heimweg in Angriff nahm. Christiane hatte zum Glück auch schon zurückgefunden, musste ich nur noch dem laut pfeifend die Treppe hochkommenden Lars die Tür öffnen, so dass geordnete Bettruhe eingeläutet werden konnte. Der ganz normale Wahnsinn konnte endlich wieder über die Bühne gehen, wat war's schön!

 

Tofukeule, August 2022
RHF-Schoten 

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