Schlaflos in SliemaMalta Doom Metal Festival 2012 |
Nachdem ich bereits 2011 erfolglos die fixe Idee verfolgt hatte, das Malta Doom Metal Festival zu besuchen, sollte es nun tatsächlich klappen. Mit Stefan hatte ich einen Mitstreiter gefunden, der die halbwegs abenteuerlich anmutende Tour mitmachen wollte. Durch seinen im Reisebüro angestellten Kumpel Frankie fanden wir bald heraus, dass die Buchung von Flug und Hotel zusammen für eine ganze Woche Aufenthalt die günstigste Option war. Gesagt, getan. |
Dienstag/Mittwoch, 30./31. Oktober Am Vorabend tuckere ich zu Stefan nach Wickede, pünktlich zum Urlaubsstart mit einer amtlichen Erkältung im Gepäck. Bei einer interessanten Doku über den schwulen Modeschöpfer Gaahl sowie Berichten zur aktuellen DFB-Pokal-Runde bringen wir die letzten Stunden auf heimischem Terrain kurzweilig hinter uns. Am anderen Morgen geht es mit dem Auto zum Flughafen nach Düsseldorf, wo nach leichten Problemen beim Auffinden des gebuchten Parkplatzes ansonsten alles reibungslos verläuft. Okay, Stefan erregt wohl etwas zu viel Verdacht und muss beim Sicherheitscheck seine Schuhe ausziehen. Dann sitze ich mit knapp über Ende 30 also zum ersten Mal in einem handelsüblichen Flugzeug. Meine Aufregung hält sich trotzdem in Grenzen, auch wenn sich das Ganze bisweilen schon etwas seltsam anfühlt. Bereits in der Luft darf ich erste Bekanntschaft mit einem maltesischen Cisk Lager machen, das überraschend gut mundet. Nach einer holprigen Landung empfangen uns feuchtwarme Winde. So ist das also, wenn man vom Winter auf die Schnelle in den Sommer fliegt, gut auszuhalten. Beim Einchecken der nächste Schlag für meinen Kompagnon: Die Dame an der Rezeption erkennt sofort seine deutsche Herkunft. Was soll's, das war ja auch nicht so schwer zu erraten. In unserem Sparzimmer empfängt uns drückende Wärme. Wie soll man da nur pennen? Immerhin gibt es eine Gerätschaft zum Abkühlen der Luft. Besonderen Eindruck schindet sofort der "Innenhof of Doom", in den unser Mini-Balkon mündet. Drei Meter zum Quadrat erstrecken sich schachtartig über mehrere Etagen gen maltesischen Himmel. Unser erster Erkundungsgang führt uns an der verkehrsreichen Uferstraße entlang, vorbei an dutzenden Lokalen und kleinen Läden. Wie sich das für's dichtbesiedeltste Land Europas gehört, sind ne Menge Leute unterwegs, aber die Szenerie wirkt weitgehend entspannt. So sollte es zum Glück auch bleiben. Uns verschlägt es ausgerechnet in eine Mall, wie sie es genauso in Wuppertal oder Landshut geben könnte. Aber wir wollen ja auch Grundbedarf für die nächsten Tage einkaufen.
Innenhof of Doom Anschließend gehen wir im Regen durch enge Straßen und suchen eins der Restaurants meiner schlauen Liste auf. Das Personal hat keinen Schimmer von veganen Speisen, ich muss genau erklären, was ich will. Heraus kommt eine eher unleckere Pizza mit hart gebackenem Boden und monströsen dunklen Pilzen als Belag. Es schmeckt mir nicht, ich lasse recht viel übrig. Das kann ja heiter werden mit dem Essen! Stefans vegetarische Ansprüche werden aber locker erfüllt. Wir lassen den Abend ausklingen in einer gut besuchten Kneipe bei Livemucke und Lagerbier, wobei Stefans Kilkenny die eindeutig schlechtere Wahl ist, denn die Plörre schmeckt wohl wie tags zuvor gezapft. In der Lobby unseres Hotels werden wir von Tony Mifsud empfangen, einem Alleinunterhalter, der sich selbst am Keyboard begleitend unsterbliche Klassiker wie "Hello Mary Lou" zum Besten gibt. Wir tun uninteressiert und setzen uns für ne Weile auf ein Sofa, um uns das bizarre Schauspiel reinzuziehen, wie der Typ vor sich hin musiziert, ohne dass jemand Notiz zu nehmen scheint. Leider bekommen wir von den weiteren Stammentertainern, die hier regelmäßig ihr Unwesen treiben, im Lauf der Woche nichts mehr mit. Zurück im Zimmer scheint sich eine Show unten auf der anderen Seite des Innenhofs anzubahnen, wo ein Typ nackt auf dem Bett rumliegt, während eine andere Person sich anschickt, ihn irgendwie zu bearbeiten. So richtig in Gang kommt die Veranstaltung jedoch nicht, so dass ich mich bald gelangweilt abwende. Pennen kann ich nachts wie erwartet kaum wegen Wärme, Erkältung und zu heftiger Geräuschkulisse. Dies sollte sich während des ganzen Aufenthalts auch nicht mehr bessern, weswegen ich schlaftechnisch eigentlich noch einen Extraurlaub hätte dranhängen müssen.
Donnerstag, 1. November Ab jetzt bessert sich das Wetter nachhaltig: Der Regen hat aufgehört, es wird immer sonniger bei Temperaturen über 20 °C, echt angenehm. Heute das erste Frühstück im Hotel, wir bedienen uns am Buffet zusammen mit den anderen meist uninteressanten Touris. Doomiges Volk ist nicht zu erspähen. Einzig unterhaltsam ist ein leicht schräg anmutender Brite, den Stefan bald "Bean" tauft, da dieser Züge des gleichnamigen Komikers aufweist, auch wenn die riesige Brille nicht ganz ins Anforderungsprofil passt. Ansonsten fällt ein paar Tage später noch eine Horde testosteron-gestählter Sportler aus dem Baltikum auf, die so ziemlich alles in sich hineinschaufeln, das nach einer nennenswerten Menge Kalorien aussieht. Da werden dann auch gern die Marmeladendöschen pur ausgelöffelt. Wären die Typen länger geblieben, hätte das Hotel wohl bald Konkurs anmelden müssen. Meine Korrespondenz im Vorfeld stellt sich bald als wirkungslos heraus, denn für Veganer ist nicht viel angerichtet. Immerhin bekomme ich täglich mein Extrakännchen Sojamilch, womit ich das Müsli aufschlämme. Dazu wird Obstsalat gereicht sowie selbst mitgebrachtes Brot mit ebensolchem Aufstrich. Später wage ich mich noch an die gebackenen Bohnen, die sich nach anfänglichem Widerwillen als kompatible Eiweißquelle am Morgen erweisen.
Heute machen wir nen Ausflug in die Hauptstadt Valetta, die fast an unsere "Heimat" Sliema angrenzt. Trotzdem testen wir das maltesische Bussystem, das sich als nicht unbedingt leicht durchschaubar herausstellt. Aber billig ist es, für läppische 2,60 Euro kann man den ganzen Tag über die Insel düsen. Die Kapitale ist recht klein ausgefallen, wir haben sie schnell zu Fuß durchquert. Schmale, rechtwinklig angeordnete Gassen durchziehen die Stadt und enden praktisch immer am Meer. Drumherum ziehen sich Mauern und Befestigungsanlagen, sieht hübsch aus. Der große Graben, der die Stadt einst zusätzlich schützen sollte, ist von Baugerätschaften vollgestellt und teilweise gesperrt, so dass wir unseren geplanten Gang hindurch leider nicht umsetzen können. Fort St. Elmo kann man auch nicht besichtigen. Also gehen wir ins National War Museum, wo wir einiges über die oft unter Kriegen leidende Inselgruppe erfahren. Besonders unsere Vorfahren taten sich einst durch üppige Bombardierung hervor. Trotzdem haben die Nazis es nicht geschafft, Malta zu besetzen. Den Blödsinn lassen wir in Zukunft eh mal sein. Nach Stunden des Rumlaufens und -stehens sind wir ziemlich im Eimer und steigen wieder in den Bus, der sich im Schneckentempo durch die überfüllten Straßen schleppt.
Wenig später, es ist bereits früher Abend, machen wir uns auf den Weg zum V-Gen in der Nachtleben-Hochburg St. Julians, wo eine Release-Party der Schwedendoomer Void Moon auf dem Plan steht. Vorher machen wir aber noch halt im Parapett, wo uns nicht nur eine schnittige Bedienung sondern auch eine Speisekarte empfängt, die ein ausgewiesen veganes Gericht bereithält. Das Linguine-Mahl schmeckt auch tatsächlich richtig lecker, ich bin begeistert. Weniger begeisternd ist anschließend die Tatsache, dass wir den besagten Club nicht finden können. Selbst ein örtlicher Taxifahrer ist ziemlich ahnungslos, erheitert uns aber immerhin mit der Frage: "Is it a gay club?" Nach längerer Odysse kommen wir doch noch an und stellen fest, dass wir vom Restaurant aus eigentlich nur ums Eck hätten gehen müssen. Nun ja. Im V-Gen gönnen wir uns einige Lager, auch Stefan, der laut eigener Aussage sonst eigentlich nur "Mädchen-Bier" trinkt. In den nächsten Tagen macht entsprechend die Mär vom Lagerkoller die Runde. Die meiste Zeit im Club halten wir uns an der Theke fest, hören nen ziemlich coolen Mix großer Doom-Klassiker und natürlich die neue Scheibe der besagten Schweden. Außerdem klingt es so, als würde zwischendurch ein aufgezeichnetes Interview über die Anlage laufen, sehr bizarr. Ein Teil der Band scheint auch anwesend zu sein, aber es bleibt insgesamt sehr überschaubar und man hat nicht den Eindruck, es würde sich dort großartig jemand auf's Festival einstimmen außer vielleicht der allgegenwärtige Forsaken-Leo. Trotzdem kriegen wir den Abend entspannt rum und landen irgendwann wieder in unserem warmen, lauten Zimmer.
Freitag, 2. November
Nach dem Frühstück steigen wir uns aufs Dach, um den dortigen Pool zu inspizieren, den Ausblick zu genießen und ein bisschen zu gammeln. Später lassen wir uns vom erstbesten Tourifänger an der Strandpromenade Tickets für eine Hafenrundfahrt verscherbeln. Das schönste Sightseeingschiff haben wir nicht gerade erwischt, aber der Ausflug durch zig Buchten des Grand Harbour wird trotzdem ziemlich beeindruckend. Immerhin tuckern wir dabei ja durch die beiden größten Naturhäfen des Mittelmeers. Bevor es am Abend mit dem Festival losgeht, landen wir aber noch einen glücklichen Zufallstreffer. In der Nähe unserer Shuttle-Haltestelle stolpern wir ins Mint, wo uns als vegan deklarierte Lasagne anlacht. Bingo! Ein Angestellter hat sogar voll den Durchblick und erklärt mir, was ich eventuell sonst noch essen könnte. Wir entscheiden uns aber beide für die Garfield-Leibspeise, die in diesem Fall von Polentaschichten umgeben ist. Sehr lecker! So gestärkt warten wir vorm Europa Hotel zusammen mit anderen Festivalbesuchern und einigen Musikern auf unseren Transport, für den wir uns im Vorfeld angemeldet haben. Dann sitzen wir in einem engen Kleinbus, der sich seinen Weg durch ebensolche Straßen bahnt. Nach etwa einer halben Stunde kommen wir tatsächlich in eine als eher ländlich zu bezeichnende Gegend, und schließlich fahren wir auf einem besseren Feldweg auf eine bewaldete Fläche zu.
Wir sind am Buskett Road House, eine Art Ausflugslokal im Hinterland. Es ist bereits früher Abend, und um die Heimstatt des Festivals herum gähnt die Dunkelheit. Nach dem bisher ständig belebten Umfeld der letzten zwei Tage mutet die Szenerie schon ziemlich obskur an. Außerhalb des Gebäudes befinden sich einige Sitzgruppen, die meist gut frequentiert sind, sowie zwei Verkaufsstände. Am einen graviert ein Typ live gewöhnliche Glaskrüge mit Bandlogos von mehrheitlich doomkompatiblen Acts. Am anderen bietet jemand billigst wirkende Souvenirs feil, wobei man sich fragt, wer das auf einem solchen Festival kaufen soll. Von uns wurde an beiden Tagen auch kein ernsthafter Interessent gesichtet. Im Innern ist es recht geräumig. Maximal knapp 200 Nasen tummeln sich dort heute zur Stoßzeit, anderntags sind es eher weniger. Man hat also nicht den Eindruck, dass es in Malta nur so von Doomfreaks wimmelt.
Griffin Device
Iron Void Immerhin gibt es hier mehrere Bands dieser Spielart wie Griffin Device, die gegen 8 Uhr das Festival eröffnen. Der gelungene Mix diverser klassischer Zitate plus eigener songschreiberischer Fähigkeiten treibt Stefan und mich gleich anschließend zum Merchstand, wo wir aber nur zu hören kriegen, dass trotz mehrjährigen Bestehens erst in nächster Zeit mit einem Tonträger zu rechnen sei. Da kann man dann wohl ein äußerst ausgereiftes Debüt erwarten, das ja vielleicht pünktlich zum anberaumten DSR-Auftritt fertig ist. Es folgt ein weiteres Trio, Iron Void, dem man in diesem Fall seine britische Herkunft deutlich anhört. Traditioneller Doom mit gewissem Kauzeinschlag ertönt und läuft uns richtig gut in die Gehörgänge. Da hatte der Eindruck vom vorherigen Reinhören also nicht getäuscht, zumal man die eine oder andere Melodie bereits wiedererkennt. "Spell Of Ruin", ein aufgemotztes Demo, wird sogleich erstanden und soll in den kommenden Wochen des Öfteren rotieren. Bei Hooded Priest ist der Name Programm, denn Sänger "Finlay" erscheint in Robe mit extra großer Kapuze. Als er sein Haupt schließlich entblößt und sein lichtes Haupthaar schüttelt, erkennt man, dass er bereits bei Iron Void vor der Bühne abgerockt hat. Ein weiterer Hingucker ist der Kontrabassist, dessen Gesichtsausdruck vermuten lässt, dass er frisch aus der geschlossenen Anstalt geholt wurde. So imposant die Holländer optisch wirken, musikalisch können sie nicht wirklich überzeugen. Es kommt ein leider eher uninspiriertes Geschrubbe aus den Speakern, das nach ein paar Songs beginnt, gediegen zu langweilen.
Hooded Priest Also guck ich auf ein Zwischenlager an der Theke vorbei, wo die Bediensteten selten überfordert werden. Und das, obwohl das Standardbier in mickrigen Viertelliterflaschen geliefert wird, die nach wenigen Schlucken schon schnell zur Neige gehen. Unsere Schlagzahl bleibt eh sehr gemäßigt, so dass wir an beiden Festivaltagen bis zum späten Ende jeweils völlig ansprechbar bleiben. Musikalisch geht es weiter mit den Local Heroes von Forsaken, die für einigen Betrieb vor der Bühne sorgen. Mit einem halbwegs ausgewogenen Mix ihres bisherigen Schaffens bei knacktighter Darbietung lässt es sich aber auch kaum vermeiden, nicht wenigstens dauergrinsend in den Bann gezogen zu werden. Frontderwisch Leo scheint mit zunehmendem Alter immer noch agiler zu werden und geht ab wie ein gleitgecremtes Zäpfchen. Sehr geiler Auftritt des gefühlten Headliners. Anschließend bekommen wir das ziemliche Gegenteil an Aktionsradius auf den Brettern zu sehen. Evadne deathdoomen angewurzelt wie die Trauerweiden durch ihren Set. Das mag für manche zu langweilig rüberkommen, jedenfalls ist Stefan gar nicht begeistert. Mir aber gefällt der verzweifelte Soundtrack richtig gut, so dass ich kurzerhand alle drei CDs der Spanier verhafte. Das letzte Album "The Shortest Way" ist Freunden von Officium Triste oder The 11th Hour auch uneingeschränkt zu empfehlen.
Forsaken
Evadne Nun ist die Geisterstunde längst vorüber, als sich der letzte Act The Black bereit macht. Der Soundcheck zieht sich in die Länge und so langsam kehrt Müdigkeit ein. Aber vielleicht verbreitet die italienische Kultcombo ja einen ordentlichen Weckruf. Als es endlich losgeht, fragt man sich, ob man kurzerhand in einen Monty Python - Film gerutscht ist. Am Bass gibt allerdings der noch nicht ganz so alte Gerard Depardieu den DeMaio, während Maestro Di Donato zur Linken gleichzeitig auf der Klampfe gniedelt und zahnlos-verschrobene Vocals zum Besten gibt. Zwei Songs lang hab ich Hoffnung, dass mir gleich ein Licht aufgeht und ich plötzlich verstehe, was das gewisse Etwas ist. Aber bald schon gucken wir uns nur noch mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Verzweiflung an und lachen hin und wieder irre. Welch seltsame Truppe. Was spielen die da? Doom sicher nicht, Metal auch nicht. Es ist irgendein kauziges Gedudel, dessen Botschaft uns völlig verschlossen bleibt. Wahrscheinlich verstehen es nur wenige Auserwählte, denn einige Besucher scheinen tatsächlich etwas mit dem Schrott anfangen zu können. Unglaublich. Die Typen wollen auch gar nicht mehr aufhören, etliche Besucher sehnen sich offensichtlich schon sehr nach ihren Betten, so dass es weit nach 3 ist, als die Veranstaltung endlich beschlossen wird. Schon gemein, wenn man nur per Shuttle nach Hause kommt. Als wir unser Hotel erreichen, es muss gegen 5 sein, sind die Straßen menschenleer und der Nachtportier muss erst wachgeklingelt werden - doch aus dem Innenhof tönt lärmiges Geklöne.
The Black |
Samstag, 3. November Wenige Stunden später stehen wir schon wieder auf, um noch Frühstück zu bekommen, nehmen danach aber gleich wieder eine längere Auszeit, um Kraft für den zweiten Festivaltag zu tanken. Weil es so gut war, genehmigen wir uns auch heute wieder die Lasagne im Mint, bevor wir in die maltesische Pampa chauffiert werden. Da noch etwas Zeit ist, drehe ich eine Runde durch die Buskett Gardens. Hier ist tatsächlich sowas wie ne grüne Lunge mit vielen Bäumen, Wald- und Parkabschnitten. Es dämmert langsam, einige Familien beenden wohl gerade ihren Samstagsausflug, da brechen vom Roadhouse her die Höllensounds über sie herein. Die grüne Idylle wird von Oblique Visions' growligen Klängen geflutet. Auf mich wirkt es wie der Weckruf, mich doch gefälligst im Club einzufinden.
Oblique Visions Empfangen werde ich von der Meldung, dass Sorcerer nicht da sind, weil sie wohl ihren Flug verpasst haben. Na toll! In Schweden grassiert das Cancelmass-Virus anscheinend fröhlich weiter. Vielleicht haben es einige schon gewusst und bleiben heute fern, jedenfalls sind die Reihen noch sehr licht, als die einheimische Band einzuheizen versucht. Besonders überzeugen können mich Oblique Visions nicht, aber Stefan erwirbt anschließend das bisher einzige Album aus dem Jahr '95. Danach versuchen die Children Of Doom, es besser zu machen. Die Performance des Trios aus Lille sorgt auch tatsächlich für viel Heiterkeit, denn gerade Sänger/Gitarrist B.B.F. ist ein Schrat vor dem Herrn. Der Typ schneidet Grimassen ohne Ende, während er sich windet und krümmt, um mit maximalem Einsatz für Eindruck zu sorgen. Dazu stammelt er zwischen den Songs Ansagen in bruchstückhaftem Franzosen-Englisch und lässt die Rotweinflasche rumgehen. Sehr putzig. Die Mucke ist nichts besonderes, lässt sich aber als Untermalung zum Mummenschanz gut ertragen.
Children Of Doom
It Came From The Desert Anschließend ist wohl wieder ne heimische Truppe dran. It Came From The Desert tragen die Wüste nicht nur im Namen sondern auch auf den Stimmbändern ihres Frontkehlchens. Der Mann gibt sich alle Mühe, nach regelmäßigem Whiskeykonsum zu klingen und gebärdet sich wie einer der größten Machos Maltas. Down light. Schlecht ist das nicht, trifft aber höchstens peripher meinen Geschmacksnerv. Dann schauen wir doch mal, ob die Italiener Tethra endlich den ersten Glanzpunkt des Tages setzen können. Death/Doom, dunkle Gewänder, viel Theatralik. Sänger Clode mag man den Bösewicht nicht so recht abnehmen, dafür wirkt er doch zu harmlos und nett. Auch die Songs sind hauptsächlich - nett. Wieder nichts, musikalisch lässt es sich heute wirklich wenig zwingend an. Da bleibt Zeit für Publikumsstudien. Kontakt haben wir mit den Einheimischen eigentlich nur am Merchstand, der Theke oder an der Pommesvitrine, ansonsten sind sie recht zurückhaltend. Es fällt auf, dass es kaum maltesisches Weibsvolk gibt, das mit metalkompatiblem Outfit aufwartet. Nahezu sämtliche Frauen kommen aufgetakelt und gestöckelt daher, während ihre Typen gediegen wie bei uns zu solchen Anlässen Jeans und bedrucktes Shirt tragen. Anscheinend verspüren die Frauen hierzulande den Zwang, sich tussihaft aufdonnern zu müssen, komische Titten, äh, Sitten.
Tethra Gegen 21 Uhr kommt endlich echte musikalische Qualität in die Veranstaltung. Mortalicum geben nicht nur ordentlich Gas, sondern warten zum Glück auch mit wirklich großartigen Songs auf. Irgendwo zwischen Grand Magus und Iron Man breiten sie sich aus mit ihrem "Speed Doom" und lassen die Mundwinkel nach oben gehen, auch wenn Frontmann Henrik Högl im Fidl Castro - Outfit über Tod und Verderben singt. Und das übrigens mit kräftiger, äußerst angenehm gefärbter Stimme. Angesichts des sehr coolen Gigs kann man auch locker über Gitarrist Mikaels Sommerfrischleraufzug inklusive Flipflops hinwegsehen. Kaum ist die Chose also mal in Gang gekommen, wird gleich wieder Sand ins Getriebe gestreut. Forest Stream haben nämlich massive Probleme mit ihrer Technik. Eine gefühlte Stunde lang kauern die Russen ratlos vor ihrem Notebook, da anscheinend die benötigten Samples nicht wie gewünscht laufen wollen. Meine Gefühlslage schwankt zwischen spöttischem Kopfschütteln und echtem Mitleid, schließlich wohnen die Jungs auch nicht gerade um die Ecke. Irgendwann funktioniert es doch endlich, so dass wir immerhin zwei Songs einer typisch osteuropäischen Melange aus Doom, Gothic und ein bisschen Black zu hören bekommen. Schade, das hätte ich mir auch länger reinziehen wollen. Aber anscheinend soll der Zeitplan halbwegs eingehalten werden, auch für unsere Veteranen aus Schwabistan.
Mortalicum
Forest Stream Stoisch wie gewohnt gaben sich Dawn Of Winter abseits der Bühne, weswegen man kaum glauben mag, dass sie nach 22 Jahren noch immer richtig Bock auf ihre Band haben. Doch auch wenn gerade Bassmann Bolle und Gitarrero Jörg während des Gigs weitgehend freudlos wirken, werden wir Zeuge eines wahrhaft fulminösen Doom-Rituals. Weggeblasen sind die Eindrücke aller halbtalentierten Bands des Tages, nun wird der echten Leidenschaft gefröhnt. Ich kann kaum glauben, mit welcher Inbrunst Gerrit neue und alte Klassiker der Institution intoniert. Auch wenn er immer für gehobene Sangeskünste gut ist, heute hab ich den Eindruck, er ließe seine Stimmbänder vibrieren, als wäre er sicher, nach der Show vom Höllenschlund verschluckt zu werden. Unfassbar intensiv. Vom ersten Ton an verlangsamt sich mein Herzschlag, wohlige Kälte breitet sich in mir aus. Ein graubunter Mix aus allen Schaffensphasen ergießt sich übers ergriffene Auditorium. Auch Nummern der brandneuen EP werden gezockt, wobei man sich bei der Zeile "Bring me the skull of the sorcerer" dabei ertappt zu wünschen, es würden wirklich ein paar schwedische Köpfe rollen. Aber der Refrain von "In Servitude To Destiny" ist einfach zu herrlich, um irgendwelchen negativen Gedanken nachzuhängen. Absoluter Höhepunkt jedoch ist der Titeltrack vom "The Peaceful Dead" - Album. 10 Minuten lang werde ich von Gänsehautschauern überflutet; es fühlt sich an, als wären es nur wenige Schritte bis zur Pforte des Totenreichs. Ganz großes Doomkino von der sicher besten Band des Festivals.
Dawn Of Winter Danach hätten es garantiert auch Sorcerer schwer, aber die wollten ja nicht. Also gibt sich jetzt die maltesische Szene die Mikros in die Hand, um eine Dio-Tribute-Show als Trostpflaster abzureißen. Schlecht ist das nicht, aber mir fehlt der passende Alkoholpegel, um daran richtig Spaß zu haben. Außerdem ist für mich nach Dawn Of Winter sowieso die Messe gelesen. Es ist wohl noch nicht ganz 3 Uhr, als wir uns wieder in den Shuttle-Kleinbus zwängen, um von einem SMS tippenden Fahrer zurück zum Hotel gebracht zu werden. Sonntag, 4. November Gegen Mittag machen wir einen Rundgang auf einer kleinen Halbinsel, die in Sichtweite unserer Herberge liegt. Dort befindet sich eins der vielen Forts, die überall an den Küsten stehen. Reingehen können wir jedoch nicht, das Gelände ist abgesperrt. Im Umfeld liegt einiges an Müll herum. Wir haben tatsächlich mal ne Stelle gefunden, die ziemlich versifft ist. Ansonsten wirkt es überall auf der Insel nämlich einigermaßen sauber und aufgeräumt. Da wir beide viel mit Fußballkultur am Hut haben, war klar, dass wir ein Spiel der maltesischen Premier League besuchen würden. Also fahren wir mit dem Bus nach Hamrun, wo wie üblich im Victor-Tedesco-Stadion gleich zwei Paarungen hintereinander stattfinden. Das Gelände liegt hinter Mauern mitten im Wohngebiet. Von einem örtlichen Supporter, der mich auf mein St. Pauli Shirt anspricht, erfahren wir ein paar organisatorische Details. Es gibt jeweils eine Extra-Kasse für den "Heim"- und "Gäste"-Bereich und getrennte Eingänge mit großen Drehkreuzen. Polizisten stehen auch wichtig in der Gegend rum, obwohl die Szenerie ziemlich entspannt und provinziell wirkt. Wir entscheiden uns für den Bereich der Anhänger der Hamrun Spartans, wenn wir schon von einem der ihren eingewiesen werden. Stefan kriegt gleich wieder einen verbraten und zahlt nen Euro mehr; vielleicht hätte er dem Kassierer nicht verraten sollen, dass er Arminia-Fan ist.
Wir setzen uns also auf die einzige Tribüne und schauen den Kickern beim Aufwärmen auf dem Kunstrasen zu. Es sieht sehr nach Amateurfußball aus. Um uns herum sammeln sich Leute in Hamrun-Trikots, auch ein Trommler ist darunter und ein Typ mit Megafon. Das kann ja heiter werden! Als das Spiel dann anfängt, sind die Fans aber erstaunlich ruhig, Support findet kaum statt. Einzig Beschimpfungen in Richtung Schiedsrichter lassen die Leute mal aus sich herausgehen. Der Kick ist ganz ansehnlich, aber relativ niedrig vom Tempo her. Vielleicht ist das der Tribut an die südlichen Gefilde, wo die Spieler wegen der Temperaturen generell nicht so viel Gas geben können. Zur Halbzeit steht es noch torlos, doch nachdem der technisch beschlagene aber unaustrainiert wirkende Spielmacher der Spartans nicht mehr auf dem Feld ist, setzen sich die Sliema Wanderers mehr und mehr durch und gehen mit 2:0 in Führung. Als die Anhängerschaft schon resignierend zum Ausgang strömt, fällt doch noch der überraschende Anschlusstreffer. Mehr ist aber nicht drin, es bleibt beim 2:1. Das zweite Spiel ziehen wir uns dann nicht mehr rein, denn im V-Gen steht heute im Nachklang zum Festival ein Liveevent an.
Myopic Destiny Dorthin verfrachten wir also unsere Kadaver, den Weg kennen wir inzwischen ja zum Glück. Viel los ist mal wieder nicht, als die Malteser Myopic Destiny die Bühne entern. In diesem Fall verpassen die Abwesenden allerdings auch nichts Wesentliches, denn die Band ist ziemlich grottig. Besonders der Sänger präsentiert sich weitgehend talentfrei. Anschließend dürfen die am Vorabend so gebeutelten Forest Stream nochmal ran. Diesmal klappt es auch mit der Technik, so dass wir einen guten Auftritt geboten bekommen. Allerdings stehen wir fast als einzige vor der Bühne, während sich die restliche Belegschaft eher im Hintergrund herumdrückt. Stimmung kommt so natürlich kaum auf, aber es ist trotzdem ein cooles Gefühl, am Sonntag Abend in einem siffigen Club irgendwo auf Malta ne russische Band anzugucken. Das Lager schmeckt auch wieder. Nach dem Gig gehen wir um die Ecke erneut ins Parapett zum Essen, denn wir wissen ja, dort lecker bedient zu werden. Blöderweise verpassen wir dadurch den kompletten Mortalicum-Auftritt, aber man kann nicht alles haben. Immerhin haben wir ja noch die Show von Iron Void vor uns. Und die ist wieder sehr amtlich. Die Jungs haben auch heute Spaß an ihren gelungenen Doom-Weisen, so dass der Funke auf die paar Anwesenden überspringt. Der Hooded Priest - Fronter ist mal wieder vorne dabei, um die Kollegen bangenderweise zu supporten. Nach etwa einer Dreiviertelstunde ist leider schon Schicht, wir hätten uns das gern auch noch länger gegeben. So bleibt uns nur die Rückfahrt ins Kennedy Nova, um wahlweise schlafend oder wachliegend an der Matratze zu lauschen.
Poser vor Forest Stream
Iron Void unter Muckerkollegen Montag, 5. November Heute steht ein Ausflug auf die kleinere Nachbarinsel Gozo auf dem Plan. Dazu fahren wir zuerst mit dem Bus einmal quer durch Malta zum Fährhafen. Die Überfahrt ist dann recht kurz, nach einer knappen halben Stunde sind wir schon drüben. Kaum dass wir das Fährterminal verlassen haben, textet mich ein Taxifahrer zu und will uns für kleines Geld herumkutschieren. Zum Glück ist Stefan gänzlich abgeneigt, weswegen wir wie geplant den Linienbus nehmen. Mit diesem geht es in den Hauptort Victoria. Auf der Fahrt ist schon klar ersichtlich, dass Gozo viel grüner und dünner besiedelt ist als die große Schwester. Wir gondeln weiter, um uns eine der Hauptattraktionen, die vor ca. 5800 Jahren errichteten Ġgantija-Tempel, anzusehen. Dies gestaltet sich allerdings kurz und unspektakulär, denn es handelt sich um von Gerüsten zugestellte, übereinander gestapelte Steine, die man schnell umrundet hat. Zumindest können wir uns an ein paar feisten Eidechsen erfreuen.
Wenn wir schon mal vor Ort sind, ziehen wir noch weiter zu einer Windmühle (komischerweise ohne Flügel) mit einem kleinen Museum. Dann machen wir uns zu Fuß auf den Rückweg zum Busbahnhof im Zentrum und erwandern so ein bisschen die Gegend. Zur Überbrückung der Wartezeit lassen wir uns noch auf einem belebten Platz nieder und trinken wirklich spottbillige Erfrischungsgetränke. Im großen Baum über uns zwitschern Heerscharen von Vögeln, und prompt fängt sich Stefan einen Köttel ein. Deswegen saß auf der Ecke also niemand von den Einheimischen... Auf der langen Rückfahrt erwischen wir einen besonders marode wirkenden Bus, der bei jedem der zahlreichen Schlaglöcher auseinander zu brechen droht. Überhaupt fährt der Mann am Steuer einen ausgesprochen heißen Reifen, was unter den älteren Fahrgästen für einige Aufregung sorgt. Wir kommen aber heil an, so dass wir den Abend bei leckerem indischen Essen und einem Lager auf der Dachterrasse ausklingen lassen. Dienstag/Mittwoch, 6./7. November
An unserem letzten Tag hängen wir mittags bei weiterhin sommerlichen Temperaturen erst ne Weile am Pool, schwimmen sogar ne Runde, bevor wir noch einen kleinen Ausflug ins Inselinnere unternehmen. Natürlich fahren wir wieder Bus. Dieser bringt uns zur früheren Hauptstadt Mdina, die eine kleine, mittelalterliche und schick herausgeputzte Siedlung hinter hohen Mauern und Gräben ist. Obwohl es sehr touristisch unterwandert anmutet, scheinen hier auch Leute normal zu wohnen. Selbst manche Autos zwängen sich durch die sehr schmalen, malerischen Gassen. Wir gucken uns die "Mdina Dungeons" an, wohl ein ehemaliges Verlies, wo eine hübsche Ausstellung zum Thema Folter & Co. eingerichtet ist. Anschließend latschen wir noch ein bisschen durchs angrenzende Rabat, bevor auch schon wieder Zeit für die Rückkehr ist.
Weil es so gut war, gehen wir wieder zu unserem Inder und anschließend in eine Pinte, um Champions League zu gucken. Der Laden ist bester Underground, wir hocken auf billigen Stühlen neben ziemlich genau vier weiteren Gästen und sehen auf Röhren-TV, wie sich Schalke gegen Arsenal behauptet. Sehr putzig auch der schratige Wirt, der mich bei der Bestellung netterweise fragt, ob ich ein Pint wolle. Auf mein Bejahen hin - macht er mir gleich zwei Viertelliterflaschen auf. Aha. Nüsschen und Schnittchen mit Zwiebel werden dazu für lau gereicht. Da lässt sich auch verschmerzen, dass man die Tür zum Klo nicht richtig schließen kann und beim Geschäft halb im Gastraum steht. Nach dem Spiel brechen wir bald auf, denn die Nacht wird kurz.
Bereits vor 5 Uhr haben wir uns vorm Hotel zwecks Shuttle zum Flughafen einzufinden. Nachdem wir eingestiegen sind, kurven wir aber erst noch länger durch die Stadt, sammeln ein Paar am Hilton ein und warten auf einen weiteren Fahrgast, der aber wohl noch im Bett liegt und zu einer anderen Zeit abfliegen will. Gänzlich wach sind wir, nachdem ein Freak uns die Vorfahrt nimmt und unser Fahrer ne Vollbremsung hinlegen muss. Das wär's ja gewesen, nachdem wir in den letzten Tagen als Fußgänger mehrere brenzlige Situationen im ungewohnten Linksverkehr überstanden haben. Ansonsten läuft auf dem Rückflug alles geschmeidig, so dass wir mittags wieder im grauen, kalten Deutschland aufschlagen. Alles in allem war's ein cooler Trip, den man so oder ähnlich vielleicht irgendwann wiederholen könnte. Tofukeule, Januar 2013 |