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Elements of Rock

Stadthofsaal Uster (CH), 21.4.2007

Endlich, nach quälend langer Vorbereitungs- und Schaffensphase stand die erste Veröffentlichung im Zuge des Requiem-Werkes kurz bevor. Nach dem livehaftigen Erscheinen beim WGT 2003 war nun auch eine richtige Tour durch Europa geplant, doch wiederum platzten die verheißungsvollen Pläne, weil eine Band namens Draconian nicht das hielt, was sie versprach. Erstaunlicherweise bestätigten Virgin Black aber einen einzelnen Auftritt beim Elements-of-Rock-Festival in der Schweiz. Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich auf den Weg gen Süden zu machen.

Nach nem kleinen Meeting in meiner Butze mit Larsiane am Vorabend war die Nacht letztlich für ausreichend Schlaf viel zu kurz, da der Wecker bereits wenig nach Sechs unbarmherzig nervte. Schließlich galt es, den ICE um 7:20 h zu entern, da die Deutsche Bahn in Form des "Frühling-Spezial" ein ungewöhnlich verlockendes Angebot parat hatte. Für 78 Euronen nach Zürich und zurück schien mir ein echtes Argument, das KFZ in der Garage zu lassen und so mein CO2-Pensum zu schonen. Mal abgesehen von einem beflissenen älteren Bahnbediensteten, der innerhalb der ersten Stunde die umsitzenden Mitreisenden mit den ständig gleichen Fragen zwecks Statistikerhebung nervte, war die Hinreise auch sehr entspannt und geschmeidig, so dass die fünfeinhalb Stunden recht schnell vorüber zogen. Mittags am Zürcher Bahnhof angekommen meinte ich, mir ein S-Bahn-Ticket nach Uster ziehen zu müssen, das mich mal eben mit 9 Franken 60 erschreckend tief in die Börse greifen ließ. Spontan nahm ich mir vor, auf dem Rückweg gefälligst schwarz zu fahren...

Der eigentliche Ort des Geschehens entpuppte sich als beschauliche kleine Stadt, in der gerade wegen Volksfest in den Straßen ziemliche Betriebsamkeit herrschte. Nachdem ich also im Hotel Ochsen den Schlüssel für mein Appartement abgeholt hatte, checkte ich zunächst die Örtlichkeiten, sprich ich erkundete den erfreulich kurzen Weg zum von etlichen Schwarzgewandeten umlagerten Stadthofsaal, um hernach einen ersten Willkommenstrunk zu mir zu nehmen. Just in Spuckweite meiner Herberge stand nämlich der Festmeilenbeitrag der benachbarten Rockkneipe in Form eines Getränkeausschanks nebst Stromgitarren gestützter Beschallung. Da es noch früh am Tag war, beließ ich es bei einem Hellen und vertrieb mir die Zeit bis zum Festivalbeginn mit einem kleinen Stadtrundgang bei feinstem Hochfrühlingswetter. Uster präsentierte sich nett und sauber, aber dies in noch angenehmer Form im Gegensatz zu manch anderer Hochburg in Sachen Schweizer Aufgeräumtheit. Sehr geil gefiel mir dabei ein äußerst spektakulärer Spielplatz mit abenteuerlichsten Bretterbuden bis zum Abwinken. Die Vorstadtkrokodile hätten sich bei dem Anblick bestimmt vor Freude ins Beinkleid gestrullt...

Schließlich machte ich mich auf den Weg zur Halle des Bergkönigs, die live zum Glück nicht ganz so steril ausladend wirkte wie die Internetpräsentation befürchten ließ. Überraschend viel gotisch anmutendes Volk war dort anzutreffen, was für den VB-Gig ja kein schlechtes Zeichen zu sein schien. Bald traf ich auch schon auf Gevatter Thomas, der recht aufgeräumt wirkte, obwohl er sich wie üblich mit seinem Reiskocher verfahren hatte. Aber was machte das schon angesichts der zu erwartenden Wonnen. Zunächst mal war aber noch das Vorgeplänkel zu überstehen. Abgesehen von Forsaken war mir keine der sonstigen Bands bis dato durch die Lauscher geschlüpft, weswegen meine Erwartungshaltung eher sehr neutral war. Ne Band namens Incrave, die vorher wohl mal Evergrace hieß, machte den Anfang. Das Ganze ließ sich halbwegs nett an, recht melodisch, nicht allzu hart, nur so ein wenig arg zurückhaltend. Die Ansagen des Sängers kamen entsprechend im lockeren Plauderton, während das Publikum zahlenmäßig noch sehr überschaubar war. Okay, zum Aufwärmen ging das in Ordnung.

Als nächstes waren Pantokrator an der Reihe, die ne weitaus heftigere Schiene fuhren. Der Frontgaul holte ins Mikro göbelnd einiges aus sich heraus, setzte aber auch hin und wieder gemäßigtere Kontrapunkte. Dass sich im Publikum manch Einer durchaus mitreißen ließ, merkte ich spätestens, als mir jemand aus dem Nichts unvermittelt gegen's Bein flog. Na klasse auch, da trollte ich mich doch lieber wieder ein paar Reihen nach hinten. Letztlich hatten anscheinend alle Angewesten die wilde Darbietung ohne bleibende Schäden überstanden.

Irgendwann in der Umbaupause machte ich noch ne kleine Runde durch den angrenzenden Park, wo eine ausgesprochen heimelige Atmosphäre herrschte. Etliche Banger nebst manch Edelgoten fläzten sich äußerst relaxt auf dem satten Grün und genossen den brutzelnden Lorenz. Etwas unentspannt fand ich nur das leicht übertriebene Ordnungsgebaren: Getränke mussten drin bleiben und rausgehen durfte man nur durch den beengten Eingang, obwohl vom Konzertsaal gleich mehrere breite Pforten ins Freie führten. Muss man nicht verstehen.

Dass ich Forsaken mal auf einem christlich angehauchten Festival sehen würde, hätte ich in meiner Unschuld auch nicht vermutet. In all den Jahren ist mir nie aufgefallen, dass die Malteser in der entsprechenden Szene was zu bestellen haben, obwohl die Lyrics ja schon den einen oder anderen Hinweis auf biblische Beeinflussung verraten. Wie auch immer, ich freute mich, dass noch ne bekannte Band zum Tanz bat. Kurz gesprochen waren die Doomderwische agil und spielfreudig wie immer. Speziell Sangesmeister Leo ging wie gewohnt voll aus sich heraus, als wenn es sein letzter Auftritt in dieser Welt sein würde. Man muss den Kerl einfach mögen, wenn er so mit vor Spaß berstenden Backen feinste Epen schmettert. Speziell "Via Crucis" und das hypnotisierende "Daylight Dies" sind aber auch absolute Volltreffer! Nicht ganz so treffend war mein "Candlemass"-Zwischenruf, als er einen Coversong ankündigte, aber eigentlich hätte ich es mir denken können, dass mal wieder Black Sabbath gehuldigt werden sollte. Und das auf einem Christenfest, Hut ab! Immerhin ist jedoch "Symptom Of The Universe" auch nicht unbedingt die böseste Nummer der Altmeister. Andererseits kam die Sprache zwischendurch auch mal auf Jesus, zum Glück ohne Anbeterei.

Alles in allem waren Forsaken ein sehr gelungener Anheizer für den Hauptact, auch wenn ich mir zwischendurch hin und wieder ne zweite Gitarre während einiger Leadpassagen gewünscht hätte. Schluck, jetzt war es also gleich so weit, Virgin Blacks zweites Erscheinen in der alten Welt stand kurz bevor. Bisher wurde der Zeitplan gut eingehalten, um 21:10 sollte es losgehen. Erfreulicherweise fand sich immer mehr Publikum vor der Bühne ein, die nun von einem Vorhang verhüllt wurde. Die machten es jetzt aber spannend... Zumal das geifernde Volk auch um halb Zehn noch mit den Hufen scharrend auf die Band wartete.

Wenn ich micht recht entsinne, war es annähernd 21:50, als endlich der ersehnte Startschuss fiel. Wie es sich für das Thema Requiem gehört, wurde selbstredend mit Zurückhaltung auf das Kommende eingestimmt. "Shh, someone's dying..." drang die Flüsterstimme aus dem Off. Und nach weiteren spannenden Sekunden begannen Virgin Black ihren beeindruckenden Triumphzug... Gern würde ich nun halbwegs chronologisch den Ablauf des Konzerts schildern, was mir jedoch unmöglich ist. Auf die Songreihenfolge zu achten, womöglich mit Blick zur Uhr und den Notizblock in der Hand, das wäre eine verdammt schlechte Art und Weise gewesen, wie ich den Auftritt eines solchen Ensembles hätte verbringen wollen. Einfach fallen lassen, um mit Sound, Licht, Publikum und Band zu verschmelzen, das war mein Bestreben. Obwohl, so einfach war das gar nicht.

Zu Anfang hatte ich mich möglichst weit vorne drapiert, denn ein paar Fotos wollte ich schon machen. Eigentlich auch nicht optimal, denn das Warten auf ein brauchbares Motiv hält wiederum vom Wesentlichen ab. Irgendwann hatte ich die paar Schüsse aber abgegeben, so dass ich endlich Rowans massiv Respekt einflößende Präsenz ungestört auf mich wirken lassen konnte. Der Mann ist nahezu einzigartig. Wiederum war es ein erhabenes Erlebnis, ihn sein ganzes Spektrum von sanft-melancholisch bis wüst-keifend abrufen zu sehen/hören, wobei er nicht nur stimmlich sondern im Grunde mit dem ganzen Körper die jeweilige Stimmung umsetzt. Ich wüsste nicht, welcher Sänger dies sonst noch in derartiger Intensität zur Aufführung bringt. Ähnlich beeindruckend erneut auch Saitenvirtuosin Samantha, die trotz Postierung im schattigsten Winkel der Bühne enorme Hingabe versprühte. Da wir gerade die Musiker durchgehen, können auch gleich alle an die Reihe kommen: Sessionklampfer Mark (The Eternal) wirkte etwas zurückhaltend aber sympathisch und machte nen guten Job. Luke, der neue Drummer, hätte von Weitem fast als Dino durchgehen können, war aber doch er selbst und kam mit seinen Parts blendend zurecht. Bassmann Grayh scheint mir ein echter Glücksgriff zu sein: Nicht nur, dass er ziemlich bewegungsfreudig abging, er steuerte auch ausgesprochen famose Vocals bei. Hoffentlich bleibt der Mann langfristig am Ball!

Zurück zum Konzert - nach ein paar Songs fühlte ich mich in den vorderen Reihen nicht mehr optimal aufgehoben und schleppte mich weiter nach hinten. Leider empfand ich den Sound auch dort als viel zu laut, was leider das Gesamterlebnis nicht unerheblich trübte. Müssen beim Headliner die Regler denn unbedingt weiter aufgerissen werden, selbst wenn die Lautstärke vorher eigentlich schon perfekt war? Der Mischer hat in meinen Ohren nen Scheißjob gemacht. Trotzdem hätten es Göttergaben wie "...And The Kiss Of God's Mouth", "...And I Am Suffering" oder besonders "Our Wings Are Burning" fast geschafft, mich in den Strudel des Everflows zu reißen. Leider nur fast, denn nach gefühlten 45 Minuten war ich ziemlich perplex, als VB bereits die Bühne verließen. Wie, jetzt schon? Gut, die obligatorische Zugabe kam zwar noch, aber die in Aussicht gestellten eineinhalb Stunden konnten das unmöglich gewesen sein. Oder etwa doch?

Wie auch immer, mir hatte es einfach nicht gereicht. Zumal mich zwischendurch auch ein übereifriger Ordner aus der Trance gerissen hatte, weil er mein schäbbiges Kurzfilmchen von meiner schäbbigen Kamera gelöscht sehen wollte, obwohl ich nur eine kurze Sequenz einer abgewandelten Version des unsterblichen Demo-Klassikers "Anthem" auf Chip hatte bannen wollen. Wer hatte denn eigentlich diese überzogene Anweisung ausgegeben?

Nun denn, nach der phantastischen Darbietung waren vereinzelte Kritikpunkte schnell vergessen, nun musste ich das Erlebte erstmal sacken lassen. Das ging am besten bei zwei, drei Entspannungsbierchen, während ich die folgenden Balance Of Power von den hinteren Rängen aus weitgehend unaufmerksam vorbeiplätschern ließ. Auch die abschließenden Illuminandi konnten bei mir kein allzu großes Interesse hervor rufen, obwohl ich durchaus noch registrierte, dass sie einen recht gelungenen Gig spielten. Ansprechende Melodeien konnte ich vernehmen und ein feminines Streicherduo bestaunen. Viel interessanter versprach aber das in Aussicht gestellte Meet & Greet zu werden.

Die Forumsfreaks Eliza und Andrew waren schnell entdeckt, Thomas war eh allgegenwärtig (so kannte man ihn bisher noch gar nicht...) und auch Patrick konnte schnell ausfindig gemacht werden. Fehlte nur noch die Band. Da es anscheinend so was wie nen Backstagebereich nicht wirklich gab, tauchten unsere Lieblingsbeutler schließlich im Foyer auf und mischten sich unters Volk. Nette Schwätzchen wurden gehalten, Schnappschüsse geknipst und das ein oder andere Getränk zur Brust genommen. Doof daran nur, dass es irgendwann mit den Fremdsprachen immer weniger klappt, wenn der Alkpegel zunimmt. Wie dem auch sei, hoffe ich mal, dass ich mich noch halbwegs verständlich verabschieden konnte. War auf jeden Fall ein verdammt nettes Treffen, das unbedingt öfter wiederholt werden sollte.

Den Ochsen konnte ich wohl kaum verfehlen, mein Schrankbettchen auch nicht. Nur wie das manchmal so ist, überkommt einen mitten in der Nacht oder auch am frühen Morgen der Drang, einen kleinen Sleepwalk zu wagen. Und zack!, steht man im Nachtgewand auf der Straße vor der Herberge, die Haustür ist zu und der Schlüssel liegt drin. In dem Moment jemanden wach zu klingeln wäre nur peinlich, also wagte ich den Aufstieg vom Vordach auf den Balkon, wo ich glücklicherweise die Tür offen gelassen hatte. Mission gelungen, sag ich nur...

Sonntag Vormittag wurde brav bezahlt und nach Zürich getuckert. Dort hatte ich ein paar Stunden Aufenthalt eingeplant, damit ich mir die Metropole mal anschauen konnte. Zunächst suchte ich ein vorher ermitteltes Restaurant mit veganem Angebot auf, um die Reserven aufzufüllen. Schmeckte nicht schlecht, nur ein paar Sättigungsbeilagen hätten dem Büffet gut zu Gesicht gestanden. Halbwegs gestärkt latschte ich dann durch Altstadtgassen zum Zürichsee. Nach spätestens einer Stunde hatte ich aber genug gesehen. Ich hab ja nichts gegen eine gewisse Sauberkeit, aber wenn es in der ganzen Stadt derart geleckt aussieht, dass man sich kaum traut, die verbrauchte Luft wieder auszuatmen, geht mir das eindeutig zu weit. Zumindest das schicki-micki-mäßige Zentrum von Zürich kann mich deswegen in Zukunft jedenfalls gern haben. Wie gut hätte es getan, in dem Moment an einer siffigen Trinkhalle im Ruhrpott nen Frühschoppen zu nehmen, um die Zeit bis zur Abfahrt meines Zugs zu überbrücken...

Ersatzweise musste nun dosiertes Feldschlösschen aus dem Bahnhofskiosk herhalten. Noch erwähnenswert auch die Besatzung des in Basel geenterten ICE-Speisewagens, die mit drei Gästen hoffnungslos überfordert war. Die Mitfahrer gegenüber hatten nach ner Stunde noch immer keinen Kaffee, stattdessen war aber anhaltendes Fluchen aus der Küche zu vernehmen. Immerhin schafften sie es, mir ein Weizen zu servieren, auch wenn ich das Einschenken selbst besorgen musste... Beim letzten Umsteigen gab es doch noch ne längere Verzögerung und eine klemmende Tür hätte mich fast zu einer unplanmäßigen Weiterfahrt gezwungen. Aber am Ende erreichte ich halbwegs geschafft nach einem grandiosen Trip wieder die heimischen vier Wände.

Foto links: Thomas

Foto rechts: Grayh

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