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Dutch Doom Days XIII

Rotterdam, Baroeg, 31.10. - 02.11.2014

Wenn man Progpower mal ausfallen lässt wegen zu reizlosen Billings, kann ein adäquater Ersatz nicht schaden. Zum Glück kann mich Taina schnell von den Dutch Doom Days überzeugen, die ein sehr vielversprechendes Programm auffahren. Passenderweise hänge ich die Tage vorher eh schon in Hamburg ab, um Pokalspiel und Anathema zu erleben.

 

Freitag

Unsere Anreise verläuft ziemlich planmäßig, zum Glück macht die GDL gerade Streikpause. Beim Umstieg in Osnabrück lässt sich allerdings partout kein Frühstücksweizen auftreiben, also irre ich schließlich durch den Zug auf der Suche nach Schlabbofatz. Da kein Speisewagen vorhanden ist, sind wir am Ende froh, wenigstens schlecht gekühltes Pils am Start zu haben. Nachdem sich das gute Wetter schon angedeutet hat, empfängt uns in Rotterdam der nicht enden wollende Spätsommer.

Wir verhaften ein 3-Tage-Ticket für die Öffis und begeben uns in die vorher von mir ausgesuchte Tramlinie. Blöderweise fahren wir aber, wie sich später herausstellt, in die falsche Richtung. Also müssen wir erst noch einen ungeplanten Fußmarsch durch die belebte Stadt antreten. Letztlich erreichen wir unsere Adresse, ein großes, typisches Wohnhaus mittendrin. Unser Vermieter empfängt uns auf nette Weise und zeigt uns kurz die Bude im 5. Stock. Dort sieht es sehr wohnlich aus inkl. schönem Ausblick auf die pulsierende Großstadt. Passt! Nach dem Auspacken meldet sich erstmal der Hunger, also gehen wir ins praktischerweise gleich nebenan gelegene Spirit, wo ein sehr leckeres und größtenteils veganes Büfett lockt. Dazu ein holländisches Weizen, ein schmackhaftes Mahl.

Anschließend wird es auch langsam Zeit, Richtung Baroeg aufzubrechen. Am futuristisch anmutenden Bahnhof Blaak müssen wir uns zunächst orientieren, erwischen dann aber den richtigen Sprinter, der uns in knapp 10 Minuten zum Spinozaweg bringt. Dort ausgestiegen legen wir noch einen ebenso langen Fußweg zurück, bis wir schließlich vorm kioskartigen Club stehen. Sieht einigermaßen vertraut aus, obwohl mein letzter Besuch hier ja schon eine ganze Weile her ist. Den Auftakt mit Monuments haben wir bereits verpasst, trotzdem verlieren sich erstaunlich wenig Leute in der Hütte. Ich kenne nur Vitus und Peanut ansatzweise plus den nun bärtig etwas schwer zu erkennenden Frank und evtl. ein paar Nasen, die auch einst in Malta am Start waren. Zum Aufwärmen scheint also ein Kaltgetränk ganz sinnvoll zu sein, wozu wir zunächst das Bezahlsystem mit "Munten" inspizieren müssen. Diese werden nämlich am Automaten gezogen, wo gibt's denn sowas? Schein einführen in den Schlitz, die herausprasselnden Chips unten entnehmen, gewöhnungsbedürftig aber irgendwie lustig. An der Theke findet sich auch schnell das Obergärige, nun kann es losgehen.

Dread Sovereign machen uns den Anheizer, und das ist ja schon mal ne Hausnummer. Nachdem wir das Trio im März im rammelvollen Rock Café kaum auf der Bühne ausmachen konnten, ist jetzt noch richtig viel Luft im Laden, fast schon ein bisschen ungemütlich. Tausendsassa Averill trägt wieder Kapuze, wirkt wie ein "normaler" aber entschlossener Underground-Mucker, während sich der Kollege an der Klampfe mächtig einen abbricht beim Posen. Bisweilen lässt sich der Fronter anstecken und gesellt sich während instrumentaler Passagen zu seinem Gitarristen, wobei ihm tatsächlich der eine oder andere Schmunzler über die Lippen kommt. So richtig bierernst nehmen sie die Sache also nicht, was durchaus zum Ambiente passt, auch wenn das Material ordentlich düster klingt. Einige Refrains haben echten Nährwert, zum ganz großen Genuss reicht es bei mir heute noch nicht, aber vielleicht hat der Trupp ja noch was im Köcher, um bald nachzulegen.

Bei Conan ist anschließend das allgemeine Interesse ein wenig größer, jedenfalls scheint mir das weite Rund etwas besser gefüllt zu sein. In der Hoffnung, die Band könnte mir doch besser gefallen, als vor längerem beim Reinhören gemutmaßt, versuche ich Zugang zu finden zum monotonen Sound der im seltsamen Kappe+Kapuze-Outfit auftretenden Briten. Kurzzeitig klappt das, doch schon bald geht mir das ungeschmeidige Konzept eher auf den Keks. Irgendwie schrubben sie dann doch nur gleichförmig auf einer Note rum, um innezuhalten und sich vokal ähnlich monoton zu gebärden. Weder mein noch Tainas Ding. Ganz anders sieht es bei Procession aus, die schon der Schlusspunkt für heute sind.

So muss das klingen: Episch, melodiös, metallisch, es ist ein wahrer Genuss. Die zwei Gitarren machen ordentlich was her, Felipe singt wie gewohnt top, doch das entscheidende sind natürlich die Songs. Die klingen rund, inspiriert, gehen nah und reißen mit. Warum zum Teufel sind mir nur die Texte nicht geläufig? Ich könnte die Darbietung noch intensiver genießen. Aber leider hat man ja keine Zeit mehr, sich sowas draufzuschaffen. Geil war's trotzdem, zum Glück mit dem richtigen Headliner. Diszipliniert wie wir sind, machen wir anschließend nicht noch groß Party, sondern nutzen die noch verkehrende S-Bahn zur Rückfahrt ins Gemach. Blöderweise merke ich bald, dass die Fenster unserer Wohnung dem Straßenlärm wenig entgegensetzen, zu wenig, als dass ich Leichtschläfer halbwegs pennen könnte. Wäre ja auch mal was gewesen, ein Festival in ausgeschlafenem Zustand zu erleben.

Samstag

Dementsprechend kann ich am Morgen auch halbwegs früh aufstehen, um für's Frühstück einzukaufen. In "De Groene Passage", gleich nebenan des Spirit, ist der Bio-Supermarkt Gimsel, wo ich alles finde, was wir so zu verschnabulieren gedenken. Nur Mineralwasser hole ich lieber im Normalo-Laden. So kommen wir also langsam in die Gänge bei Tee und Müsli, wobei ich auch tatsächlich mal die holländischen Kane zu hören bekomme, die einst den Hersfelder Namensschöpfern Ärger machten. In unserer Bude befindet sich nämlich eine durchaus feine Sammlung von Tonträgern und Filmen, mit der man sich bei ausreichender Freizeit näher hätte beschäftigen können. Holland-Kane klingen jedenfalls ganz hörbar, sind aber qualitativ von den echten Kane weit entfernt.

Schließlich wagen wir uns nach draußen in die Sonne, um wenigstens ein bisschen Touri-Programm zu machen, wenn wir schon mal hier sind. Die Kubus-Häuser liegen eh auf dem Weg, also schauen wir uns die Origami-Hütten doch gleich an. Ist schon ne ausgefallene Architektur, die zum Teil mit kleinen Läden und einem Hostel sinnvoll genutzt wird. Unterhalb befindet sich der alte Hafen, wo sich ne Menge Leute in der Außengastronomie die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Da es so einladend aussieht, lassen auch wir uns dort nieder und goutieren fruchtig-frisches Babyweizen von Wiekse. Die winzigen Getränkeeinheiten in Holland sind schon putzig, gerade mal ein Viertelliterchen vom hellgelben Stoff befindet sich in unseren Gläschen. Da bleibt es natürlich nicht bei einem. Leider müssen wir den netten Ort bald verlassen, denn es ruft der Doom. Vor der spacigen Markthal gibt's noch Pommes auf die Hand, denn man braucht ja ne gewisse Grundlage.

Samstag (cont.)

Bis wir vor Ort sind, haben nicht nur Stone In Egypt bereits gespielt, auch Victims Of Creation sind schon mitten im Set. Schade eigentlich, die Malteser bringen ihren intensiven, teils deathigen Doom wieder sehr gepflegt und mit Spaß in den Backen rüber. Davon hätten wir gern mehr als vielleicht nur 20 Minuten mitbekommen. Die Zuschauerresonanz ist heute sicher nicht gewaltiger als am Vortag, was ein bisschen schade ist. Wo verstecken sich nur all die niederländischen Doomer? Der einzige Merchstand-Betreiber hat so nicht allzu viel zu tun, so dass er gleich in einen Redeschwall verfällt, als wir uns Festivalshirts kaufen.

Nachdem wir uns loseisen können, stehen bald die Schweizer Doomdeather Excruciation bereit. Der Haufen besticht durch besonders kauziges Aussehen, wobei die lebende Leiche am Bass sich als größter Hingucker erweist. Der Typ wirkt äußerst evil, lässt sich aber mit der Kamera nicht wirklich einfangen. Gespensterhaft eben. Ansonsten ist recht viel Bewegung auf der Bühne, großartig hängen bleibt der Sound jedoch nicht.

Ne ganz andere Schiene fahren anschließend Mount Salem, die einzige Band des Festivals, die sich ne Frau am Mikro gönnt. Kaum starten sie mit einem Song ihrer eigentlich ganz netten "Endless"-Scheiblette, hab ich nur noch eins im Kopf: Blood Ceremony. Ich finde die ganze Masche der Band derart von den Kanadiern abgekupfert, dass ich sie gar nicht weiter ernst nehmen mag. Tut nicht weh, braucht man aber auch nicht weiter.

Da lob ich mir doch Magma Rise. Die Ungarn erfinden das Rad zwar nicht neu, bringen aber eine komplett eigene Note in ihren groovigen Heavy Rock. Muss an ihren heimischen Genen liegen, so können wohl nur Magyaren rocken. Die Songs vom Debüt laufen mir rein wie frisch Gezapftes, den neueren Kram müsste ich mir noch zulegen, klingt jedenfalls auch sehr amtlich. Das war doch mal ein klasse Auftritt - und schon droht mit The Wounded Kings der Schlussakt. Was ist hier los, warum verfliegt die Zeit so schnell trotz langsamer Mucke?

Die düsteren Engländer scheinen jedenfalls gewillt, die verbleibenden Minuten mit vollem Einsatz zu nutzen. Ich bin schon etwas baff, wie dynamisch die Truppe agiert, das habe ich so eindringlich von einem Clubgig in Göttingen gar nicht in Erinnerung. Mittlerweile hat wieder George Birch die Vocals übernommen, was mir tatsächlich noch besser gefällt als mit seiner Vorgängerin. Das auf Scheibe eher distanziert wirkende Material tritt live jedenfalls mächtig Arsch, so dass auch die letzte Stunde des heutigen Reigens im Nu vorüber ist. Nach einem letzten Hopfenbecher nehmen wir frohgelaunt den Rückweg in Angriff, wonach ich diesmal schlau genug bin, zur passiven Geräuschdämmung zu greifen, so dass auch ich endlich halbwegs pennen kann.

Sonntag

Nach einem wieder gemächlichen Frühstück schauen wir uns an der berühmten Erasmusbrücke um, die in Verbindung mit der dahinterliegenden Skyline ein weiteres gutes Beispiel für die spezielle Optik Rotterdams liefert. Da es am heutigen Sonntag nicht mehr ganz so sonnig ist, suchen wir uns danach ne inhäusige Gastro, um den Flüssigkeitshaushalt im Gleichgewicht zu halten.

Wir entscheiden uns diesmal für eine eher verkannte doch harmonische Gedeckkombi: Tee und Bier (Amstel). Die Bediendame ist etwas überrascht ob dieser Bestellung, und räumt nach der zweiten Runde auch vorsichtshalber die Teetruhe beiseite. Auf dem Weg gibt's noch was schnelles Asiatisches in den Bauch, bevor wir mit der bereits gewohnten Verspätung beim Festival erscheinen, so dass wir diesmal Acid Deathtrip verpasst haben.

Also geht es für uns mit Void Moon los, deren Muckerpaar Erika & Peter man auch regelmäßig bei diversen Events vor der Bühne antreffen kann. Heute sorgen sie also selbst für den Sound, geben dabei eine gute Figur ab und lassen ihren recht klassischen Doom zunächst besser als auf den auch nicht üblen Tonträgern klingen. Mit der Zeit erweist sich jedoch Frontmann Jonas als zu distanziert und hüftsteif, um so richtig für Stimmung zu sorgen. Somit bleibt eine eher ausbaufähige Darbietung in Erinnerung.

Anschließend wird es im eh schon deutlich besser als an den Vortagen gefüllten Baroeg noch voller; anscheinend zieht nicht nur der Headliner sondern auch dessen Toursupport Orange Goblin einige Sonntagsrocker hinterm Ofen hervor. Da es uns vorne zu ungemütlich wird, verschlägt es Taina und mich auf das kleine Podest hinten rechts, von wo aus wir trotz Säule vor der Ladichte eine ganz gute Sicht aufs Geschehen haben. Auch Maestro Wino schaut von dort aus eine Weile zu, nichts von seiner bald bevorstehenden Verhaftung und dem für ihn vorzeitigen Tourende ahnend. Orange Goblin lassen derweil ziemlich die Schwarte krachen, scheren sich nicht sonderlich um den Doom, sondern betonen lieber, dass sie ne Metal-Band seien. Können sie so machen, Zeitlupenrekorde erwartet von ihnen eh niemand. Ich freue mich über ein, zwei alte Songs, die ich erkenne, der Rest tönt auch ganz knackig, ohne dass ich es allerdings bereue, OG schon vor längerem aus dem Blickfeld verloren zu haben. Das Volk scheint insgesamt jedenfalls ganz angetan von dem Gebotenen. Uns dürstet zwischendurch nach was Fruchtig-Gemüsigem, doch Mexikaner wird leider nicht ausgeschenkt, die Jacky-Cola-Mischung in der Dose stellt mich nur sehr bedingt zufrieden.

Inzwischen hat auch schon die Stunde der letzten Band geschlagen, Saint Vitus geben sich die Ehre. Wir bleiben wiederum hinten, zumal es vorne nun richtig eng zugeht, doch die Intensität unsterblicher Klassiker wie "Living Backwards" und "I Bleed Black" ergießt sich auch bis in die letzte Ritze. Die Power ist enorm, der Sound fett, eigentlich wäre ich gern näher dabei, geht aber schlecht. Also genieße ich die Chose mit etwas Abstand in dem Glauben, zwei Wochen darauf beim Hammer Of Doom ja dann entsprechend abfeiern zu können... Am gar nicht mal so späten Abend verabschieden wir uns für diesmal von den Dutch Doom Days, vielleicht kommen wir ja wieder. Schön war es allemal, nur leider viel zu schnell vorbei. Passenderweise schlägt auf den letzten Metern zur Wohnung das Wetter um, als würde der Himmel unseren Abschied beweinen. Am Montag Vormittag trennen sich dann auch Tainas und meine Wege, als wir am Hauptbahnhof unseren jeweiligen Zug entern. Vom drohenden Bahnstreik noch verschont ereilen uns beide nur die üblichen Verspätungen, so dass wir abends in seltsam unfuturistisch-provinzieller Umgebung von Bord gehen.


Tofukeule, November 2014

(16:9-Pics: Petrunella)

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