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The Annihilation of Bavaria

Atlantean Kodex @ Kultur-Schloss Theuern, 06. & 07.11.2015

Eigentlich sah es zunächst so aus, als hätte ich zu spät mitbekommen, dass die fantastischen Atlantean Kodex ein Spezialevent in der oberpfälzischen Heimat angekündigt hatten. Die Aufführung des kompletten Machtwerks "The White Goddess" nebst DVD-Aufzeichnung war nämlich ausverkauft, noch bevor man sich besinnen konnte. Doch auch an die Langsamen wurde glücklicherweise gedacht, kurzentschlossen wurde einfach ein zweites Konzert gleichen Ausmaßes am Tag vorher angesetzt. Da hatte ich Taina schnell überzeugt mitzukommen, natürlich mit dem sicheren Hintergedanken, dass wir letztlich Karten für beide Shows würden ergattern können. Und so sollte es schließlich auch kommen.

Freitag

In Fulda steige ich in den ICE, mit dem Taina aus Hamburg kommt und wo für mich sogar noch ein Sitzplätzchen frei ist. Als Wegzehrung goutieren wir den neulich verhafteten Ratsherrn-Viererträger, was das Ertragen der anwesenden Frauenreisegruppen jedoch nur bedingt erleichtert. Hinzu kommt eine verlängerte Fahrzeit wegen Umleitung aufgrund "Personenschadens". Schließlich erreichen wir den überraschend klein wirkenden Hauptbahnhof Nürnberg, wo wir die Wartezeit mit dem Verzehr von Avocado-Bagels überbrücken. Die letzte Etappe im Regionalzug gestaltet sich laut und stickig aber landschaftlich durchaus reizvoll. Als wir in Amberg aussteigen, scheint Taina schon gleich wieder Dutzende Leute zu kennen, die sie entsprechend begrüßt. Nun gehen wir die paar Meter Richtung Zentrum, wo wir unsere wirklich nette FeWo beziehen. Sie liegt direkt an der Vils in der Stadtmitte, ziemlich ruhig und idyllisch. Anschließend stärken wir uns auf der anderen Flussseite im Rußwurmhaus mit lokal gebrautem Weizen nebst Festnahrung, weitere Konzertbesucher sind ebenfalls anwesend, man spricht Englisch.

Bald schon müssen wir aufbrechen zum Ort des Geschehens, dem kleinen Ort Theuern ca. 8 km entfernt. Am Bahnhof erhaschen wir ein Taxi, mit dessen Fahrer wir am Wochenende noch öfter zu tun haben werden. Am Kulturschloss angekommen bietet sich uns eine entspannte und lauschige Außenatmosphäre mit einigen smalltalkenden Herumstehenden sowie weiteren Ankömmlingen. Ein Aufsteller verkündet wenig überraschend "Ausverkauft!" - am Einlass werden unsere selbst ausgedruckten Tickets allerdings bloß per simplem Einriss entwertet. Vorbei am industriekulturellen Museum im Erdgeschoss erklimmen wir die Treppe zum Konzertsaal, der sich schick, gemütlich und etwas geräumiger als erwartet präsentiert. Schon spielen auch Lunar Shadow, die wir vor kurzem erst beim Harder Than Steel gesehen haben. Tatsächlich erkenne ich auch Melodien wieder und mir fällt endlich ein, an welche Band sie mich vom musikalischen Konzept her deutlich erinnern, nämlich Twisted Tower Dire. Die Melodik der Vocals und Gitarren schlagen schon in eine sehr ähnliche Kerbe, wenn ich nicht irre. TTD durfte ich noch nie live erleben, LS dürften jedoch ein bisschen mehr Zeit im Proberaum zubringen, da einige Töne merklich daneben liegen. Bandchef "Savage" (hüstel) scheint immerhin mit sich zufrieden zu sein, post wie ein Großer und besorgt sämtliche Ansagen. Ich fühle mich gut unterhalten, während wir ein wenig vom örtlichen Flaschenbier kosten. Zweiter Anheizer sind die Briten Dark Forest, deren Fronter Josh Winnard gleich mal mit oberamtlicher Steve-Harris-Tributefrise beeindruckt. Die Mucke, die beim vorbereitenden Hören recht vielversprechend klang, läuft auch erstmal ganz gut rein, was ein Großteil des Publikums offensichtlich ähnlich sieht. Auf Dauer fehlt mir allerdings der gewisse Biss in den gleichförmig eingängigen Songs und ich sehne den Headliner herbei.

Der schließlich mit "From Shores Forsaken" und "Pilgrim" die Menge sofort in Wallung bringt, was auch nicht schwerfällt, wenn sich eine Meute von Die-Hards aus sämtlichen Ecken Europas zusammenfindet, um ihren Epic-Helden zu huldigen. Die Leute wollen Atlantean Kodex zelebrieren, völlig klar, und das klappt in diesem speziellen Ambiente sogar noch besser als bei gewöhnlichen Gigs eh schon. Der Sound ist amtlich, der Saal gut gefüllt aber mit genug Luft zum Atmen, dazu ein lokales Gerstenbräu - die Szenerie ist perfekt für die Komplettaufführung des brillanten Epos "The White Goddess". Der Smash-Hit "Sol Invictus" treibt die eh schon prächtige Stimmung gleich noch ein paar Stufen höher, der Publikumschor schmettert den Refrain gar imposant. Dann bricht sich die gnadenlose Epik langsam ihre Bahn in Form von "Heresiarch", wozu ein Rudel Sagengestalten, genannt Perchten, auf der Bildfläche erscheint, das auch das Publikum ein wenig aufmischt. Anschließend können wir uns zum Glück ganz dem Gipfel der erhabenen Genüsse hingeben. "Twelve Stars And An Azure Gown", dieser Inbegriff musikalischer Schönheit, sorgt für selige Gesichter und eine gezückte Europaflagge in den vorderen Reihen. Der Höhepunkt folgt sogleich, "Enthroned In Clouds And Fire" wird angestimmt und mir wird kochend heiß ums Herz. Welch Song. Welch Refrain. Welch Meisterwerk! Kaum zu glauben, dass wir hier und heute live dabei sein dürfen. Die Musik strömt mir nicht mehr nur aus den Speakern entgegen in die Lauscher, sie erklingt direkt im Kopf, im ganzen Körper, ich bin eins mit ihr, wir alle sind eins. Wahrscheinlich stehe ich starr vor Fassungslosigkeit rum, ich weiß es nicht. Auf der linken Bühnenseite tritt jedenfalls ein Mann ans Pult, der die in den Song eingebauten prophetischen Worte zum Besten gibt. Zum Schluss zieht es mir fast die Schuhe aus - "Alles hat ein Ende, auch diese Welt." - Eine Überschauerung biblischen Ausmaßes überkommt mich, schön und beängstigend zugleich. Meine Fresse...

Zum Glück endet das Album mit "White Goddess Unveiled" halbwegs besänftigend, man spürt den Boden wieder unter den Füßen, einst werden wir alle geheilt sein... Nun können wir die restlichen paar Stücke irdisch genießen und begießen, darunter auch das unveröffentlichte "Kodex Batallions", das schön maidenesk losgaloppiert. Schlusspunkt ist natürlich wie fast immer "The Atlantean Kodex", passt! Nach dieser großartigen Darbietung soll noch ein "secret event" im Schlosshof stattfinden, also gucken wir doch mal, was dort abgeht. Die bereits im Konzertsaal in Erscheinung getretenen maskierten Gestalten geben wohl eine längere Show zum Besten, komisch nur die Beschallung dazu aus einem offenen Kofferaum mit uncooler Stampfmucke bzw. AC/DC. Auch wenn ich von der anwesenden Weiblichkeit in Teilen ulkigerweise für den Manager von B.S.T. gehalten werde, sind wir darauf erpicht, nicht so arg lang auf den Rücktransport warten zu müssen und ergreifen bald die Gelegenheit beim Schopfe. Unser Taximann vom Hinweg hat passenderweise gerade Zeit und bringt uns zurück zur Unterkunft.

Samstag

Nach einer erholsamen Nacht könnten wir den Samstag nun entspannt angehen, doch Taina hat sich einen Parasiten eingefangen. Da sie die herbstliche Zecke selbst nicht entfernt bekommt, versucht sie einen Bereitschaftsarzt ausfindig zu machen. Bis dieser sich zurückmeldet, begeben wir uns zum verspäteten Frühstück ins BIO Organic56, einem sehr netten Laden mit kleinem Bistrobereich. Meine nonverbale Verständigung mit der Bediendame funktioniert mühelos, so dass wir bald lecker Linsensuppe genießen können. Anschließend brechen wir auf, die Stadt ein wenig zu erkunden. Auch wenn Amberg uns echt gut gefällt, kommen wir allerdings nicht allzu weit, da sich der Notarzt zum Einsatz in der FeWo ankündigt. Die medizinische Versorgung am Wochenende klappt also auch. Der Herr Doktor kommt ohne Aufpreis ins Haus und verhilft Taina im Nu zur Zeckenfreiheit. Derart erleichtert ziehen wir wieder los, um nach kurzem Fußweg im Schloderer Bräu zu landen, eine "Erlebnisgastronomie", die uns hauptsächlich mit selbstgebrautem Weizen beeindruckt. Überhaupt ist es für uns Nordlichter nahezu paradiesisch, welch große Auswahl an lokalen Bieren lockt. Da möchte man eigentlich mindestens eine Woche lang allein deswegen hier urlauben und ausprobieren. Aber wir haben leider nur das kurze Wochenende zur Verfügung, also müssen wir uns genügsam zeigen. Bald gesellen sich Enrico, Peter und Simon an unseren Tisch, was die Lage umso mehr vergemütlicht, auch wenn die Kollegen unappetitlicherweise diverse Tierteile verspeisen. Gerne hätten wir länger gesessen, doch die Metalpflicht ruft schon bald.

Wir also wieder mit unserem Stammchauffeur nach Theuern, wo heute anscheinend noch mehr los ist, jedenfalls treffen wir weitere bekannte Visagen. Die Supportbands kommen ähnlich gut an wie am Vortag, während sich die örtliche Bevölkerung drum herum offensichtlich unberührt in ihren Wohnlandschaften fläzend der Samstag Nacht entgegendämmert, wie wir auf einer kurzen Exkursion festellen können.

 Zum 2. Akt des Hauptacts sind wir natürlich längst wieder im Saal. Erneut bietet die großartigste deutsche Band ihr fulminöses Programm dar, sicher genauso mächtig wie am Vorabend. Es ist wohl normal, dass die Magie einen heute einen Tick weniger in ihren Bann schlägt, schließlich weiß man ja genau, was einen erwartet. Brillant ist es trotzdem, und wir sind sehr froh, zum zweiten Mal hier sein zu dürfen.

Nach einem weiteren heißen Konzertabend schnacken wir beim Absackerbierchen noch ein ganzes Weilchen mit netten Freunden oder Bekannten, bevor der übliche Taximensch seinen Job erledigt. Schnell ist die Nacht wieder vorbei, wir gehen frühzeitig zum Bahnhof, um in der gleißenden Sonne noch ein Abschiedsweizen zu genießen. Tausend Dank an Atlantean Kodex für die wunderbare Veranstaltung und an Amberg fürs tolle Ambiente, es war spitze!


Tofukeule, Januar 2016

(Pics: Petrunella, tk, Enrico, Luís)

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