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Rock For Animal Rights

Offenwarden, Tierrechtszentrum, 13. & 14.08.2021

Schon seit Jahren hatte ich mit dem Festival geliebäugelt, schließlich würde die Kombination von Metal und Tierrechten für mich perfekt passen. Nur fanden im Sommer halt immer jede Menge andere Events statt, so dass ich nie einen Solotrip in die Bremische Provinz in Angriff nahm.

Mittlerweile ist alles anders, jedes kleine Festival ein Lichtblick, und so konnte ich Lars ganz einfach überzeugen, einen Ausflug an die Weser zu machen. Dass ich mich als Veganer wie üblich fast allein auf weiter Flur fühlte, war fast schon egal angesichts eines wunderbar runden Wochenendes mit illustrem Musikprogramm und sich erfrischend normal benehmenden Besuchern.

 

Freitag

Recht früh am Freitag Morgen ging es los, mit einem mittäglichen Zwischenstopp an der Bremer Waterfront, Lars brauchte noch dringend einen Wasserkanister (der nie benutzt werden sollte). In Offenwarden angekommen, sah man bereits vorm Ortsschild Park- und Campinggelände, wo noch viel freie Fläche war. Zunächst mal mussten wir aber den Wesens... äh, Antigentest im geräumigen DLRG-Zelt absolvieren, denn hier herrschte 1G-Taktik, Stäbchen für alle. Nachdem ich den Delinquenten vor mir beobachtet hatte, schwante mir Unangenehmes, und tatsächlich, der sich mir annehmende Tester meinte es besonders gut, indem er beim kombinierten Rachen-/Nasenabstrich extra tief in mich eindrang. Holy Moly! Immerhin waren zumindest alle gerade Eincheckenden negativ und auch sonst bekam man nichts mit von etwaigen Unglücksvögeln, die nicht aufs Gelände gelassen worden. Ansonsten lief der Einlass ländlich-sachlich ab, ein Bediensteter öffnete das Tor, damit wir samt Geraffel im Auto auf die Wiese fahren konnten, Vorsicht war nur beim schmalen Graben inmitten des Grüns geboten, mit welchem einige Räder bzw. Sprunggelenke noch Bekanntschaft machen sollten. Zwei Jungs, die wir schon am Testzelt trafen, platzierten sich neben uns und kredenzten sogleich Zimtlikörchen und Faxe, es hätte uns schlimmer treffen können. Auch weitere Nachbarn zeigten sich ausgesprochen nett, am Campground passte es atmosphärisch schon mal wunderbar. Schließlich durchquerten wir einen schicken Blechverschlag zum Festivalgelände, wo noch überschaubarer Betrieb herrschte, es aber vielversprechend nach guten Voraussetzungen für ein amtliches WE aussah. Etwas irritierend der Landschlachterei-Schriftzug am Getränkestand, aber dass es hier kein Tierrechts-Workshop mit Gender-Beauftragter werden würde, hatte ich eh kommen sehen. Die Bühne hatte die genau passende Größe für das von einigen Gebäuden und Bäumen umsäumte Gelände, als Untergrund überzeugte recht satter Rasen. Man fühlte sich ein bisschen wie auf einer großen, üppig organisierten Party auf dem Gelände eines ehemaligen Bauernhofs, nun Seminar- und Ausstellungsensemble (was von der Realität wohl nicht weit entfernt ist). X-Ing hatten wir beim Aufbau nur im Hintergrund dudeln hören, von Dezibel Biest bekamen wir immerhin noch ein bisschen was mit. Deutschsprachiger, teilweise angepunkter Rock, der ziemlich geschmeidig vorgetragen wurde. Die Texte schienen auch was zu können, und so ist mir "Für immer jung" sogar im Ohr geblieben. Gutes Motto! Anschließend galt es, die Zeltbühne zu erkunden. Im ziemlich handlichen Format, vielleicht 15 x 6 Meter, standen dort ne Frau und ein Mann mit Klampfen bewaffnet auf entsprechend schmalem Raum und verbreiteten sogleich eine innige Atmosphäre. Entsprechend ihres Outfits verströmten sie einen Hauch von Summer of Love, ihr akustischer Hippie Folk passte bestens. Da das Duo quasi immer spielte, wenn draußen umgebaut wurde, sollten wir Nothing Left 2 Lose nicht zum letzten Mal gesehen haben. Auf der Hauptbühne machten sich unterdessen Ancient Curse bereit, ein recht fettes, trotzdem auch anspruchsvolles Metal-Brett auf die Bühne zu zaubern. Die schon seit den 80ern aktive Band kannte ich bisher allenfalls vom Namen her, umso schöner, dass die Herren auch Jahrzehnte später noch immer richtig gut im Saft stehen.

Ihr erstes Album seit über 20 Jahren erschien ja 2020, als live so gut wie gar nichts ging. Hier und heute hätten sie auf jeden Fall ein größeres Publikum verdient gehabt, aber den anwesenden Metalheads dürfte der stilsichere Vortrag gewiss gefallen haben. Danach drängte es uns zur Hauptmahlzeit des Tages, was ausnahmsweise ja kein veganes Problem hätte sein sollen. Kulinarische Höhenflüge konnte unsereins allerdings nicht vermelden, denn neben einem Crêpes-Stand sichteten wir lediglich eine Bratwurst/Pommes-Schmiede, laut leicht bedauernd geäußerter Auskunft der Damen vom Grill zumindest komplett vegan. Die nicht besonders überzeugende Currywurst mit Fritten sorgte zumindest für anhaltende Sättigung. Frisch gestärkt statteten wir im Anschluss dem bis dahin bedauernswert unterbeschäftigten Cocktail-Mann einen Höflichkeitsbesuch ab, den er uns mit ca. dreifach Sprit im Caipi vergolt. Headgear versuchten derweil mit einer moderneren Form des Metal zu punkten, machten das auch mit viel Dynamik, ganz mein Fall war die Mucke jedoch nicht. Im Zelt gab sich nun noch ein anderer Act die Ehre, das Kara Rock Duo, ebenfalls Frau und Mann, jeweils mit bemerkenswertem Beinkleid, und wie der Name schon sagt, rockiger orientiert als die Kollegen. Kam ebenfalls gut, die Dame performte mit angenehm rauer Stimme. Keep on rockin' in the free world! Mit nur einem Musiker mehr rockten Glutsucht im Anschluss draußen noch viel heftiger. Intelligente deutsche Texte trafen auf einen schmissigen Hardrock-Sound, und für's Auge war auch was geboten. "Im Auftrag des Herrn wird wohl nichts mehr passieren", da hatte der Herr am Mikro und mit Gitarre garantiert Recht inkl. Ohrwurm-Potenzial. Die Chose weckte Erinnerungen an die verblichenen Schaffrath. Mir scheint, ich könnte mir mal wieder angewöhnen, mir auf Festivals den einen oder anderen Tonträger zuzulegen. Da der kühle Abend langsam anbrach, brauchten wir mehr Klamotten, wobei einer von uns am Zelt bereits mit der Waagerechten liebäugelte. Zum Glück konnte ich ihn dazu bewegen, sich auf jeden Fall Rage anzuschauen, was sonst echt bedauerlich gewesen wäre. Auch wenn ich Peaveys Truppe schon lang nicht mehr ultimativ essentiell finde, legte sie doch einen echt fulminösen Gig hin. Mit Spielfreude, positiver Energie und nicht zuletzt starken Songs hatte ich so ein bisschen was wie ein Aufflammen alter Rage-Liebe. Lars war gar derart hingerissen, dass er einen regelrechten Moshpit anzettelte und alles aus dem Ü-50-Fleisch herausholte. Irgendwann hatte er auch mit mir kein Erbarmen mehr und riss mich mit in den Pulk. Dort gleich aufs Maul gelegt, Brille weggeflogen, doch Lars hielt sie umgehend trophäengleich in die Höhe. Meine Fresse, wenn die alten Leute einmal losgelassen werden... Immerhin kannte ich ca. die Hälfte der Songs, "Don't Fear The Winter" durfte gegen Ende natürlich auch nicht fehlen. Ein nahezu legendärer Auftritt, würde ich meinen. Danach war noch ein bisschen Chill-Out nebst Wunden Lecken bei Nothing Left 2 Lose angesagt, Tanzwut guckten wir nur noch kurz an, war eh nicht unser Fall. Es folgte die Nachtruhe bei besten Penntemperaturen.

Samstag

Erstaunlich lang hielten wir es morgens in meinem Quechua aus, die Sonne zeigte sich nämlich bedeckt. Angeblich wurde auch Frühstück am Festivalgelände vorbereitet, uns war aber nach einem kleinen Abstecher zumute, weswegen wir uns gegen 10 Uhr in Richtung Sandstedt aufmachten, also ca. zweieinhalb Kilometer an der wenig frequentierten Straße entlang gingen. Der tags zuvor gesichtete Biergarten versprach, um 11 zu öffnen, also holten wir vorher bei der Bäckersfrau gegenüber ein bisschen Verpflegung, die wir am Kirchhof dezent zu uns nahmen. Dann startete auch schon bald die Bewirtung vorm Sandstedter Hof, es gab Steuermanns, ein recht geschmackvolles Gebräu. Wir waren nicht mal die einzigen Gäste, die Bediendame hatte mit coolem Auftreten alles im Griff. Sogar Festnahrung legte sie uns am späten Mittag nah, so dass ich in Form eines herzhaften Flammkuchens tatsächlich das leckerste Mahl des Wochenendes bekam. Wir erfuhren, dass der Chef den Cocktailstand beim Festival schmeißt, und dass am ersten Weihnachtstag vor Ort ein Umtrunk stattfinden soll. Wir haben unser Erscheinen schon mal vorsichtig angedroht. Der Weg auf dem Deich war leider gesperrt, weswegen wir unterhalb desselben zurück gingen, um ziemlich pünktlich zu D-Wall vor der Bühne aufzutauchen. Recht klassischer Heavy Metal mit Dame am Mikro, das lief uns gut rein. Schade dass sich nur eine Handvoll Frühaufsteher auf dem grünen Rasen eingefunden hatte. Im Zelt war beinahe mehr los, wo Sam wieder Beats baute und Angelika Klassiker wie "Zombie" oder "Ruby Tuesday" zum Besten gab. Bei Megabosch begaben sich draußen dann deutlich mehr Nasen vor die Bühne, selbst Crowdsurfer kamen zum Einsatz (Lars war aber unschuldig). Hmm, die Truppe zog einen ziemlichen Klamauk ab, man sah es schon am Outfit, so eine Art Gwar light auf Steinzeit-Sleaze. Entsprechend simpel klang die Mucke, deutsche Texte, nicht alles 100 % politisch korrekt, aber auf jeden Fall unterhaltsam. Sowas kommt halt an beim partyfreudigen Volk. Nikki Puppet ließen es trotz seltsamen Namens anschließend wieder viel seriöser angehen, auch wenn die Sängerin mit skurrilem Federschmuck glänzte. Der harte Rock / sanfte Metal konnte jedenfalls gefallen und passte gut zum langsam sonniger werdenden Wetter.

Nun stand mit Miracle Man die einzige Cover-Band auf dem Programm, natürlich ging's um Ozzy. Also kannten wir ausnahmsweise alle Songs, sowas ist zwischendurch echt entspannend, zumal wenn es so gekonnt vorgetragen wird. Ein feiner Schlusspunkt für den frühen Abend, nun brauchten wir ne Pause. Schon gar nicht unpraktisch, wenn das eigene Zelt so nah ist. Magistarium verpennten wir wohl komplett, bei Ohrenfeindt erwachte ich langsam wieder. Der Sound waberte recht amtlich herüber, so dass ich einiges von den Kiezrockern mitbekam. Durch Funk und Fernsehen bekannt und auch schon mal live gesehen, da waren mir tatsächlich so einige Songs vertraut. Echt nicht übel, wenn man auf eine deutsche Version von AC/DC steht. Gegen 22 Uhr hatte ich Lars schließlich so weit, dass wir einen letzten Gang nach drüben unternehmen konnten. Nothing Left 2 Lose waren "On The Road Again", inzwischen hatten sie sich ein ansehnliches Stammpublikum erspielt. Derweil versammelten sich auch draußen wieder die meisten der Zahlenden, da nun Thundermother auf dem Programm standen. Es war klar, dass man die Band irgendwann mal sehen würde, denn sie spielt ja scheinbar bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Dass das All-Girl-Kollektiv einen relativ biederen Hardrock bieten würde, hat nicht wirklich überrascht, immerhin war's ganz kompetent gemacht. Nachbar Lukas lief uns noch euphorisiert über den Weg, um zu gestehen, dass es nach jahrelangem übertriebenen Arbeitseifer erst sein zweites Festival sei. Der Junge ist auf einem guten Weg, auch wenn die Zeiten für Party gerade nicht optimal günstig sind. Wir schlürften noch ein paar gut gezapfte Haake Beck im Hintergrund und nahmen schließlich als Betthupferl eine Runde Fako, sehr erfrischend. Kurz nach Mitternacht hatten wir unser Pulver dann verschossen. Nach einer wiederum passabel erholsamen Nacht, verabschiedeten wir uns von den Nachbarn und tuckerten von der Wiese. Wenn dat mal nicht das schönste Festival des Jahres war!

 

Tofukeule, November 2021
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