Anfang des Jahres hatte man noch
Hoffnung, dass ab Sommer festivaltechnisch wieder was gehen
könnte, doch die Pandemieregierung zeigte keinerlei
Entgegenkommen. Demnach rechnete ich auch gar nicht mehr damit,
dass im HOA-Garten irgendwas stattfinden würde.
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Manchmal geschehen aber kleine Wunder,
und so war ich direkt angefixt, als es wenige Wochen vorher
plötzlich hieß, es gäbe eine hastig zusammengeklöppelte
Light-Version des Festivals. Zum Glück zeigte sich Lars gleich
entschlussfreudig, die Unterkunft war eh schon seit März
gebucht.
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Erstmals suche ich im Vorfeld einer
Veranstaltung ein Schnelltestzentrum auf und bin von der
Szenerie bei den "Weißen Elfen" gleich recht angetan. Vergilbte,
billige Hinweisschilder gemahnen die Raucher zum Gebrauch des
Aschenbechers bzw. die Blasenschwachen, nicht in den Hof zu
urinieren. Die Testmimik wurde klinisch halbrein in einem
schummerigen Lagerraum eingerichtet, sofort wird klar, es geht
um hochwissenschaftliche Diagnostik. Immerhin fährt der
Probenahmeboy mir nicht gar so tief mit der Sonde in den
Riechkolben, Ergebnis ist negativ, alles bestens. Gegen Mittag
kann es losgehen, ich springe in Lars' KI-unterstützten Boliden,
mit dem wir zunächst Verden ansteuern, wo der Kollege eine
kleine Fotosession mit Brücken zu absolvieren hat. Ich nutze die
Auszeit für ein Stündchen Schlenderei durch die sonnigen Wiesen
an der Aller entlang. Anschließend stellt sich erster Durst ein,
wir machen jedoch nur kurz Halt an einer Tanke, um noch vor
Küchenschluss am Zielort anzukommen. Rund um den Elbtunnel
herrscht der übliche Zähfluss, gewisse Baustellen scheinen
bereits zum Weltkulturerbe zu gehören. Es wird eng, wir kommen
gegen 20 Uhr an unserer Unterkunft in Barmstedt an, werfen nur
kurz unsere Klamotten rein und brechen gleich wieder zu Fuß auf
zum Kreuz & Quer am Rantzauer See. Zum Glück werden wir dort
noch vollumfänglich bedient, essen Falafel bzw. Salat und gönnen
uns Bierchen.
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Von der Terrasse bietet sich ein
halbwegs idyllischer Ausblick auf den See, wo die Kanadagänse
ein ziemliches Spektakel veranstalten. Noch mehr Eindruck
hinterlässt allerdings ein nicht näher zu definierendes
Wassergeschöpf, das immer wieder zwei Tentakel oder andere
Körperteile unheilvoll aus der Brühe reckt, so dass man Angst um
Enten oder Gänse in der Nähe haben muss. Das Personal gibt vor,
keine Ahnung zu haben, wovon wir sprechen, mysteriös... Als wir
wegen Feierabend den Ort verlassen müssen, vergessen wir glatt
den angepeilten Besuch der Schlossinsel und gehen direkt zurück
Richtung FeWo, in deren Nähe "Der Treff" noch einladend erhellt
ist. Kaum dass wir drin sind, wird klar, die Pinte kann was. Der
Wirt in Bermudas fragt nur halbherzig über seine Brille guckend
nach irgendwelchen Tests, und lässt uns dann gekonnt das frisch
Gezapfte zukommen. Ein ziemlich kommunikativer Kneipenabend
entspinnt sich, bei dem auch der eine oder andere Gast
involviert ist. Nach ein paar Schlummifix erreichen wir
schließlich Bettschwere, verlassen gegen 1 Uhr den Treff, und
richten uns noch halbwegs in unserer Maisonette-Wohnung ein.
Zunächst versuche ich unten auf der Couch zu nächtigen, deren
Schlüpfrigkeit mich jedoch bald nach oben direkt ins Sägewerk
wechseln lässt. Einigermaßen klappt es dann wohl mit dem Pennen.
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Den Freitag gehen wir seriös an mit
Duschen und Frühstücken, das eher verhangene Wetter lockt eh
noch nicht nach draußen. Außerdem müssen wir Kay aus Segeberg
abpassen, der irgendwann eher wie Kay aus der Kiste vor der Tür
steht, um uns eine der überschüssigen Karten abzunehmen. Artig
bedankt er sich und wünscht "alles Gute für Sie", lustiger
Auftritt. Wir ziehen uns noch alles mögliche an Mucke per
YouTube rein, nicht nur Atlantean Kodex und Scorpions, sondern
auch Nena, Falco und Nina Hagen, es fällt einem ja ständig was
ein. Schließlich ist es fast 14 Uhr, als wir zu Fuß die gut 7
Kilometer zu Tegelhütters Anwesen in Angriff nehmen. Wir treffen
draußen auch mal unsere netten Vermieter, die sich erstaunt ob
unserer Lauffreude zeigen. Bei Edeka Jensen holen wir uns
Wegzehrung, was auch nötig ist, denn es zieht sich wirklich.
Eine Genusspause wird zudem eingelegt, weswegen es bei unserer
Ankunft bereits 16 Uhr geschlagen hat. An der Bändchenausgabe
werden wir schon gleich zu ordentlicher Schlangenbildung
aufgefordert, und dann will der Bedienstete glatt einen Ausweis
sehen, den ich aber nicht dabei habe, schließlich war im
Kleingedruckten davon nirgends die Rede. Letztlich lässt er
Gnade vor Recht ergehen, erkennt den original handbeschrifteten
Briefumschlag mit den Tickets als Identitätsnachweis an, und wir
können vermummt die Wiese entern. Dort bietet sich wie
angekündigt ziemlich viel Auslauf, Sitzgelegenheiten hab ich
hingegen zahlreicher erwartet. Erstmal vorsichtig eingrooven und
gucken, wie scharf der Ordungsdienst so agiert. Tatsächlich kann
man die Uhr danach stellen, dass einen jemand anspricht, sobald
man ein Weilchen ohne Maske im Anschlag rumsteht. Selbst wenn
man völlig allein ist auf weiter Flur, soll es zumindest so
aussehen, als wäre man jederzeit vermummungsbereit. Okay, wir
haben verstanden, der Veranstalter kann ja nix für etwaige
seltsame Verordnungen, also machen wir mal brav mit. Bei unserer
Ankunft zocken wohl gerade Ironbound, wir hören ein bisschen zu
mit ausreichend Sicherheitsabstand, sehen tun wir vom Treiben
auf der beschatteten Bühne eher wenig.
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Und so plätschert die Mucke von Beginn
an für uns meist eher im Hintergrund, während wir die Atmosphäre
in Form eines Ansatzes eines Festivals zunehmend genießen. Bald
schon laufen uns einige bekannte Visagen, äh, Menschen über den
Weg, und gar nicht mal so wenige. So wird hier und da
geschnackt, ein bisschen was getrunken, und schon stehen
Stallion auf der Bühne. Den speedigen Metal hab ich schon hier
und da mal gehört, läuft immer gut rein, wir stehen etwas weiter
vorn. Labertasche Pauly gibt natürlich auch einige kurzweilige
Wortbeiträge zwischen den Songs zum Besten, bevor es weiter im
Galopp geht. Echt nicht übel, Band und Publikum haben Spaß. Die
Umbaupausen dauern jeweils etwa eine Stunde, was für eine echt
entspannte Agenda sorgt. Wir geben uns weiter dem Lauf der Dinge
hin, sorgen für Umsatz am bestens bestückten Getränkestand,
futtern Pommes, treffen die Buxtehuder und andere. Im Nachhinein
erfährt man sogar von Bekannten, die dort waren, die man aber
tatsächlich verpasst hat. Könnte vielleicht auch mit der
Maskierung zu tun haben, die manche Gesichter zu sehr
verschleiert. Gegen 20 Uhr spielen die Holländer Steel Shock,
die ich schon beim Anchecken eher gruselig fand, und
entsprechend befindet sich mein Aufmerksamkeitsniveau
währenddessen wohl auch knapp unterhalb der Grasnarbe. Am Ende
können Trance mich aber nochmal aus der Trance holen. Obwohl der
mit seinen markanten Vocals bandprägende Lothar Antoni längst
nicht mehr mit am Start ist, hat das Songmaterial offensichtlich
genug Potenzial, um einen spätabends bei Bedarf wachzuküssen.
"Break The Chains" müsste mein Highlight gewesen sein, während
die Altteutonen auch insgesamt bei einem Großteil der Anwesenden
für die eine oder andere gereckte Faust gesorgt haben dürften.
Punkten kann als Getränk des Abends auch Kaffee/Ballantine's,
allerdings nicht bei Lenze, der verweigert. Uns hingegen macht
der Mix fit, es fühlt sich zumindest so an, was vielleicht auch
dabei hilft, die frisch gespülte Mundhöhle ein paar magnetische
Momente lang mit einem nur bis vor kurzem noch wildfremden
Satansbraten zu teilen. Danke dafür! Am Ende des Tages wartet
bereits eins der schwarzen Taxis, um uns zurück zum Basislager
zu bringen.
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Als wir des Vormittags langsam zu uns
kommen, lassen wir einiges vom gestern erlebten Revue passieren
und sind uns einig, dass es wohl richtig gut war, teilweise fast
schon legendär, wird heute kaum dran anzuknüpfen sein. Die
morgendlichen Rituale sind mit denen vom Vortag vergleichbar,
nur dass wir früher den Absprung schaffen. Ich schmeiß mich ins
luftig-graue Strandoutfit, denn heute soll es ziemlich
sommerlich werden. Den Fußweg kennen wir inzwischen, vorm Edeka
treffen wir kurz unsere Bekanntschaften von gestern und ziehen
dann weiter durch die endlosen Felder Holsteins. Am Ende wählen
wir eine Alternativroute, die ein kleines bisschen Abwechslung
verspricht, und kommen mit unseren Bändchen ganz ohne weiteres
Brimborium kurz vor Start der ersten Band schon aufs Gelände.
Wichtig ist heute, sich möglichst oft im Schatten
herumzutreiben, also postieren wir uns gleich mal unterm großen
Dach. In der ersten Reihe vor der Bühne stehen einige
Monoblockstühle, die eifrig genutzt werden, auch wenn das Ganze
etwas seltsam anmutet. Wir bleiben ein paar Meter weiter hinten
stehen und ziehen uns Burning rein, eine ungesignte HM-Truppe
aus Holland. Sänger Hugo scheint ziemlich umtriebig zu sein,
veranstaltet selbst ein Festival und leiert gern
FB-Freundschaften an. Seine Performance kann sich durchaus sehen
und hören lassen, wie auch die Combo insgesamt, die für einen
flockigen Auftakt sorgt. Anschließend ziehen wir uns mit dem
einen oder anderen Kirschbier in den Schatten des Zaunes im
Bereich der sanitären Einrichtungen zurück und gammeln ziemlich
vor uns hin. Dort kann man sich schön lang machen, Kräfte
sparen, und trifft trotzdem die eine oder andere Nase, die was
wegbringt. Sad Iron, eine weitere Truppe aus den Tiefen des
niederländischen Untergrunds, sorgt für angenehme
Hintergrundbeschallung. Irgendwann arbeiten wir uns etwas nach
vorn zu einer Sitzgruppe, aber ich merke bald, dass ich mein
Pulver für dieses Wochenende bereits weitgehend verschossen
habe.
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Für alle Fälle kündige ich schon mal
meinen baldigen Abgang an, aber als ich tatsächlich dem Auslass
zustrebe, dirigiert mich Lars zurück, um wenigstens noch einen
Scheidebecher zu nehmen. Recht hat er, schließlich sollte man
auch noch Pyracanda gucken. Die Melodic-Thrasher sind
anscheinend sofort spielbereit, sobald irgendwo live was möglich
ist, siehe letztes Jahr beim Ironhammer. Hoffentlich hab ich den
ollen Chartbreaker "Dreamworld" noch mitbekommen, denn bei mir
ist nun auch das Reich der Träume angesagt. Kaum im Taxi, nicke
ich schon weg. Für Lars ist es natürlich noch viel zu früh, er
lässt sich am "Treff" absetzen, wo ihn sein Lieblingswirt
bereits mit offenen Armen erwartet. Ich selbst lass mich direkt
zur Wohnung fahren, ruhe mich erst noch im Hof aus, um dann
einen weiteren Versuch mit der Couch zu starten. Bei Lars'
Rückkehr bin ich erstaunlicherweise gleich an der Tür. Er hat
dann auch endlich genug und haut sich vorsichtshalber ins
Gitterbett...
Epilog
Sonntag: So lang die Nachtruhe auch ausgefallen ist,
erholsam ist was anderes. Ich schleppe mich irgendwann unter die
Dusche, koche Tee, und packe langsam zusammen. Wie im Vorfeld
gemutmaßt, hab ich wenig Ambitionen, heute noch das Millerntor
heimzusuchen, zumal ich dafür auch wieder ein frisches negatives
Testergebnis bräuchte. Mir jetzt was einführen lassen? Lass mal,
mir ist bereits übel. Ergo bin ich froh, dass Lars ausreichend
fahrtüchtig ist, um den langen Heimweg in Angriff zu nehmen.
Irgendwann ist auch dieser geschafft und bald schon stellt sich
große Nachfreude ein über eine wenn auch behelfsmäßige so doch
absolut gelungene Gartenparty light. Bitte mehr davon, bevor der
Sommer sich schon wieder verabschiedet.
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