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Headbangers Open Air "light"

Brande-Hörnerkirchen, Tegelhütters Garten, 23. & 24.07.2021

Anfang des Jahres hatte man noch Hoffnung, dass ab Sommer festivaltechnisch wieder was gehen könnte, doch die Pandemieregierung zeigte keinerlei Entgegenkommen. Demnach rechnete ich auch gar nicht mehr damit, dass im HOA-Garten irgendwas stattfinden würde.

Manchmal geschehen aber kleine Wunder, und so war ich direkt angefixt, als es wenige Wochen vorher plötzlich hieß, es gäbe eine hastig zusammengeklöppelte Light-Version des Festivals. Zum Glück zeigte sich Lars gleich entschlussfreudig, die Unterkunft war eh schon seit März gebucht.

 

Donnerstag

Erstmals suche ich im Vorfeld einer Veranstaltung ein Schnelltestzentrum auf und bin von der Szenerie bei den "Weißen Elfen" gleich recht angetan. Vergilbte, billige Hinweisschilder gemahnen die Raucher zum Gebrauch des Aschenbechers bzw. die Blasenschwachen, nicht in den Hof zu urinieren. Die Testmimik wurde klinisch halbrein in einem schummerigen Lagerraum eingerichtet, sofort wird klar, es geht um hochwissenschaftliche Diagnostik. Immerhin fährt der Probenahmeboy mir nicht gar so tief mit der Sonde in den Riechkolben, Ergebnis ist negativ, alles bestens. Gegen Mittag kann es losgehen, ich springe in Lars' KI-unterstützten Boliden, mit dem wir zunächst Verden ansteuern, wo der Kollege eine kleine Fotosession mit Brücken zu absolvieren hat. Ich nutze die Auszeit für ein Stündchen Schlenderei durch die sonnigen Wiesen an der Aller entlang. Anschließend stellt sich erster Durst ein, wir machen jedoch nur kurz Halt an einer Tanke, um noch vor Küchenschluss am Zielort anzukommen. Rund um den Elbtunnel herrscht der übliche Zähfluss, gewisse Baustellen scheinen bereits zum Weltkulturerbe zu gehören. Es wird eng, wir kommen gegen 20 Uhr an unserer Unterkunft in Barmstedt an, werfen nur kurz unsere Klamotten rein und brechen gleich wieder zu Fuß auf zum Kreuz & Quer am Rantzauer See. Zum Glück werden wir dort noch vollumfänglich bedient, essen Falafel bzw. Salat und gönnen uns Bierchen.

Von der Terrasse bietet sich ein halbwegs idyllischer Ausblick auf den See, wo die Kanadagänse ein ziemliches Spektakel veranstalten. Noch mehr Eindruck hinterlässt allerdings ein nicht näher zu definierendes Wassergeschöpf, das immer wieder zwei Tentakel oder andere Körperteile unheilvoll aus der Brühe reckt, so dass man Angst um Enten oder Gänse in der Nähe haben muss. Das Personal gibt vor, keine Ahnung zu haben, wovon wir sprechen, mysteriös... Als wir wegen Feierabend den Ort verlassen müssen, vergessen wir glatt den angepeilten Besuch der Schlossinsel und gehen direkt zurück Richtung FeWo, in deren Nähe "Der Treff" noch einladend erhellt ist. Kaum dass wir drin sind, wird klar, die Pinte kann was. Der Wirt in Bermudas fragt nur halbherzig über seine Brille guckend nach irgendwelchen Tests, und lässt uns dann gekonnt das frisch Gezapfte zukommen. Ein ziemlich kommunikativer Kneipenabend entspinnt sich, bei dem auch der eine oder andere Gast involviert ist. Nach ein paar Schlummifix erreichen wir schließlich Bettschwere, verlassen gegen 1 Uhr den Treff, und richten uns noch halbwegs in unserer Maisonette-Wohnung ein. Zunächst versuche ich unten auf der Couch zu nächtigen, deren Schlüpfrigkeit mich jedoch bald nach oben direkt ins Sägewerk wechseln lässt. Einigermaßen klappt es dann wohl mit dem Pennen.

Freitag

Den Freitag gehen wir seriös an mit Duschen und Frühstücken, das eher verhangene Wetter lockt eh noch nicht nach draußen. Außerdem müssen wir Kay aus Segeberg abpassen, der irgendwann eher wie Kay aus der Kiste vor der Tür steht, um uns eine der überschüssigen Karten abzunehmen. Artig bedankt er sich und wünscht "alles Gute für Sie", lustiger Auftritt. Wir ziehen uns noch alles mögliche an Mucke per YouTube rein, nicht nur Atlantean Kodex und Scorpions, sondern auch Nena, Falco und Nina Hagen, es fällt einem ja ständig was ein. Schließlich ist es fast 14 Uhr, als wir zu Fuß die gut 7 Kilometer zu Tegelhütters Anwesen in Angriff nehmen. Wir treffen draußen auch mal unsere netten Vermieter, die sich erstaunt ob unserer Lauffreude zeigen. Bei Edeka Jensen holen wir uns Wegzehrung, was auch nötig ist, denn es zieht sich wirklich. Eine Genusspause wird zudem eingelegt, weswegen es bei unserer Ankunft bereits 16 Uhr geschlagen hat. An der Bändchenausgabe werden wir schon gleich zu ordentlicher Schlangenbildung aufgefordert, und dann will der Bedienstete glatt einen Ausweis sehen, den ich aber nicht dabei habe, schließlich war im Kleingedruckten davon nirgends die Rede. Letztlich lässt er Gnade vor Recht ergehen, erkennt den original handbeschrifteten Briefumschlag mit den Tickets als Identitätsnachweis an, und wir können vermummt die Wiese entern. Dort bietet sich wie angekündigt ziemlich viel Auslauf, Sitzgelegenheiten hab ich hingegen zahlreicher erwartet. Erstmal vorsichtig eingrooven und gucken, wie scharf der Ordungsdienst so agiert. Tatsächlich kann man die Uhr danach stellen, dass einen jemand anspricht, sobald man ein Weilchen ohne Maske im Anschlag rumsteht. Selbst wenn man völlig allein ist auf weiter Flur, soll es zumindest so aussehen, als wäre man jederzeit vermummungsbereit. Okay, wir haben verstanden, der Veranstalter kann ja nix für etwaige seltsame Verordnungen, also machen wir mal brav mit. Bei unserer Ankunft zocken wohl gerade Ironbound, wir hören ein bisschen zu mit ausreichend Sicherheitsabstand, sehen tun wir vom Treiben auf der beschatteten Bühne eher wenig.

Und so plätschert die Mucke von Beginn an für uns meist eher im Hintergrund, während wir die Atmosphäre in Form eines Ansatzes eines Festivals zunehmend genießen. Bald schon laufen uns einige bekannte Visagen, äh, Menschen über den Weg, und gar nicht mal so wenige. So wird hier und da geschnackt, ein bisschen was getrunken, und schon stehen Stallion auf der Bühne. Den speedigen Metal hab ich schon hier und da mal gehört, läuft immer gut rein, wir stehen etwas weiter vorn. Labertasche Pauly gibt natürlich auch einige kurzweilige Wortbeiträge zwischen den Songs zum Besten, bevor es weiter im Galopp geht. Echt nicht übel, Band und Publikum haben Spaß. Die Umbaupausen dauern jeweils etwa eine Stunde, was für eine echt entspannte Agenda sorgt. Wir geben uns weiter dem Lauf der Dinge hin, sorgen für Umsatz am bestens bestückten Getränkestand, futtern Pommes, treffen die Buxtehuder und andere. Im Nachhinein erfährt man sogar von Bekannten, die dort waren, die man aber tatsächlich verpasst hat. Könnte vielleicht auch mit der Maskierung zu tun haben, die manche Gesichter zu sehr verschleiert. Gegen 20 Uhr spielen die Holländer Steel Shock, die ich schon beim Anchecken eher gruselig fand, und entsprechend befindet sich mein Aufmerksamkeitsniveau währenddessen wohl auch knapp unterhalb der Grasnarbe. Am Ende können Trance mich aber nochmal aus der Trance holen. Obwohl der mit seinen markanten Vocals bandprägende Lothar Antoni längst nicht mehr mit am Start ist, hat das Songmaterial offensichtlich genug Potenzial, um einen spätabends bei Bedarf wachzuküssen. "Break The Chains" müsste mein Highlight gewesen sein, während die Altteutonen auch insgesamt bei einem Großteil der Anwesenden für die eine oder andere gereckte Faust gesorgt haben dürften. Punkten kann als Getränk des Abends auch Kaffee/Ballantine's, allerdings nicht bei Lenze, der verweigert. Uns hingegen macht der Mix fit, es fühlt sich zumindest so an, was vielleicht auch dabei hilft, die frisch gespülte Mundhöhle ein paar magnetische Momente lang mit einem nur bis vor kurzem noch wildfremden Satansbraten zu teilen. Danke dafür! Am Ende des Tages wartet bereits eins der schwarzen Taxis, um uns zurück zum Basislager zu bringen.

Samstag

Als wir des Vormittags langsam zu uns kommen, lassen wir einiges vom gestern erlebten Revue passieren und sind uns einig, dass es wohl richtig gut war, teilweise fast schon legendär, wird heute kaum dran anzuknüpfen sein. Die morgendlichen Rituale sind mit denen vom Vortag vergleichbar, nur dass wir früher den Absprung schaffen. Ich schmeiß mich ins luftig-graue Strandoutfit, denn heute soll es ziemlich sommerlich werden. Den Fußweg kennen wir inzwischen, vorm Edeka treffen wir kurz unsere Bekanntschaften von gestern und ziehen dann weiter durch die endlosen Felder Holsteins. Am Ende wählen wir eine Alternativroute, die ein kleines bisschen Abwechslung verspricht, und kommen mit unseren Bändchen ganz ohne weiteres Brimborium kurz vor Start der ersten Band schon aufs Gelände. Wichtig ist heute, sich möglichst oft im Schatten herumzutreiben, also postieren wir uns gleich mal unterm großen Dach. In der ersten Reihe vor der Bühne stehen einige Monoblockstühle, die eifrig genutzt werden, auch wenn das Ganze etwas seltsam anmutet. Wir bleiben ein paar Meter weiter hinten stehen und ziehen uns Burning rein, eine ungesignte HM-Truppe aus Holland. Sänger Hugo scheint ziemlich umtriebig zu sein, veranstaltet selbst ein Festival und leiert gern FB-Freundschaften an. Seine Performance kann sich durchaus sehen und hören lassen, wie auch die Combo insgesamt, die für einen flockigen Auftakt sorgt. Anschließend ziehen wir uns mit dem einen oder anderen Kirschbier in den Schatten des Zaunes im Bereich der sanitären Einrichtungen zurück und gammeln ziemlich vor uns hin. Dort kann man sich schön lang machen, Kräfte sparen, und trifft trotzdem die eine oder andere Nase, die was wegbringt. Sad Iron, eine weitere Truppe aus den Tiefen des niederländischen Untergrunds, sorgt für angenehme Hintergrundbeschallung. Irgendwann arbeiten wir uns etwas nach vorn zu einer Sitzgruppe, aber ich merke bald, dass ich mein Pulver für dieses Wochenende bereits weitgehend verschossen habe.

Für alle Fälle kündige ich schon mal meinen baldigen Abgang an, aber als ich tatsächlich dem Auslass zustrebe, dirigiert mich Lars zurück, um wenigstens noch einen Scheidebecher zu nehmen. Recht hat er, schließlich sollte man auch noch Pyracanda gucken. Die Melodic-Thrasher sind anscheinend sofort spielbereit, sobald irgendwo live was möglich ist, siehe letztes Jahr beim Ironhammer. Hoffentlich hab ich den ollen Chartbreaker "Dreamworld" noch mitbekommen, denn bei mir ist nun auch das Reich der Träume angesagt. Kaum im Taxi, nicke ich schon weg. Für Lars ist es natürlich noch viel zu früh, er lässt sich am "Treff" absetzen, wo ihn sein Lieblingswirt bereits mit offenen Armen erwartet. Ich selbst lass mich direkt zur Wohnung fahren, ruhe mich erst noch im Hof aus, um dann einen weiteren Versuch mit der Couch zu starten. Bei Lars' Rückkehr bin ich erstaunlicherweise gleich an der Tür. Er hat dann auch endlich genug und haut sich vorsichtshalber ins Gitterbett...

Epilog Sonntag:
So lang die Nachtruhe auch ausgefallen ist, erholsam ist was anderes. Ich schleppe mich irgendwann unter die Dusche, koche Tee, und packe langsam zusammen. Wie im Vorfeld gemutmaßt, hab ich wenig Ambitionen, heute noch das Millerntor heimzusuchen, zumal ich dafür auch wieder ein frisches negatives Testergebnis bräuchte. Mir jetzt was einführen lassen? Lass mal, mir ist bereits übel. Ergo bin ich froh, dass Lars ausreichend fahrtüchtig ist, um den langen Heimweg in Angriff zu nehmen. Irgendwann ist auch dieser geschafft und bald schon stellt sich große Nachfreude ein über eine wenn auch behelfsmäßige so doch absolut gelungene Gartenparty light. Bitte mehr davon, bevor der Sommer sich schon wieder verabschiedet.

 

Tofukeule, August 2021
HOA-Schoten 

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