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Doom in Bloom 2016

Esslingen am Neckar, KOMMA, 08.10.2016

Einst als Vorläufer des Doom Shall Rise in der Bietigheimer Farbstraße zelebriert, erweckten gute Geister das Doom in Bloom zu neuem Leben.

Als das formidable Billing feststand, war Mohr leicht für einen Wochenendtrip ins wunderhübsche Esslingen zu gewinnen.

Vorgeplänkel

Nach einer Beinahe-Rotlichtsünde kurz nach dem Start verlief die restliche Fahrt in Mohrs Boliden gen Südwesten erstaunlich geschmeidig für einen Freitag Nachmittag. Der Vermieter unserer FeWo am Obertor erschien uns zwar recht grummelig, stellte uns jedoch eine liebevoll eingerichtete Bude zur Verfügung. Da auch die Lage günstig war, konnten wir sogleich zum Warm-up-Abend aufbrechen. Zunächst steuerten wir das Opus an, wo wir ohne Vorwarnung mit den abartig größten Pizzen versorgt wurden, die ich bisher auf dem (viel zu kleinen) Teller hatte. Ein bisschen pervers und nicht komplett zu schaffen, aber durchaus lecker. Netterweise gesellte sich Doomlord Jochen zu uns, der sich als Einheimischer natürlich bestens in der Stadt auskannte. So besuchten wir zunächst den Metalclub Eisbär, der ziemlich voll mit hartem Jungvolk besetzt war. Die Mucke stimmte auch, allerdings war bei der herrschenden Lautstärke keine entspannte Unterhaltung möglich. Also zogen wir nach ein paar Bierchen weiter, verzichteten aufs proppevolle Ad Astra, um im wiederum sehr netten Karmeliter zu landen. Auch hier passte die Beschallung, die Atemluft war halbwegs rauchfrei, und das Malteser-Weizen glänzte mit wahren Sanitäter-Qualitäten. Im Nu waren einige Stunden mit Sabbeln und Trinken ausgefüllt, bis wir die paar Meter zu unserer Butze zurückwankten. Ich hatte noch nicht das Licht gelöscht, als Mohr augenblicklich die Säge anwarf und mich auf die Couch im Wohnzimmer trieb.

Halbwegs ausgeschlafen und gestärkt vom Selfmade-Frühstück, brachen wir am späten Vormittag zwecks Sightseeing auf. Durch die sehr schöne Altstadt führte uns unsere Tour zunächst auf die "Burg", von wo aus wir durch die malerischen Gässchen der Beutau in die Weinberge gelangten. Ein längerer Rundweg mit Infotafeln zu allem Wissenswerten über die weißen und roten Trauben machte uns schlauer und bot weitschweifige Ausblicke über Esslingen. Nach stundenlangem Touriprogramm an der frischen Luft war uns nach einer kleinen Einkehr zumute. Wir wählten den "Bären", eine pure Oldschool-Kneipe mit harter Eckbank, karierten Tischdecken und keinerlei akustischer Berieselung. Der Wirt schien überrascht, dass plötzlich einfach so Gäste auftauchten. Anschließend gab's noch Pasta-Stärkung, erneut im Opus (normale Portionen), und schon wurde es auch Zeit fürs Festival.

Festival

Tickets holten wir lässig an der Abendkasse, ausverkauft würde es eh nicht sein, aber trotzdem wirkte das KOMMA schon gleich einigermaßen belebt. Im Laufe des Abends sah es sogar richtig gut aus, der Laden passabel gefüllt, aber immer genug Platz zum Durchschlängeln und alle Leute sehr entspannt, perfekt! Dass man etliche Visagen kannte, war eh klar, trotzdem fehlten noch einige potentielle Kandidaten, die ja vielleicht beim nächsten Mal auftauchen (hoffentlich wird's dann nicht zu voll...). Den Reigen eröffneten Mustum, ein lokales Doom-Duo, von dem man vorher schwerlich irgendwas gehört hatte. Aber die beiden wirkten schon recht souverän, eventuell ein wenig distanziert. Aber wer zu zweit so relativ fett klingt, darf sich ruhig ein bisschen was einbilden. Von dem auf schwäbisch gehaltenen Text verstanden wir natürlich rein gar nix. Feiner Opener. Versus The Stillborn-Minded hatten wir am wenigsten entgegengefiebert, wurden aber halbwegs positiv überrascht, da die Franken weniger stumpf als erwartet auf die Kacke hauten. Unharmonischste Band des Abends waren sie trotzdem, konnten unsere Betriebstemperatur aber langsam weiter anheizen. Gut so, schließlich war es schon an der Zeit für Mirror of Deception, und das zu so früher Stunde. Wie mittlerweile gewohnt wurden inzwischen die Stühle gerückt in der Rhythmusabteilung, und so sah ich zum ersten mal Rainer die Kessel rühren. Was schon sehr eingespielt wirkte, die Jungs klangen dynamisch wie immer in den letzten Jahren. Die Spielzeit war natürlich viel zu kurz angesichts der Menge an vorhandenen Hits, zumal wenn verständlicherweise "Der Student von Ulm" als Longtrack zu Ehren kam. Dazu noch das starke neue "Orphans", und schon wurde es eng auf der Setlist. Trotzdem schafften sie es noch mit "Vanished", mich in jenseitigere Gefilde zu beamen, um als Schlusspunkt das ergreifende "Sojourner" zu intonieren. Gänsehaut, feuchte Glupscher, grandios! Und überhaupt, wohl keine andere Band bringt ihren Doom so leichtfüßig und gleichzeitig heavy rüber wie MoD. Punkt.

Weiter ging es mit den Portugiesen Sinistro, ein eher unbeschriebenes Blatt bisher. Allein optisch blieb aber einiges hängen: Zerbrechlich wirkende Dame mit sehr roten Lippen, weiter weißer Bluse, untenrum nur mit Strumpfhose bekleidet, windet sich und zuckt unter großem Einsatz der Arme. Singt, flüstert, scheint nur körperlich anwesend. Hätte man die Bühne mit üppigen roten Vorhängen bestückt, sie hätte gut in einen David-Lynch-Film gepasst.Doch die drei bärtigen Gesellen neben bzw. hinter ihr doomten doch eher bodenständig wenn auch atmosphärisch ab. Erinnerte mich bisweilen an Universe217, extravagante Show. Als wenn das kleine Festival nicht eh schon Wohlfühlgarantie geboten hätte, überraschte mich das angebotene vegane Chili doch sehr. Hatte anscheinend der weise Kurt angeregt. Super Sache, da musste ich natürlich probieren und konnte den Daumen heben. So gestärkt sah ich umso erfreuter dem Release-Gig des großartigen neuen Naevus-Werks entgegen. Dieser fiel genau so flockig rockend aus, wie ich es erhofft hatte, wobei die aktuellen Stücke Klassikern wie "Gallery of Fantasy" oder "Sky Diver" problemlos das Wasser reichen konnten. Uwe wird immer lässiger (siehe "Nackig"-Ansage), die Band hat Spaß, macht Spaß, und bleibt hoffentlich noch lang am Ball. Ich freu mich schon auf Bielefeld! Fehlte nur noch ein richtig amtlicher Headliner, kein Problem fürs Doom in Bloom. Ich hatte es ja schon vor Verkündung im Urin, dass SubRosa an ihrem freien Samstag genau hier in Esslingen dabei sein würden. Also wurden wir endlich Zeuge dieser von einem weiblichen Trio dominierten außergewöhnlichen Band. Würden sie ihren sehr vielschichtigen, komplexen Sound auch auf die Bühne bringen? Sie würden. Mit gleich zwei Violinen nebst der üblichen Instrumentierung entfachten sie ein Drama vom Feinsten. Wobei natürlich die durch viele ruhige Passagen erzeugte Dynamik besonders erwähnt werden muss. Auf jeden Fall hab ich lang keine so künstlerisch wertvolle Darbietung mit Ver- und Zerstörungsfaktor mehr erlebt, großes Kino! Auch hier hat die Spielzeit nicht ansatzweise ausgereicht, der Hunger ist nicht gestillt. Hoffen wir mal, SubRosa haben auch Lust auf mehr. Und die DiB-Macher sowieso, nächstes Jahr bitte wieder!

 

Tofukeule, November 2016

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